Berchtesgaden
„Keine Lyrik bei Testamenten“

Dr. Arne Everts über Erbfolgen, Pflichtteile und wie man den letzten Willen verfasst

21.11.2022 | Stand 19.09.2023, 3:50 Uhr

Wie man sein Vermögen richtig vererbt, darüber informierte Dr. Arne Everts. −Foto: Kilian Pfeiffer

Von Kilian Pfeiffer

Die gesetzliche Erbfolge führt oft zu bösem Blut unter Familienangehörigen. Das weiß der Berchtesgadener Notar Dr. Arne Everts nur zu gut. Für Ordnung sorgt ein Testament, das keinen Raum für Interpretationen lässt. Wie man sein Vermögen richtig weitergibt, erklärte er bei einem Vortrag im vollen Gasthaus Neuhaus.

„Ein Testament ist nichts Einfaches.“ Im letzten Willen müssen Personen Entscheidungen treffen über Dinge, bei denen man nicht weiß, was kommt, sagt Arne Everts. Sich mit dem Tod zu beschäftigen? Nicht jedermanns Sache. Doch der Tod ereilt jeden unausweichlich irgendwann. Liegt kein Testament vor, gilt die gesetzliche Erbfolge. Gesetzliche Erben sind Verwandte, darunter fallen eheliche, aber auch adoptierte Kinder, Ehe- und Lebenspartner. „Wer vom Gesetz her nichts bekommt, sind die Schwiegerleute“, sagt Notar Everts.

Dabei umfasst ein Erbe alles: Vom Kuchenteller über den Pkw bis zu den Verbindlichkeiten, die der Erblasser zu Lebzeiten noch zu begleichen hatte. Wurde ein Testament rechtsgültig verfasst, ist dieses in der Lage, die gesetzliche Erbfolge auszuhebeln – außen vor bleibt der Pflichtanteil. Potenzielle Erben werden in Ordnungen eingeteilt, so Everts. Eine Ordnung beginnt bei nahen Verwandten. In die erste Ordnung fallen direkte Abkömmlinge des Erblassers wie (uneheliche) Kinder, Enkelkinder oder Urenkel. Die zweite Ordnung setzt sich aus den Eltern des Erblassers und deren Abkömmlingen zusammen, also Brüder, Schwestern, Nichten und Neffen. Vier Ordnungen gibt es. Verstirbt eine Person, wird zunächst die gesetzliche Erbfolge hinsichtlich der Ordnungen geprüft und die Frage geklärt, ob sie Kinder hatte. Ist dem so, erben die Kinder zu gleichen Teilen. Ist ein Kind schon verstorben, treten die Enkelkinder an dessen Stelle. Falls der Erblasser keine Kinder hatte, wird die zweite Ordnung herangezogen. Erst einmal erben die Eltern. Sind diese nicht mehr am Leben, ist Bruder und Schwester für das Erbe berechtigt. Das Ordnungssystem wird fortgeführt, bis am Ende ein Erbberechtigter gefunden ist. Nachrangige Ordnungen bekommen vom Erbe nichts ab. Gibt es keinen gesetzlichen Erben, profitiert das entsprechende Bundesland.

Selbst wenn ein Testament vorliegt, in dem der Erblasser sein Vermögen einer ausgewählten Person hinterlässt, kann die gesetzliche Erbfolge dadurch nicht umgangen werden. Auf den Pflichtteil hat der erbberechtigte Personenkreis Anspruch. Ausnahmen gibt es nur in wenigen Fällen, etwa wenn „der Sohn seiner eigenen Mutter das Dach über dem Kopf angezündet hat“, schildert Everts ein Extrembeispiel. Notar Everts rät, ein privatschriftliches Testament handschriftlich niederzuschreiben. Nur dann hat es Gültigkeit. Der Testierende muss dieses unterschrieben haben. Auf dem Computer geschriebene Testamente sind nicht rechtsgültig, selbst dann, wenn eine Unterschrift des Erblassers vorhanden ist. „Wichtig sind auch die Datumsangabe und der Ort“, so der Notar. Einfach und klar müsse es verfasst sein. „Man sollte in einem Testament nichts begründen. Das bietet nur Raum für Anfechtungen“, sagt Everts und empfiehlt: „Schreiben Sie keine Lyrik.“ Wenn nach dem Tod mehrere Testamente vorhanden sind, gilt die Verfügung aktuellen Datums. Wichtig bei Eheleuten: Einer schreibt es handschriftlich nieder und beide Ehegatten unterschreiben handschriftlich.

Ein persönlich verfasstes Testament kann beliebig verändert werden – wenn die Änderung formal korrekt ist. Doch ist Vorsicht angesagt: Laienhafte Streichungen und Korrekturversuche können Auswirkungen haben und im Erbfall gar Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen. Nur ein notarielles Testament gilt als protokolliert. Allerdings: Jede Änderung kostet. Der Ratschlag des Notars: „Prüfen Sie alle sieben Jahre die Inhalte des Testaments.“ Eine Erbausschlagung, sagt Notar Arne Everts, sei das einzige Instrument, um ein Erbe nicht anzutreten. Dann heißt es: „Ganz oder gar nicht.“ Teile eines Erbes gutzuheißen, den Rest auszuschlagen, ist nicht möglich. Die Gründe für eine Erbausschlagung können verschiedene sein, sind meist aber ursächlich, wenn der Verstorbene Schulden hatte oder das Verhältnis zwischen Erbberechtigtem und Erblasser kein gutes war. Das Thema Erbe sei oft kompliziert, in vielen Fällen, je nach Familienkonstellation, individuell, vor allem wenn mehrere Erben eine Erbengemeinschaften bilden. Dann kann in der Regel nur gemeinsam entschieden werden.