Armloser Zeuge des Mittelalters
Weltweit nur 140 solcher Figuren bekannt: Seltener Kruzifixus lag auf Boden der Stiftskirche in Berchtesgaden

24.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:30 Uhr

Wohl gewaltsam wurde einst dem Kruzifix der Arm abgerissen. Zur Fastenzeit steht es in der Stiftskirche. −Foto: Robert Rudolphi

Ein ganz besonderes Kreuz begleitet in diesem Jahr die Gläubigen in der Stiftskirche Berchtesgaden durch die Fastenzeit. Es zeigt eine mittelalterliche Christusfigur aus Holz mit nur einem Arm, wie die Erzdiözese München und Freising auf ihrer Internetseite berichtet. Entdeckt worden sei die Figur durch Zufall 2015 auf dem Dachboden über der Oberen Sakristei des Gotteshauses. Dort müsse sie über Jahrzehnte zusammen mit einem losen rechten Arm sowie einem Nimbus aus Metall und Eisennägeln gelegen haben. Der wohl gewaltsam samt Schultergelenk ausgerissene linke Arm sei nicht mehr auffindbar gewesen. Ebenso fehlten Teile an den Fingern und Füßen.

Um sämtliche Kunstwerke der Kirche für die Erzdiözese in einer Inventarliste zu erfassen, war die Kunsthistorikerin Natalie Glas auch auf den Dachboden gestiegen, wie es heißt. Dafür habe sie über einen begehbaren Holzschrank und eine wackelige Leiter mit fehlenden Sprossen klettern sowie am Ende noch durch eine enge Luke schlüpfen müssen. Bei dem Fund dürfte es sich um einen eher seltenen Kruzifixus aus dem Mittelalter mit beweglichen Armen handeln. Dieser sei einst am Karfreitag am Kreuz verehrt, vom Kreuz abgenommen und – eingebettet in eine liturgische Dramaturgie mit Gebeten, Gesängen und Weihrauch und Kerzenlicht – zur Ruhe ins Grab gelegt worden.

Weltweit sind laut Mitteilung rund 140 solcher Gekreuzigten-Figuren mit bewegbaren Armen bekannt. Den Berchtesgadener Fund mache sein Alter so besonders. Mit der Datierung zwischen 1360 und 1380 gehöre er zu den frühesten Kunstwerken dieses Typus, der erstmals um 1300 in Florenz nachgewiesen worden sei. Über die vergangenen Jahre sei nun der 1,30 Meter große Kruzifixus restauriert worden.

Zum diesjährigen Karfreitagsgottesdienst erscheint eine neue Info-Broschüre. Nach Ostern solle der Gekreuzigte in einem Andachtsraum im Turmbereich seinen Platz finden.

− red