Neuntklässler an Folter-Orten
Holocaust-Gedenktag: Plattlinger Realschüler setzen sich mit NS-Gräuel auseinander

05.02.2024 | Stand 05.02.2024, 5:00 Uhr

Wie auf der Homepage der Gedenkstätte Flossenbürg nachzulesen ist, waren die Gefangenen in einer alten Knabenschule mitten in Plattling untergebracht, danach in einer umzäunten Ziegelei. − Foto: Realschule

Eingehüllt in den Griff des eisigen Winds stehen die Schüler der 9. Klasse der Conrad-Graf-Preysing Realschule Plattling am Eisernen Steg und blicken auf den Bahnhof, einst Schauplatz unvorstellbarer Grausamkeiten. Anlässlich des Holocaust-Gedenktages organisiert, soll die Exkursion den Schülern die lokale Geschichte näherbringen.



Geschichtslehrer Stefan Fisch nutzt Textstellen aus S. Michael Westerholz’ Buch „Kranke krepierten natürlich wie das Vieh: Erinnerungen an das KZ Plattling“, um die Gräuel anschaulicher zu machen.

Versagen der Zivilgesellschaft

Während Fisch beschreibt, wie die 500 Häftlinge, darunter viele Juden, im Februar 1945 von SS-Wachen und einem kleinen Kapo mit Wiener Dialekt brutal empfangen wurden, lauschen die Schüler. „Einige prügelten auf sie ein, andere hetzten Hunde auf sie“, ergänzt Fisch. Die Schüler können sich nur vage vorstellen, was es bedeutet haben muss, in dieser Kälte barfuß oder mit lappenumwickelten Füßen zu stehen, wie es für die Häftlinge Realität war.

Nachdem die Schüler dem Weg der Häftlinge vom Bahnhof bis zum Magdalenenplatz gefolgt sind, wo diese in der damaligen Knabenschule untergebracht wurden, wird ihnen bewusst, dass der Ort, an dem sie jetzt stehen, nicht nur Zeuge des menschlichen Leids, sondern auch des Versagens der Zivilgesellschaft ist. Fisch zeigt auf das Bild einer Anschlagtafel aus den 1940er-Jahren mit der Aufschrift „Die Juden sind euer Verderben“ und betont: „Der Holocaust hat nicht erst mit der Vernichtung in Auschwitz begonnen, sondern bereits mit dem Schweigen und Wegschauen der Bürger.“ Er erinnert daran, dass das KZ-Außenlager Plattling das erste mitten in einer deutschen Stadt war.

Fisch geht auf ein besonders eindringliches Ereignis ein: die Geschichte eines Sonntags in der Kirche St. Magdalena, als die Schreie aus der benachbarten Schule den Gottesdienst störten. Die Gläubigen, darunter Soldaten und sogar ein NS-Blockleiter, waren tief bestürzt.

Während die Schüler am Magdalenenplatz stehen und die Gedenktafel am Boden betrachten, reflektieren sie die Ereignisse, die sich dort abspielten. Sie versuchen die Bedeutung der Worte ihres Lehrers, die Vergangenheit nicht zu vergessen und aus ihr zu lernen, zu verstehen. „Wir dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen“, mahnt Fisch.

In der Stille des Nachdenkens erkennen die Schüler, dass die Geschichte oft näher ist, als es scheint. Mit den abschließenden Worten „Denkt über das nach, was ihr heute gehört und gefühlt habt. Es ist ein Teil der Geschichte unserer Stadt, aber auch ein Teil unserer Verantwortung!“, beendet Fisch den Geschichtsunterricht vor Ort.

Werteerziehung als große Aufgabe

„Dieser Tag, ein integraler Bestandteil des Projekts zum Holocaust-Gedenktag, hat bei den Schülern ein nachhaltiges Bewusstsein für die Bedeutung des Erinnerns und Lernens aus der Geschichte geweckt. Durch die lebhaften Schilderungen aus Westerholz’ Buch und den Besuch der historischen Orte wurde ihnen die Tragweite des Geschehenen eindrücklich vor Augen geführt“, heißt es in der Pressemitteilung der Realschule. „Demokratiebildung und Werteerziehung gehören zu den großen Aufgaben von Schule. In Zeiten von Krisen und Umbrüchen ist es besonders wichtig, die Schüler auf ihre Aufgabe und Verantwortung als Bürger vorzubereiten“, betont Schulleiterin Waltraud Eder.

− pz