Über zwölf Stunden
30-Jähriger abgestürzt: Rettung am Untersberg dauert im Dauerregen die ganze Nacht

28.08.2023 | Stand 12.09.2023, 22:43 Uhr

Klassische Bergrettung unter widrigen Wetter-Bedingungen im absturzgefährlichen, alpinen Gelände: Wegen Nebel konnte kein Heli fliegen, weshalb die Ehrenamtlichen der Bergwachten Marktschellenberg und Berchtesgaden den Verletzten aufwendig seilgesichert talwärts transportierten und über zwölf Stunden lang im Einsatz waren. −Foto: BRK BGL

Einsatzkräfte der Bergwachten Marktschellenberg und Berchtesgaden (Berchtesgadener Land) waren die ganze Nacht im Einsatz, um bei Dauerregen, Nebel und Dunkelheit einen 30-Jährigen zu suchen, der abgestürzt war.



Es war der Mensch und nicht die Technik, die einem 30-jährigen in München lebenden Mann aus Nordrhein-Westfalen in der Nacht zum Sonntag das Leben rettete: Die Einsatzkräfte fanden ihn schließlich schwer verletzt am Untersberg-Mittagslochsteig. Sie versorgten ihn notärztlich, bevor sie ihn zeitintensiv mit der Trage über absturzgefährdetes Gelände talwärts brachten. Wetterbedingt konnte kein Helikopter fliegen.

Auch Wärmebild-Drohne scheiterte bei der Suche



Wie der BRK Kreisverband Berchtesgadener Land berichtet, wollte der junge Mann ursprünglich vom Stöhrhaus aus zum Rauhen Kopf. Er wurde bei der Polizei als vermisst gemeldet, da er nicht wie ausgemacht gegen 16 Uhr zur Hütte zurückkam.

Der Einsatzleiter der gegen 19.50 Uhr alarmierten zuständigen Bergwacht Marktschellenberg bildete zusammen mit der Berchtesgadener Polizei eine gemeinsame Einsatzleitung und forderte die Bergwacht Berchtesgaden zur Absuche des Gebiets rund um den Rauhen Kopf sowie das Team des Technikbusses der Bergwacht Chiemgau nach. Wegen des anhaltend dichten Nebels scheiterten aber die Suche aus der Luft sowohl durch den Rettungshubschrauber „Christoph 14“ als auch durch die Wärmebild-Drohne.

Entscheidender Hinweis um 22 Uhr



Die Bergretter stiegen deshalb mit mehreren Suchtrupps zu Fuß auf: Berchtesgaden übernahm den Rauhen Kopf und Schellenberg ging vom Blauen Kastl in Richtung Blaimberger Kreuz, Scheibelkopf, Reisenschnackler und Niernthalsattel.

Kurz nach 22 Uhr kam von der Zehnkaser-Sennerin der entscheidende Hinweis. Der Vermisste war zwischen 13.30 und 14 Uhr bei ihr eingekehrt und hatte gesagt, dass er übers Gatterl, den Scheibenkaser und den Mittagslochsteig wieder hinauf zum Stöhrhaus gehen will.

Die Einsatzkräfte verlagerten das Suchgebiet daraufhin: Eine Gruppe der Bergwacht Berchtesgaden stieg von der Zehnkaser- Alm zum Stöhrhaus und Mittagsloch auf und konnte gegen 23 Uhr tatsächlich von oben aus Rufkontakt zum Abgestürzten herstellen, zu ihm absteigen und erstversorgen. Die Bergwacht Marktschellenberg stieg mit zusätzlicher Ausrüstung über den Scheibenkaser von unten zum Mittagsloch auf, versorgte den 30-Jährigen zusammen mit den Berchtesgadenern weiter medizinisch und forderte ihren Bergwacht-Notarzt nach.

Mit Trage bis sieben Uhr morgens ins Tal gebracht



Die Retter lagerten den jungen Mann in die Gebirgstrage um und transportierten ihn über den alpinen Steig über absturzgefährlichen Abschnitte seilversichert talwärts. Aufgrund der widrigen Wetterverhältnisse kamen sie erst kurz nach sieben Uhr in der Früh in der Hintergern an. An der Bergrettungswache konnten sie den Schwerverletzten an die Besatzung eines Rettungswagens des Berchtesgadener Roten Kreuzes übergeben, die ihn in die Kreisklinik Bad Reichenhall einlieferte.

Insgesamt waren 18 Einsatzkräfte teilweise über zwölf Stunden lang und damit die ganze Nacht unterwegs: neun und sieben der Bergwachten Marktschellenberg und Berchtesgaden sowie zwei von der Alpinen Einsatzgruppe der Polizei.

Der 30-Jährige hatte offensichtlich gleich mehrere Schutzengel, die es gut mit ihm meinten, wird im Bericht ausgeführt: „Obwohl sein Handy beim Absturz kaputtgegangen war und er selbst keinen Notruf mehr absetzen konnte, lief die Rettungskette an, da er sich nicht wie ausgemacht am Stöhrhaus zurückgemeldet hatte und sich andere Menschen um ihn Sorgen machten. Seine Planänderung, doch nicht zum Rauhen Kopf und stattdessen über Scheibenkaser und Mittagsloch zurück zum Stöhrhaus zu gehen, hatte er zum Glück noch der Sennerin mitgeteilt.“

Rückmelden und Bucheinträge retten Leben



Die Bergwacht empfiehlt in diesem Zusammenhang allen Alleingehern am Berg, die keine anderen Bergsteiger treffen, Plan-Änderungen oder Verzögerungen auch über Handy an Angehörige oder Bekannte melden, die dann Bescheid wissen und sich nicht unnötig Sorgen machen beziehungsweise gegebenenfalls dann den Notruf wählen.

Hilfreich bei Suchen sind immer Einträge mit Namen, Datum und Uhrzeit in Steig- und Gipfelbücher, so die Bergwacht, da die Suchmannschaften dann einfacher herausfinden können, wo ein Vermisster noch war. Sie können dann die oft riesigen Suchgebiete auf einen überschaubareren Bereich reduzieren. Dadurch steigt die Chance, einen Verletzten auch bei nasskalter Witterung noch rechtzeitig und damit lebend zu finden.

− red