Nach der beeindruckenden Gedenkfeier am KZ-Grabmal im Friedhof Fürstenstein, (PNP berichtete) trafen sich viele Teilnehmer im Saal des Gasthofes Kerber, um Ben Lesser aus Las Vegas/USA, einem Überlebenden des Todeszuges vom KZ Buchenwald, per Videoschaltung zu begegnen.
In seiner Rede rief der heute 94-Jährige die Zuhörer auf, mit dem Hass aufzuhören und die Liebe zu wählen. So viel Engagement gegen das Vergessen wird ausgezeichnet: Ben Lesser hat das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen, Nikolaus Saller bekommt die Bürgermedaille von Fürstenstein.
„Hitler und die Nazis haben nicht mit dem Töten angefangen, sondern mit dem Hass. Und wir, die Überlebenden des Holocaust, dürfen und werden nicht zulassen, dass die Vergangenheit verzerrt, geleugnet oder vergessen wird“, mahnte Lesser. Das ist ein heiliges Versprechen, dass wir denen gegeben haben, die von uns gehen mussten.
„Ich habe überlebt, weil die Welt einen Zeugen braucht“
Zu Beginn begrüßte Organisator Nikolaus Saller die zahlreichen Besucher im Kerbersaal. Er bedankte sich für die große Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der Gedenkfeier. Nachdem die Live-Schaltung zu Ben Lesser stand, wurde dieser mit großem Applaus begrüßt. Er habe, so Saller, für Ben Lesser das Bundesverdienstkreuz beim Bundespräsidenten beantragt und diese Auszeichnung wurde sofort bewilligt und Ben Lesser im März dieses Jahres in der USA die hohe Auszeichnung durch den Generalkonsul überreicht. Neben den Anwesenden im Kerbersaal gratulierte auch Ministerpräsident Markus Söder in einem von Saller vorgelesenen Grußwort Ben Lesser zu dieser verdienten Auszeichnung.
Ein weiteres Grußwort sprach im Namen des Antisemitismusbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, Dr. Ludwig Spänle, sein Beauftragter Ulrich Fritz. Er gratulierte Lesser zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes, das er für seine jahrelange Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit erhalte habe. „Sie, lieber Ben Lesser, haben seit 1995 öffentlich über ihr Schicksal, ihr Überleben gesprochen. Mit der Zachor Foundation setzen Sie sich dafür ein, dass Menschen weltweit die Geschehnisse des Holocaust nicht vergessen.“
Gratulation zum Bundesverdienstkreuz
Er dankte Nikolaus Saller und seinen Mitstreitern, die in Fürstenstein und Nammering an die schrecklichen Ereignisse vom Frühjahr 1945 erinnern – an den Todeszug vom KZ Buchenwald, der hier fünf Tage stehen blieb und bei dem 794 Häftlinge ermordet wurden. „Deshalb sind wir ihnen, lieber Ben Lesser, sehr dankbar, dass sie uns aus erster Hand berichten und dass sie auf vielen Wegen ihre Erinnerungen aufgezeichnet haben – damit auch nachfolgende Generationen sich mit dieser Geschichte auseinandersetzen können“, so Ulrich Fritz. Auch Bürgermeister Stephan Gawlik und Andreas Schmal vom DGB Niederbayern nutzten die Gelegenheit, Ben Lesser zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes zu gratulieren.
Für die vielen Glückwünsche bedankte sich Lesser mit herzlichen Worten. Die in englischer Sprache vorgetragene Rede unter dem Titel „Was er uns sagen will“, wurde von Ronja Saller übersetzt und ließ die Gäste im Saal still und nachdenklich werden. „Ja meine Freunde, ich komme zu euch aus einer Epoche der Geschichte, in der die Zivilisation ihre Menschlichkeit verloren hat“, sagte er. Eine Zeit, in der es nur drei Arten von Menschen gab: Mörder, Opfer und Zuschauer. Man wisse heutzutage, dass der ganzen Welt bewusst war, was mit dem jüdischen Volk geschah, aber sie sich entschieden habe, zu schweigen. Für Hitler sei dieses Schweigen wie ein „Freibrief“ gewesen. „Sechs Millionen von uns, anderthalb Millionen davon waren Kinder. Und die Welt? Sie hat geschwiegen.“ Was damals in Nammering geschah, dürfe sich niemals wiederholen. „Hitler und die Nazis haben nicht mit dem Töten angefangen, sondern mit dem Hass. Dieser Hass muss aufhören. Liebe und Hass verbreiten sich sehr schnell. Also wählt die Liebe, nicht den Hass.“
Vergangenheit nicht verzerren
Die Überlebenden des Holocaust dürften nicht zulassen, dass die Vergangenheit verzerrt, geleugnet oder vergessen wird. Er selbst habe überlebt, weil die Welt einen Zeugen braucht. „Ich habe mein Leben der Aufgabe gewidmet, die nachfolgenden Generationen über den Holocaust aufzuklären und dafür zu sorgen, dass die Geschichte des Holocaust nie vergessen wird. Ihr sollt wissen, dass ich das deutsche Volk und die deutsche Sprache liebe. Es sind die Nazis, die ich verabscheue. Aber ich kann nicht ihre Kinder, Enkel oder eine der nachfolgenden Generationen dafür verantwortlich machen.“
Zum Schluss seiner emotionalen Rede bedankte sich Ben Lesser bei Nikolaus Saller für alles, was er für ihn und die Erinnerung an den Holocaust getan habe und immer noch tue. Er bedankte sich zudem bei allen Zuhörern und richtete an sie die Bitte, für den Frieden in der Welt zu beten. Nach einer längeren Zeit der Stille und des Schweigens ob der aufrüttelnden Worte brandete lang anhaltender Beifall der sich von ihren Plätzen erhebenden Zuhörer auf.
Emotional ging es weiter. Dr. Ulrich Schmidt, zur Zeit des tragischen Ereignisses am Nammeringer Bahnhof im April 1945 noch nicht geboren, fand deutliche Worte der Verachtung für seinen Vater, einen Offizier der Wehrmacht, der in Nammering zum Augenzeuge dieser fünf Tage am Nammeringer Bahnhof wurde und nicht eingriff. Aber ihn, dem erst viel später über diese Gräueltaten im Heimatort berichtet worden sei, verfolgten seitdem die Fragen: Warum hat mein Vater sich nicht eingemischt zu Gunsten dieser Häftlinge? Hatte er nicht den Mut? Oder wollte er etwa gar nicht? Schmidt bat Ben Lesser und die damaligen Mitgefangenen im Namen seines Vaters um Vergebung nicht nur für das, was ihnen angetan, sondern auch für das, was eben nicht getan worden ist. Er mache die Nachkommen nicht verantwortlich für diese Gräueltaten, so Ben Leser. „Trotzdem vielen Dank, mein Freund , für deine Worte.“ Lesser erzählte in den folgenden kurzen Videos selbst, was er im Todeszug vom KZ Buchenwald zum KZ Dachau erlebte und in seinem Buch aufschrieb.
Neues Buch vorgestellt
Bettina Blöhm und Andreas Schmal vom DGB Niederbayern übernahmen die Vorstellung des neuen, von Nikolaus Saller und Andreas Schmal herausgegeben Buches „Ben Lesser – Ein Leben, das zählt“, das zusätzlich mit vielen Informationen zum Todeszug und den damaligen Ereignissen am Nammeringer Bahnhof ergänzt und aufbereitet worden ist.
Die Feier am Friedhof und hier im Kerbersaal habe ihn persönlich tief berührt, so Bürgermeister Stephan Gawlik in seinem Schlusswort. Er rief dazu auf, diese Gräueltaten nie zu vergessen und dankte allen Rednern für ihre Beiträge wie auch allen Helfern und besonders Organisator Nikolaus Saller, der sich dieser dunklen Geschichte in der Gemeinde angenommen hat. Für ihn hatte er noch eine Überraschung parat. Auf einstimmigen Beschluss des Fürstensteiner Gemeinderates, so der Bürgermeister, werde ihm die Bürgermedaille verliehen, die er sich mehr als verdient habe.
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