Fast täglich auf Tour
Schon über 3000 Mal am Gipfel: Der bergnarrische Lusen-Wanderer Franz Schuster

13.01.2024 | Stand 15.01.2024, 10:25 Uhr

Heute mal über den Sommerweg (im Hintergrund die zugeschneite Glasarche): Franz Schuster diese Woche am Lusen. − Fotos: Jennifer Jahns

Bergnarrisch ist wohl noch eine untertriebene Beschreibung für Franz Schuster: Über 3000 mal war der Schönnbrunner (Freyung-Grafenau) mittlerweile auf dem Lusen (1373 m). Über seine Besteigungen führt der 59-Jährige akribisch Buch. Fast täglich geht er auf den Berg, manchmal sogar zwei- oder dreimal. Was treibt ihn dazu? Das hat er der PNP erzählt – logischerweise bei einem Gespräch am Lusen.



Er hat immer einige der kleinen Zettel dabei: Handbeschrieben, Karo-Papier. Darauf: Jahresziffern mit einer Zahl dahinter. 1995: 33 mal. 2001: 123 mal. 2016: 222 mal. 2023: 233 mal. Die Aufzählungen sind nicht etwa die Häufigkeiten, wie oft er Bus gefahren ist oder sich morgens einen Kaffee zubereitet hat.

Nein: Auf den kleinen Zetteln notiert Franz Schuster ganz exakt, wie oft er auf den Lusen, seinen Hausberg auf 1373 Metern, gestiegen ist. Die Zettel hat er immer in mehreren Ausführungen dabei. Und wenn ihm auf der Wanderung ein netter Ratsch unterkommt, dann holt er schonmal eines der Briefchen aus seiner Jackentasche: „Da, schau her, da siehst, wie oft ich gangen bin. Die Liste kannst behalten.“

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Nicht ganz ohne Stolz drückt der 59-Jährige dem Gegenüber dann die Auflistung in die Hand. Und tatsächlich: Der Schönbrunner ist mittlerweile bekannt wie ein bunter Hund. Nachdem vor einigen Jahren mehrere Medien – darunter auch die PNP (sie titelte im Juni 2018: „Der 2000-fache Lusen-Bezwinger“), der Münchner Merkur und ein Fernsehteam – über den eifrigen Lusen-Geher berichtet haben, kommt Schuster kaum mehr unerkannt auf den Berg. „Ich werd’ oft angesprochen. Viele Leut’ kennen mich durch die Berichte. Aber ich kenn’ natürlich nicht alle.“ Wann wo welcher Artikel über ihn erschienen ist, kann der Schönbrunner exakt vortragen. Mit so einem Rummel hatte er damals nicht gerechnet. Er geht doch schließlich nur aufn Berg.

Nach Medienrummel: Mails sogar aus Frankreich

Aber eben oft. Sehr oft. Sein Notizzettel zeigt: Mittlerweile waren es 3148 mal seit seiner Aufzeichnung im Jahr 1995 bis zum Jahresende 2023. „Und vor 1995 waren es auch schon ungefährt 1000 mal“, sagt Schuster schnell noch ergänzend. „Aber da hab’ ich’s noch nicht auf’gschriebn.“ Und wie viele Male waren es heuer schon?, fragt ihn die PNP, als sie dem 59-Jährigen am 8. Januar am Fuße des Lusen begegnet. „Acht mal“, sagt Schuster lachend. „Aber nicht an jedem Tag einmal.“ Sondern an manchen Tagen geht Schuster sogar zwei- oder gar dreimal auf den Lusen. An anderen Tagen gar nicht.

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Gerade im Winter, wenn einige der längeren Routen rauf zum Lusen wegen Schnee und Eis nur schwer passierbar sind, wählt Schreiner meist die einfacheren Strecken – den Sommerweg und den Winterweg. „Aber die sind halt recht kurz“, sagt der Berg-Fan. „Deshalb geh’ ich dann oft am gleichen Tag gleich nochmal rauf.“

Im Sommer geht er häufig schon in aller Herrgottsfrüh auf den Lusen. Und am Abend dann gleich nochmal. Dazwischen muss er schließlich auch noch in die Arbeit, in einen Holzverarbeitungsbetrieb in seiner Gemeinde Schönbrunn am Lusen (Gemeinde Hohenau).

Aber immer, wenn’s sonst geht, zieht es den 59-Jährigen rauf auf den Berg. Mit dem Auto sind es für den Schönbrunner nur wenige Kilometer bis zum Ausgangspunkt in Waldhäuser. Von dort geht es dann los. Meist ohne Rucksack und ohne Proviant. „Und mei’ Kleidung is’ auch eher einfach“, sagt Schreiner und deutet auf seine schwarze Hose. „Nur die Wanderschuhe sand Guade.“ Heute, an diesem eisigen Tag Anfang der Woche, hat Schuster noch Grödel über seine Schuhe gezogen, damit er nicht ausrutscht. Seine Mütze sitzt leicht scheps, die Wassertropfen, die darunter an den Haarspitzen baumeln, haben sich bei circa -9 Grad in Eiskügelchen verwandelt. Die Jacke ist schwarz-gelb. „Darauf werd’ ich öfter angesprochen: Aber ich bin weder Fan der Schönbrunner Lusenkicker noch vom BVB. Manche denken, i bin da Postbot. Aber des bin i a ned“, sagt Schuster lachend.

Er kramt eine kleine, alte Digitalkamera aus seiner Jackentasche. Nicht nur die Heimatzeitung will ein Foto von ihm machen, sondern auch andersrum. „Für mei privates Lusen-Album“, sagt Schuster. Zig Bilder hat er darin in all den Jahren gesammelt. Sie erinnern ihn an Wanderungen im Sommer mit Traumwetter und Menschenmassen und auch an Touren im Winter, an eisigen Tagen, an denen er manchmal der einzige Gipfel-Besteiger war.

Daheim in Schönbrunn lebt der 59-Jährige alleine. Früher war er hier mit seiner Mutter zuhause. Sie ist mittlerweile verstorben. „Aber einsam bin ich nicht“, sagt Franz Schuster. Spätestens am Berg kommt er mit vielen Leuten ins Gespräch. Und daheim, am Computer – ein Smartphone hat der Schönbrunner nämlich nicht – erreichen ihn manchmal Mails aus ganz Europa. „Aus Frankreich hat sich beispielsweise eine naturinteressierte Frau gemeldet“, erzählt der 59-Jährige. „Die ist durch die Artikel auf mich aufmerksam geworden und würde gerne mal mit mir als Wanderführer auf den Lusen.“

Das wäre dann vielleicht das 4500. Mal oder so. 233 Besteigungen waren es allein im vergangenen Jahr. Aber warum überhaupt? Was treibt ihn immer wieder an, auf den Berg zu gehen? Drei Gründe zählt Schuster auf: „Der Sport. Die Natur. Nette Begegnungen.“ Und er fügt lachend hinzu: „Willst du schöne Frauen seh’n, musst du aufn Lusen geh’n.“ Warum genau er so bergnarrisch ist, kann Schuster gar nicht sagen. Sein Großvater, der einer der letzten Hirten im heutigen Nationalparkgebiet war, hat ihn schon als Bub mit in den Wald genommen. Vielleicht fing da alles an.

Wann geht er nicht? „Bei Wind und Gewitter“

Und wann geht er nicht auf seinen Hausberg? „Bei starkem Wind. Da is’ mir zu gefährlich. Da könnten Äste auf die Wege runterbrechen. Und wenn starke Gewitter vorhergesagt sind, dann bleib ich auch lieber unten.“ In manchen Jahren war Schuster sogar kein einziges Mal aufm Lusen. Da war er umso mehr mit dem Radl unterwegs.

Oft bleibt er aber ohnehin nur wenige Sekunden oben beim Gipfelkreuz. Den Ausblick vom 1373 Meter hohen Lusen kennt er mittlerweile zur Genüge. Ihm geht’s ums Gehen. Solange er gehen kann, geht’s ihm gut. Die Schutzhütte unterhalb des Gipfels ist deshalb nur selten sein Ziel. „Manche Leut’ kehren nach jeder Wanderung dort ein. Ich geh’ in manchen Jahren 300 mal aufn Lusen, aber kehr nur dreimal ein“, erzählt Schuster.

Manchmal hat er eben nur wenig Zeit. Da muss er schnell wieder runter vom Berg. Dann pressiert’s. Schließlich will er in fünf Stunden schon wieder rauf.

− jj