Freyung-Grafenau
„Wir waren damals alle in Schockstarre“

Heute jährt sich der B12-Unfall, bei dem die beiden Gymnasiallehrer Peter Dreischl und Peter Dellefant vor 25 Jahren starben

19.01.2023 | Stand 17.09.2023, 5:12 Uhr

Der Unfallort: In etwa da, wo am Dienstagmorgen dieser Woche ein Auto einen Lkw überholte, trug sich vor 25 Jahren der schreckliche Unfall zu, bei dem auf der B12 auf Höhe Kumreut die zwei Freyunger Lehrer Peter Dreischl und Peter Dellefant getötet und drei weitere Personen schwer verletzt wurden. −Foto: Karl

Von Christian Karl

„Wir waren damals in Schockstarre“, sagt Landrat Sebastian Gruber, der den schrecklichen Unfall als 16-Jähriger mitbekommen hat – damals, vor 25 Jahren, als es auf der B12 mittags nahe Kumreut zu der Tragödie kam und zwei bekannte Freyunger Gymnasiallehrer auf dem Heimweg in Richtung Passau unverschuldet starben. Drei weitere Personen wurden am 19. Januar 1998 schwer verletzt – darunter auch der Unfallverursacher, ein Mazda-Fahrer aus München, der beim Überholen offenbar den Gegenverkehr übersehen hatte.

Sebastian Gruber war damals einer der Schülersprecher am Freyunger Gymnasium, wo die verunglückten Lehrer unterrichteten. „Es war mit Sicherheit eines der traurigsten und tragischsten Ereignisse, das es in der Schulgeschichte gab“, erinnert sich der heutige Landrat. „Herr Dellefant und Herr Dreischl waren sehr anerkannte, engagierte und beliebte Lehrkräfte. Ich kann mich noch sehr gut an den nächsten Schultag erinnern. Wir waren damals alle in Schockstarre. Als Vertreter der SMV (Schülermitverantwortung; d. Red.) war ich bei der Beerdigung von Herrn Dellefant in München dabei. Das war alles sehr bewegend und traurig.“

„Außergewöhnliches für den Landkreis geleistet“

Es waren trist-tragische Unfalltage vor 25 Jahren: Drei Tage nach einem tödlichen Unfall bei Heldengut kam es am 19. Januar zu einer „neuen Tragödie auf der B12“, wie die PNP damals formulierte. Bei dem frontalen Zusammenprall auf Höhe Kumreut kamen am 19. Januar 1998 um 13.10 Uhr zwei Lehrer des Freyunger Gymnasiums ums Leben, Peter Dellefant und Peter Dreischl. Bei dem schrecklichen Unfall gab es noch drei Schwerverletzte: einen weiteren Lehrer des Gymnasiums, einen Lehrer an der Freyunger Hauptschule sowie den Fahrer des anderen Fahrzeugs.
Die vier Lehrer waren nach Schulschluss mit einem Citroën in einer Fahrgemeinschaft Richtung Passau unterwegs gewesen. Zwei Kilometer nach dem Tunnel Garham auf Höhe Abzweigung Auggenthal überholte ein 54-jähriger Münchner mit seinem Mazda aus Richtung Passau ein anderes Auto, übersah dabei vermutlich den Gegenverkehr und fuhr frontal in das Auto mit den vier Lehrern. Ihr Fahrzeug wurde laut Polizei nach rechts von der Fahrbahn katapultiert. Peter Dellefant am Steuer und Kollege Dreischl links hinten starben noch an der Unfallstelle.

Die schwerverletzten Kollegen wurden in umliegende Krankenhäuser transportiert. Der Unfallverursacher kam ebenfalls mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus. „Feuerwehrleute, Polizisten und die Rettungskräfte konnten angesichts der Unfallszene und des Hergangs ihre Erschütterung nicht verbergen“, hieß es damals in der PNP.
Der ums Leben gekommene Passauer Peter Dreischl unterrichtete in Freyung Biologie und Chemie. Peter Dellefant war Kunsterzieher. Die Freyunger kannten Dellefant als ehemaligen Stadtrat. Von 1972 bis 1978 saß er für die Freie Gemeinschaft Stadt und Land im Gremium. Bekannt war Dellefant in Freyung und weit darüber hinaus für sein Engagement für die Heimatpflege. Sein Spezialgebiet war die Volksmusik.

Wertvolle Impulse setzte er zur Sanierung von Baudenkmälern im Bereich Wolfstein. Seine bedeutendste Tat als Kreisheimatpfleger war 1969 die Idee, im Landkreis ein Freilichtmuseum für bäuerliche Kultur einzurichten. Daraus entstand das Museum in Finsterau. Dellefant hat viele Volksmusik-Veranstaltungen vorbereitet und moderiert, die Gruppen für zwei Landkreis-Schallplatten ausgewählt, viele Ausstellungs- und Kulturfahrten organisiert. „Er hat auf dem geschichtlichen, volkskundlichen und insgesamt kulturellen Sektor aus seiner Begeisterung heraus für dieses Metier Außergewöhnliches für unseren Landkreis geleistet“, erklärte noch am Unfalltag Karl-Heinz Paulus, damals der Pressesprecher des Landratsamts, gegenüber der PNP.

Verursacher erhielt 1998 eine Bewährungsstrafe

Weil ihm vor Gericht nicht nachgewiesen werden konnte, dass er rücksichtslos überholen wollte, kam der Münchner Unfallverursacher in einem Verfahren im Oktober desselben Jahres mit einer Bewährungsstrafe davon: 18 Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung – so der Spruch des Richters. Der damals 55-jährige Handelsvertreter aus München wurde wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung in zwei Fällen durch das Schöffengericht Freyung verurteilt. Die Bewährung wurde für drei Jahre ausgesetzt gegen eine Geldauflage von 6000 Mark.

„Ich kann mich an nichts mehr erinnern“, sagte der Angeklagte damals in dem Verfahren. Der Vertreter war an jenem Morgen gegen 9 Uhr in München losgefahren zu einem Kundenbesuch in Freyung. Wie und warum er plötzlich an jenem 19. Januar nach links von der Fahrbahn abkam, wisse er nicht. Er habe selbst schwere Verletzungen erlitten, besonders am linken Bein und Kniegelenk. „Es ist mit einem Dauerschaden zu rechnen.“
Peter Dellefant, der als Fahrer des Pendler-Autos nicht ausweichen konnte, und sein hinter ihm sitzender Kollege Peter Dreischl erlitten damals schwere Polytraumata und überlebten den Unfall nur um Minuten. Der Kollege neben Dellefant erlitt lebensgefährliche Verletzungen – unter anderem schwere Schädelverletzungen, Knochenbrüche, Lungenrisse und eine Thoraxverletzung. Der vierte Insasse – er saß links hinten – trug einen Bruch des linken Unterarms davon. Auch er litt zum Zeitpunkt des Gerichtsverfahrens noch immer an Schmerzen und der Erinnerung. „Der tote Fahrer fiel mir in die Arme.“ Beide Überlebenden sagten damals: „Dellefant war der vorsichtigste Fahrer von uns.“ Er habe nie überholt und sei auch nie schneller als 65 Stundenkilometer gefahren.
Der Vorsitzende des Schöffengerichts räumte ein: „Das Urteil wird den Betroffenen vielleicht unverständlich sein.“ Wenn dem Angeklagten ein rücksichtsloses Überholmanöver nachgewiesen worden wäre, hätte es keine Strafaussetzung gegeben. „Solange wir ein solches Überholmanöver nicht beweisen können, können wir es nicht verurteilen.“ Das Urteil ging damals davon aus, dass der Angeklagte „nur“ aus Unachtsamkeit auf die Gegenfahrbahn geraten ist.

Gruber: „Unzählige wurden von ihnen geprägt“

„Unzählige Schülerinnen und Schüler wurden durch Herrn Dellefant und Herrn Dreischl geprägt, weswegen es geboten ist, den beiden Pädagogen auch nach einem Vierteljahrhundert ein dankbares und ehrendes Gedenken zu bewahren“, sagte der damalige Schüler und heutige Landrat Sebastian Gruber gestern auf PNP-Nachfrage. „Zudem hat sich Herr Dellefant für das kulturelle Leben der Region bleibende Verdienste erworben, die noch heute und auch in Zukunft Anerkennung, Dank und Respekt verdienen.“