Osterhofen
Energiekrise: Unternehmen fordern mehr Tempo von Politik

14.10.2022 | Stand 19.09.2023, 4:43 Uhr

Das IHK-Gremium Deggendorf um seinen Vorsitzenden Toni Fink (vorne l.) konnte bei seiner jüngsten Sitzung die Bundestagsabgeordnete Rita Hagl-Kehl (vorne Mitte) begrüßen. −Foto: IHK

Je näher der Winter rückt, desto größer werden bei den Unternehmen im Landkreis Deggendorf die Sorgen, heißt es in einer Pressemitteilung der IHK.



Es stellen sich existenzielle Fragen: Kommt es zu einer Gasmangellage? Wenn ja, was bedeutet das für mein Unternehmen? Wird es Probleme bei der Stromversorgung geben? Wie kann ich hier selbst gegensteuern? Dass diese Fragen nicht nur energieintensive Industriebetriebe, sondern Unternehmen aus allen Branchen beschäftigen, wurde bei der jüngsten Sitzung des IHK-Gremiums Deggendorf deutlich, die bei der Wolf System GmbH in Osterhofen stattfand.

Es zeigte sich: Noch haben einige Unternehmen vor allem bei Strom günstige Altverträge, doch laufen diese aus, drohen extreme Preissteigerungen. "Bei vielen Firmen werden diese Sprünge die Existenz gefährden. Die Politik muss schnell handeln, damit unser Land seine wirtschaftliche Stärke behält. Wir dürfen keine Zeit mehr für langwierige Diskussionen und ideologiebehaftetes Beharren auf parteipolitischen Positionen vergeuden", wird der Deggendorfer Gremiumsvorsitzende und IHK-Vizepräsident Toni Fink in der Mitteilung zitiert.

Martin Nätscher, bei der IHK Berater für Energie und Nachhaltigkeit, stellte den Unternehmern die Ergebnisse der Unternehmerumfrage "IHK-Energiewendebarometer" vor.



Fast die Hälfte fürchtet um Standort Deutschland


Die Umfrageergebnisse deckten sich den Angaben zufolge mit den Rückmeldungen aus dem Gremium: 77 Prozent der bayernweit befragten Unternehmen beklagen demzufolge steigende Stromkosten, 44 Prozent gehen davon, dass sie so am Standort Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Aus IHK-Sicht ergeben sich daraus mehrere Forderungen: So muss das Angebot an den Energiemärkten erhöht werden – inklusive des Ausbaus der Erneuerbaren Energien und der Rückkehr von Reservekraftwerken in den Markt. Zudem müsse es Energiepreis-Soforthilfen für den Mittelstand, Liquiditätshilfen sowie verbilligte Gas-Kontingente geben. Gefordert werden seitens der IHK zudem eine Reduzierung der Energiesteuern, Abgaben und Umlagen sowie ein Abbau von bürokratischen Hürden. Diese behindern die Unternehmen beispielsweise beim Bau von Solarstromanlagen auf dem Firmengelände, wie ein Beispiel aus der Runde belegte. Zumindest beim Thema Brennstoffwechsel konnten zuletzt aber bürokratische Erleichterungen erreicht werden – nicht zuletzt dank eines IHK-Schreibens an die Genehmigungsbehörden, wie IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner berichtete.

Wie sich in der Sitzung auch zeigte, machen nicht nur gestiegene Energiepreise den Unternehmen zu schaffen, auch bei Rohstoffen wie Holz oder Aluminium sind in den vergangenen Monaten die Preise deutlich angezogen. Seriöse, langfristige Kalkulationen seien so kaum mehr möglich. Die schwierige Gemengelage führt der Pressemitteilung zufolge bereits jetzt zu einer starken Kaufzurückhaltung seitens der Kunden, wie die Unternehmer darlegten. Besonders zu spüren sei dies aktuell beispielsweise im Bausektor.

Seit vielen Jahren ein Dauerthema in der Wirtschaft ist zudem der Personalmangel. Über alle Branchen hinweg berichteten die Unternehmensvertreter, dass dieses Problem in letzter Zeit noch drängender wurde. Die IHK Niederbayern versucht hier den Betrieben mit einem ganzheitlichen Service- und Beratungsangebot unter die Arme zu greifen – im Raum Deggendorf mit IHK-Fachkräfte- und Bildungsberater Christian Wimmer, der sich der Gremiumsrunde vorstellte.

Die Sorgen, Nöte und Wünsche der Unternehmen nahm die Bundestagsabgeordnete Rita Hagl-Kehl auf, die zur Sitzung geladen war. Sie bat um Verständnis, dass manche Entscheidungen nicht von heute auf morgen gefällt werden könnten: "Wir müssen schließlich für ein 82-Millionen-Volk den richtigen Weg finden. Uns ist aber klar, dass die Wirtschaft unsere Unterstützung braucht, wir kennen die Herausforderungen." So habe man in den vergangenen Wochen bereits entlastende Maßnahmen wie den Gas- und Strompreisdeckel eingeleitet, die Gasspeicher seien gut gefüllt und Flüssiggas-Terminals wurden gechartert. Aus Sicht ihrer SPD brauche es zudem einen Mittelstandsnotfallfonds, mit dessen Hilfe den Unternehmen schnell und unbürokratisch geholfen wird. Auch über einen Industriestrompreis wie es ihn in anderen Ländern schon gebe, müsse diskutiert werden.

Im Vorfeld der Sitzung führte Jean-Luc Herrmann, Geschäftsführer der Wolf System GmbH, die Gremiumsmitglieder über das Werksgelände. Auch sein Unternehmen, das auf die drei Säulen Gebäude-, Behälter- und Hausbau setzt, hat mit den aktuellen Herausforderungen zu kämpfen. Dennoch habe man den Umsatz in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesteigert und dabei Krisenfestigkeit bewiesen. Die Wolf System GmbH setze in schwierigen Zeiten bewusst auf neue Geschäftsfelder wie den Modulbau, um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein.

− oz