Ein Leben als „Jünger Gutenbergs“
Peter Leschinski aus Altenmarkt arbeitete 40 Jahre als Schriftsetzer

Er feierte 80. Geburtstag

04.01.2023 | Stand 17.09.2023, 6:12 Uhr

Peter Leschinski zeigt seinen „Gautschbrief“, den er seit über 60 Jahren sein Eigen nennen darf. Nach der Lehre zum Schriftsetzer arbeitete er sein ganzes Arbeitsleben in diesem Beruf. −Foto: hef

Die Abschiedsgrüße seiner Kollegen zum Ruhestand 2003 hat Peter Leschinski vor sich auf dem Esszimmertisch ausgebreitet. Alle beschreiben sie ihn als einen humorvollen Kollegen, gar den lustigsten, den sie je hatten.

Dass ihn das mit stolz erfüllt, ist ihm anzumerken. Neben diesen Erinnerungen liegen Bilder von seiner fast 35 Jahre langen Tätigkeit als Schriftsetzer bei der Passauer Neuen Presse. Von der Arbeit mit Bleibuchstaben bis hin zum ungewohnten Computer. „Es ist stetig leichter geworden“, sagt Peter Leschinski. Am Mittwoch hat er seinen 80. Geburtstag mit seiner Frau Lydia in Altenmarkt gefeiert.

Besondere Taufe zum Abschluss der Ausbildung

Peter Leschinski ist ein „getaufter Jünger Gutenbergs“. Eine Taufe zu Ehren des Erfinders des modernen Buchdrucks? Die Tradition, die nach der abgeschlossenen Schriftsetzer-Lehre vollzogen wird, gibt es noch immer. Der Akt nennt sich „Gautschen“: Dabei überraschen Kollegen den Lehrling nach dessen bestandenen Prüfungen und setzen ihn in ein Fass voll Wasser. Oder zumindest auf einen nassen Schwamm, damit der Hintern nass wird. Der Lohn: der „Gautschbrief“. Peter Leschinski bewahrt seinen seit seinem Abschluss zum Schriftsetzer auf. Er hat seine Lehre bei der Rhein-Zeitung gemacht, im Anschluss fast 35 Jahre bei der Passauer Neuen Presse gearbeitet.

An eine Arbeit am Computer dachte Leschinski zu seinen Anfängen bei der Zeitung noch nicht. In Passau begann er in der Akzident, die Gelegenheitsdruckerzeugnisse umfasst, welche unregelmäßig erscheinen. „Es war eine harte Arbeit damals“, blickt er zurück. Um den Druck zu ermöglichen, hat er schwere Buchstaben aus Blei in einen Setzkasten gesetzt. „Die gebückte Haltung bei der Arbeit machte es nicht unbedingt leicht“, erinnert er sich. Er habe immer im Stehen gearbeitet. Peter Leschinski schnauft immer wieder tief durch, wenn er über die Bleibuchstaben spricht.

Fast das ganze Leben in der Nacht gearbeitet

„Nach dem Druck haben die Schlächter die Bleibuchstaben wieder aus den Setzkästen genommen“ – damit sie am nächsten Tag wieder verwendet werden konnten. Fotos wurden auf Zinkfolie mit Blei ausgegossen, bevor sie dann auf die Walze gesetzt worden sind. „Die Fotos aus Osterhofen habe ich immer bei den Redakteuren dort auf dem Hinweg nach Passau abgeholt.“ Wenn die Redakteure in Passau ihre Artikel geschrieben hatten, kamen sie damit zu den Schriftsetzern. „So konnten sie uns gleich sagen, wie wir die Seite aufbauen sollten“, erklärt Leschinski. Dann nahm er mit seinen Kollegen die Bleibuchstaben und setzte sie in das „Schiff“ – so nannten sie den Setzkasten – ein. Buchstabe für Buchstabe, Zeile für Zeile.

Der Schriftsetzer aus Altenmarkt hat fast sein ganzes Berufsleben in der Nachtschicht gearbeitet. „Meistens von 14 bis 0 Uhr“, sagt Leschinski. Dazu kam die Fahrt von Osterhofen nach Passau. Im Winter sei sein alter Diesel häufig nicht mehr angesprungen. „Ich musste das Auto dann immer erst eine Weile in die Werkstatt zum Aufwärmen stellen.“ Um nicht auf der Heimfahrt nach Osterhofen einzuschlafen, ist Leschinski vorher immer einmal um den Parkplatz gelaufen – um noch einmal tief durchzuatmen.

Geboren wurde Peter Leschinski am 4. Januar 1943 in Preußisch Friedland, was im heutigen Polen liegt. Er floh mit seiner Familie vor den Russen nach Berlin und danach weiter nach Husum an der Nordsee – dort arbeitete sein Vater am Gericht. 1953 folgte der Umzug nach Neuried am Rhein, wo er auch seine Lehre begann. 1969 zog Leschinski nach Pocking im Landkreis Passau: Eingelebt hat er sich gut in Bayern und ist dem Bundesland seitdem treu geblieben. Beim Gespräch trägt er ein trachtenähnliches Hemd und eine Weste mit Hirschhorn-Knöpfen. Nach der Hochzeit mit der Mantel-Näherin Lydia Geier im Jahr 1978 bezog er mit ihr ein Haus in Altenmarkt. Lydia Leschinski hatte bereits mit dem Hausbau begonnen gehabt und beendete ihn mit ihrem Mann im Dezember des gleichen Jahres. Dort leben die beiden noch immer. Das Ehepaar hat zwei Kinder: Sohn Roman kam 1980 zur Welt, Tochter Tanja 1984.

In den 80er und 90er Jahren verschwand der Druck mit Bleibuchstaben allmählich. Nun arbeitete Peter Leschinski mit dem Maschinen- und Fotosatz, danach mit Klebeumbrüchen. „Die Seiten waren so groß wie heute noch und wurden mit den Elementen beklebt“, erklärt er. Später kamen dann Fotokopien, die mit Hilfe von Aluminiumplatten vervielfältigt wurden. „Die ersten Jahre meiner Arbeit in Passau verbrachte ich im Altbau in der Hans-Kapfinger-Straße.“ Der Umzug nach Sperrwies ins neue Druckzentrum erfolgte 1992. Leschinski nimmt es bei den Zahlen genau, ruft extra bei einem ehemaligen Arbeitskollegen an, um nichts Falsches zu sagen – obwohl er sich an fast alle Details seines Arbeitslebens erinnert. In Sperrwies hat der Schriftsetzer die Arbeit am Computer gelernt. „Es war nicht leicht, sich noch einmal umzuorientieren.“

Krankheiten bestimmen Rentnerleben

2003 ist Leschinski vorzeitig in den Ruhestand gegangen. „In meiner Freizeit bin ich gerne in den Urlaub gefahren, war in den Bergen, beim Schwimmen oder auf dem Fahrrad.“ Doch fast zeitgleich mit dem Start ins Leben als Rentner, ereilten ihn immer wieder schwere Krankheiten. Herzinfarkt, Rheuma sowie die Amputation eines Teils seines linken Beins. „Selbst mit dem Rollator kann ich nicht mehr weit gehen“, sagt Leschinski. An seinem Geburtstag sitzt er im Rollstuhl. „Bleibuchstaben zu setzen wäre heute nicht mehr möglich“, lacht er. Peter Leschinski wirkt das ganze Gespräch, wie ihn seine früheren Kollegen in ihren Abschiedsgrüßen beschrieben haben: Aufgeweckt, macht gar einen schelmischen Eindruck.