Erneut Beschwerden
Abgewiesen? Fünfte Corona-Impfung sorgt für Missverständnisse in Passau

12.11.2022 | Stand 20.09.2023, 21:48 Uhr

Wann soll man sich piksen lassen? Das Impfzentrum erklärt auf PNP-Nachfrage, wann eine Auffrischung empfohlen wird. −Foto: bp

Von Johannes Munzinger

Der Bericht der Passauer Neuen Presse „Trotz Einladung abgewiesen“ über irritierte Impfzentrums-Besucher in Passau stieß auf Resonanz. Im Nachgang haben sich weitere Leser gemeldet, um über ihre Erfahrungen zu berichten.



Im Zentrum stand ein Arzt, der in der X-Point-Halle impft (Name der Redaktion bekannt). Der Vorwurf: Der Mediziner habe versucht, Senioren von der Impfung abzubringen. Die PNP hat Impfzentrumsleiter Dr. Achim Spechter und den betroffenen Mediziner mit den Vorwürfen konfrontiert. Beide weisen diese weit von sich. Es scheint, als sorge vor allem die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) derzeit für Missverständnisse.

Ein 84-jähriger Passauer, der anonym bleiben möchte, hat berichtet, dass er vor einigen Wochen aus Interesse ins Impfzentrum gegangen sei. Corona habe er bislang nicht gehabt, seine letzte Impfung – für ihn die vierte – sei neun Monate her. Eine Ärztin in der X-Point-Halle habe ihm gesagt, er könne sich freilich impfen lassen. Da er seine Unterlagen nicht dabeigehabt habe, sei er wieder gegangen, um sie zu holen. Als er zurückkehrte, sei er auf den eingangs erwähnten Mediziner getroffen. „Der hat mir gesagt, dass er mich nicht impfen wolle, schließlich sei ich bereits geimpft.“ Der Arzt habe gefragt, was sich der Senior von einer weiteren Impfung verspreche und sei allgemein abweisend und kurz angebunden gewesen. Als der Passauer geantwortet habe, dass er zwar trotz Impfung Corona bekommen könnte, allerdings mit leichterem Verlauf, habe der Arzt erwidert, dass das nicht klar sei.

81-Jährige meldet sich ebenfalls

Einen Tag nachdem der Leser sich bei der PNP gemeldet hatte, berichtete die 81-jährige Heidi Porzelt von einem ähnlichen Erlebnissen mit demselben Arzt. Als sie am 25. Oktober auf Anraten ihrer Tochter – einer Ärztin – ins Impfzentrum gegangen sei, habe der Arzt gesagt, dass die Dame schon viermal geimpft wurde und das nun die Fünfte wäre. „Ja, das weiß ich“, habe sie geantwortet, „aber ich bin 81 und die anderen Impfungen haben mir nichts ausgemacht.“

Auch sie habe argumentiert, dass sie sich vor einem schweren Covid-Verlauf schützen wolle. „Da war er ganz kurz angebunden, weil ich nicht auf seiner Wellenlänge war“, sagte Heidi Porzelt zur PNP. Zwar habe sie die Impfung schließlich bekommen, „ich hatte aber das Gefühl, dass er mich davon abbringen wollte. Er war ganz entsetzt, dass ich die fünfte Impfung will, die STIKO habe das nicht empfohlen. Ich hatte das Gefühl, dass er beleidigt war.“

Der bei den Berichten mitschwingenden Vorwurf, dass der Mediziner die beiden Senioren schlicht nicht impfen wollte, wies Dr. Achim Spechter auf Anfrage der PNP zurück. „Ich kann Ihnen versichern, dass [der Arzt] mein vollstes Vertrauen genießt und seinen Dienst am Impfzentrum zu unserer vollsten Zufriedenheit seit langer Zeit abgeleistet hast.“

Das sagt der betroffene Mediziner

Der Mediziner selbst äußerte sich ebenfalls. In einer schriftlichen Stellungnahme erklärt er, „dass die fünfte Impfung von der STIKO als ,Kann-Entscheidung‘ gegeben werden kann, nicht muss“. Grunderkrankungen, die eine fünfte Impfung nahelegen, habe er ausschließen können. „Bei allen Impflingen gehe ich explizit auf die Erwartungen und Beweggründe ein, da bei dringendem Impfwunsch eine Verweigerung schon deswegen nicht in Frage kommt, weil der Patient in Zukunft in permanenter Sorge leben wird und dies muss auf keinen Fall sein.“

„Grundsätzlich verweigere ich keinem die Impfung“, heißt es in der Stellungnahme weiter. „Meistens schließe ich das Gespräch damit ab, welche Entscheidung ich selbst treffen würde. Somit kann ich ohne weiteres gesagt haben, dass ich mir persönlich die 5. Impfung nicht geben lassen würde. Wenn der Impfling meine Äußerung als Verweigerung angesehen hat, bedauere ich dies. Allerdings kam kein Widerspruch.“ Zum Vorwurf, er habe beleidigt gewirkt, schreibt er: „Ich habe mir im Verlaufe meines Berufslebens schon lange abgewöhnt, beleidigt zu sein. Aber für mich ist diese Rückmeldung nicht uninteressant, wie man auf Patienten wirkt.“

Sonderfall fünfte Impfung

In beiden Fällen ging es also um eine fünfte Impfung, welche die STIKO nur in Ausnahmefällen empfiehlt. Wer sollte also nun zum Impfzentrum kommen? Dr. Spechter erklärt: „Allen Personen ab zwölf Jahren wird eine Auffrischimpfung empfohlen, also eine dritte Impfung. Eine weitere Auffrischung, also die vierte Impfung, wird Personen ab 60 empfohlen oder Personen ab zwölf Jahren mit erhöhtem Risiko, außerdem Personal in medizinischen und Pflegeeinrichtungen, Bewohnern in Pflegeeinrichtungen und Personen mit erhöhtem Risiko in Einrichtungen der Eingliederungshilfe.“ Zwischen einer neuen Impfung und der alten bzw. einer vorangegangenen Corona-Infektion sollten dabei sechs Monate liegen.

Komplizierter wird es bei Impfung Nummer 5. Diese kann laut Dr. Spechter sinnvoll sein, wenn ein besonderes Risiko besteht. „Das festzustellen ist aber eigentlich nicht die Aufgabe vom Arzt im Impfzentrum, da die Empfehlung der STIKO lautet, dass behandelnde Ärzte bei Personen mit besonderen Risiken weitere Impfdosen, also z.B. eine fünfte Dosis verabreichen können. Behandelnde Ärzte sind in der Regel nicht die Ärzte im Impfzentrum, sondern die Hausärzte.“

Für gesunde Senioren, auch jene über 80, wird eine fünfte Impfung also nicht generell empfohlen. Die Entscheidung, ob sie trotzdem sinnvoll sein kann, müsse individuell getroffen werden, und zwar im Idealfall vom Hausarzt. Die Vorangehensweise des Arztes im Impfzentrum sei deshalb in Dr. Spechters Augen keine Abweisung gewesen. „Ich traue mich zu sagen, dass es sich nur um ein Abraten entsprechend der STIKO-Empfehlung gehandelt hat.“ Sein Rat: Wer eine fünfte Impfung in Betracht zieht, sollte darüber mit dem behandelnden Arzt sprechen und nicht zuerst ins Impfzentrum kommen.