„Winter ist nicht Sommer in Weiß“
Lawinen, Kälte, Glätte: Gefahren beim Wandern in verschneiten Bergen

17.12.2022 | Stand 17.09.2023, 8:12 Uhr

„Der Winter in den Bergen ist nicht der Sommer in Weiß“, mahnt Bergwacht-Sprecher Roland Ampenberger. −Foto: Angelika Warmuth/dpa

Polizei, Bergwacht und Deutscher Alpenverein (DAV) warnen vor besonderen Gefahren beim Wandern in den verschneiten Bergen. Denn immer mehr Menschen schnüren auch in der kalten Jahreszeit die Wanderstiefel. Bergsport liegt im Trend - und öfter als früher fehlt zum Skifahren der Schnee.



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Die meisten Unfälle passieren beim Wandern im Sommer, zwei Drittel aller Einsätze der Bergwacht Bayern betreffen Wanderer. „Der Winter in den Bergen ist nicht der Sommer in Weiß“, mahnt Bergwacht-Sprecher Roland Ampenberger. Wegmarkierungen seien schnell wegen des Schnees nicht mehr erkennbar. Es werde rasch dunkel. Hinzu kommen die Kälte, das Risiko, auf eisigen Wegen auszurutschen und die Lawinengefahr. Vier Menschen starben im vergangenen Winter in Bayern in Lawinen - zwei von ihnen waren Wanderer.

Wanderer kommen schnell an Grenzen



„In den Bergen kommt man beim Winterwandern schnell an Grenzen. Wer ohne Schneeschuhe oder Tourenski und die entsprechende Notfallausrüstung und Erfahrung unterwegs ist, sollte in Talnähe und auf geräumten Wegen bleiben“, sagt DAV-Präsident Roland Stierle.

Im Frühjahr waren bei einer Serie tödlicher Unfälle im südlichen Oberbayern mehrere Wanderer auf eisigen und verschneiten Wegen in den Tod gerutscht. Eine im Sommer einfache Wanderung könne winters zur anspruchsvollen Tour werden, die hochalpine Ausrüstung erfordere, sagt Maximilian Maier vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd. Es könnten durchaus Eispickel, Steigeisen oder Grödel - als abgespeckte Version - nötig sein, um im schneiten und vereisten Gelände nicht abzurutschen. Für manch einfache Sommertour sei im Winter auch eine Lawinenausrüstung ratsam: Verschüttetensuchgerät, Lawinenschaufel und Sonde.

Gerade Wanderer sind auf derartige Anforderungen der winterlichen Bergwelt oft weder von den Kenntnissen noch von der Ausrüstung her vorbereitet. Oft ist bei Unfällen neben Unkenntnis auch Leichtsinn im Spiel. Manche sind mit leichten Schuhen unterwegs, andere folgen einfach einer App oder starten trotz ungünstiger Wetterbedingungen.

Im Februar machten sich zwei Wanderer bei Schnee und Wind zu einer Hütte bei Oberstdorf (Landkreis Oberallgäu) auf und verliefen sich. Einer erfror, der andere starb im Krankenhaus. Um Ostern rutschte ein Ehepaar aus Sachsen-Anhalt, unterwegs in Turnschuhen und mit unzureichender Ausrüstung, an einem verschneiten Wegabschnitt im Zugspitzgebiet in den Tod. Im Juni mussten im österreichischen Kleinwalsertal (Allgäuer Alpen) mehr als 100 Schüler und Lehrer aus Bergnot gerettet werden. Die Lehrkräfte hatten im Internet eine Route ausgesucht, die sich als viel zu schwer erwies.

Junger Bergsteiger am Hochkalter verunglückt



Im September geriet ein niedersächsischer Bergsteiger am Hochkalter bei Berchtesgaden in einen Wettersturz. Unterhalb des 2607 Meter hohen Gipfels rutschte er ab. Er setzte dramatische Notrufe ab, bei denen er angab, sich in Schneesturm und eisiger Kälte kaum noch halten zu können. Dann brach der Kontakt ab. Rettungskräfte suchten unermüdlich - doch für den jungen Mann gab es in Eis und Schnee keine Rettung. Vier Wochen später wurde seine Leiche entdeckt.

Weniger Bergtote im Sommer und Herbst



Die Bergwacht Bayern zählte von Mai bis Ende Oktober weniger Einsätze als im Vorjahr. Auch die Zahl der Bergtoten in dem Zeitraum ist laut Ampenberger gesunken - von 85 im Vorjahr auf nun 57. Ein Grund für den Rückgang könnte der verregnete Herbst gewesen sein. Womöglich sei mancher auch wieder in andere Regionen gereist, während 2021 wegen der Pandemie viele im eigenen Land urlaubten. Das hatte zu einem starken Ansturm auf die Berge geführt - und auch viele Ungeübte angelockt. Polizeisprecher Maier riet, bei örtlichen Bergführern oder Tourismusverbänden Informationen einzuholen, ob das Ziel auch wie geplant zu erreichen sei.

Immer mehr Einsätze am Abend



Nicht wenige Einsätze finden laut Ampenberger inzwischen nach 18 Uhr statt. Über 300 Mal mussten die Retter im Sommer 2021 bei Dunkelheit ausrücken. Dabei sei gerade dann die Verfügbarkeit von Hubschraubern stark eingeschränkt und damit der Unfallort schwerer erreichbar. Die steigende Zahl abendlicher Ausflüge ins Gebirge sind auch Naturschützern ein Dorn im Auge, da das Wild gestört wird.

− dpa