Fürstenzell
„Besser kann’s nicht laufen“ bei der Jugendarbeit

20.11.2022 | Stand 19.09.2023, 4:41 Uhr
Bernhard Brunner

Sprayen erlaubt, ja sogar erwünscht, hieß es beim Workshop der neuen Kunstwerkstatt am Jugendtreff „Blue Slide Park“ Fürstenzell im Sommer – sehr zur Freude jugendlicher Graffiti-Künstler. −Foto: Archiv Brunner

Von Bernhard Brunner

Sprayen erwünscht: Große Zufriedenheit mit der offenen Jugendarbeit in Fürstenzell ist nach der Präsentation des Berichts der Gemeindejugendpfleger zum Projekt „PäPiG“ – die Abkürzung steht für Pädagogisches Personal in Gemeinden – im Marktgemeinderat spürbar gewesen. Für „ganz wertvoll“ hielt Bürgermeister Manfred Hammer (SPD) die vielfältigen Aktivitäten. Gerade der Aspekt der Einbindung Jugendlicher in die Verantwortung für den Jugendtreff „Blue Slide Park“ stieß auf viel Lob. „Besser kann’s gar nicht laufen“, lautete das Fazit von Pädagogin Petra Baier.

In 30 Minuten hatte Petra Baier mit ihrem Kollegen Sebastian Klein den Entscheidungsträgern im Rathaus das Konzept griffig erläutert, das seit Oktober 2012 mit nun insgesamt 20 Wochenstunden läuft – als Ergänzung der Jugendarbeit vor Ort. Der große Fokus werde darauf gelegt, „Ansprechpartner für die Jugend vor Ort“ zu sein. Konzentriert läuft das Kooperationsprojekt von Kreisjugendring, Landkreis Passau und der Marktgemeinde im „Blue Slide Park“ am ehemaligen Gemeindebauhof in Fürstenzell, der immer montags von 16 bis 18 Uhr für die Zehn- bis 15-Jährigen und von 18 bis 21 Uhr für Zwölf- bis 27-Jährige geöffnet ist.

Entscheidend ist laut Baier eine lockere Atmosphäre. „Jeder, wie er will, kann kommen und gehen“, so Sebastian Klein. „Jugendliche sollen es als ihren eigenen Treff annehmen und sich darum kümmern.“ Es bestünden keine Vorgaben, fügte Klein hinzu, der einen eigenen Öffnungstag am Mittwoch anbietet. Als besonders bedeutsam stellten die beiden die „Beziehungsarbeit“ heraus, die auf das Wissen bei den Nutzern abzielt, „dass sie mit sämtlichen Problemen hingehen können, ohne dass gleich ein Handlungsdruck entsteht.“

Ganz wichtig sei Vertrauen – auch darauf, dass Lösungen für Probleme gefunden würden, nicht zuletzt dank einer sehr guten Vernetzung der PäPiG-Kräfte mit unterschiedlichen Fachleuten im Landkreis. „Das wird immer wieder gut in Anspruch genommen“, betonte Klein, der gerade während der Corona-Krise vermehrten Gesprächsbedarf bei den Jugendlichen bemerkt hat.

Jugendtreff als Ort, „wo alle zusammenkommen können“

Nicht außer Acht zu lassen sei die Möglichkeit zum sozialen Lernen, was „Arbeit“ mit den Besuchern des Jugendtreffs bedeute – auch zur Charakterbildung und zur Erfahrung der Selbstwirksamkeit, die in das Bewusstsein mündet, „ich kann was bewirken“ bei entsprechendem Einsatz. Das sei zugleich ein Beitrag zur politischen Bildung.

Der Jugendtreff sei ein Ort, wo alle zusammenkommen könnten, jedoch immer ein Erwachsener dabei. Die Pädagogin lenkte das Augenmerk auf den Mädchentreff einmal im Monat ab zwölf Jahren. 2022 habe es sogar einen landkreisweiten Mädchenabend zum Weltfrauentag gegeben – zusätzlich zu den sonstigen Ausflügen und Aktionen, darunter zu den internationalen Wochen gegen Rassismus mit einer Ausstellung unter dem Motto „Fluchtgrund“ im Fürstenzeller Jugendtreff.

Erwähnung fanden im Jahresbericht zu „PäPiG“ unter anderem Besuche von Jugendtreffs untereinander, Kooperationen mit den Schulen, Kontakt zur Fürstenzeller Tafel, die Beteiligung an der „Ramadama“-Umweltaktion und die Unterstützung des kommunalen Ferienprogramms mit dem 2022 einzigartigen Projekt „Kunstwerkstatt“, das in der legalen Graffiti-Wand beim „Blue Slide Park“ gipfelte. Mit den Worten „Sprayen ist voll cool. Kann man da was machen“ seien Interessierte an sie herangetreten, sagte Petra Baier, zu der ziemlich zeitgleich der Künstler Fabian Edenharder Kontakt aufgenommen hatte.

Der große Dank der Pädagogin galt dem Bürgermeister und dem Marktgemeinderat für die Unterstützung. Schließlich habe es auch Fördermittel aus dem kommunalen Verbund „Integrierte Ländliche Entwicklung“ – kurz ILE – gegeben. Der Workshop zur Eröffnung sei das aktuelle Highlight gewesen, die Graffiti-Wand werde sehr gut genutzt. Bei der Gelegenheit merkte sie an, dass ihr kein anderer Jugendtreff im Landkreis bekannt sei, der im Außenbereich so viel zu bieten habe wie der „Blue Slide Park“ in Fürstenzell, wo es inzwischen sogar vier ehrenamtliche Co-Leiter gibt – ebenso ein Alleinstellungsmerkmal.

„Da ist jemand für sie da“

Nur durch erfolgreiche Beziehungsarbeit entstehe Vertrauen, machten die Referenten deutlich. „Nur dann können wir auch richtig handeln“, fügten sie hinzu. Regelmäßig erfolge die Erkundigung bei den Jugendlichen, wie es ihnen in Familie, Schule, Ausbildung und Beruf gehe, so dass sie spürten, „da ist jemand da für sie.“ Abschließend versprachen Petra Baier und Sebastian Klein, „wir halten weiterhin die Fahne hoch für unsere Jugendlichen vor Ort.“ Dazu gehörten auch regelmäßige Fortbildungen der beiden. Der Applaus des Ratsgremiums war ihnen sicher.

Im Durchschnitt 20 Jugendliche im Treff

„Es ist wichtig, auch Jugendliche selbst in Verantwortung zu bringen“, zog Bürgermeister Hammer ein Fazit. Denn dadurch gebe es ein noch vielfältigeres Angebot. Man müsse jeden Jugendlichen mitnehmen. „Einfach toll“, so beurteilte zweite Bürgermeisterin Uschi Berchtold (BU/CWG) den Bericht. Dankesworte richtete Ingrid Ohly (ÖDP) an das PäPiG-Duo. Auf Nachfrage von Henriette Baierl (ÜW) bezifferten die beiden die Durchschnittszahl der Jugendtreff-Besucher auf „um die 20“. Spezielle Veranstaltungen seien mitunter ausgebucht, so die mehrtägige Jugendfreizeit am Rannasee.

Als „absolut richtige Entscheidung“ pries dritter Bürgermeister Michael Gruber (SPD) den Entschluss des Marktrates vor knapp zehn Jahren, in das Projekt einzusteigen. Der Jahresbericht habe einmal mehr verdeutlicht, dass ein dauerhafter Bedarf an solchen Angeboten vorhanden sei. Gruber rief zu noch mehr Öffentlichkeitsarbeit auf, um die Aktivitäten breiter nach außen zu tragen. Hammer verwies auf die Unterstützung seitens der Verwaltung – allen voran Petra Brödner im Rathaus als Ansprechpartnerin, auch wenn es um Fördermittel gehe, sowie die Jugendbeauftragte, Markträtin Laura Wastlhuber (CSU). Zuletzt gab es noch eine Einladung an die Ratsmitglieder, den Jugendtreff zu besuchen. „Alle dürfen gern mal vorbeischauen“, sagte Petra Baier.