Ein echter Blickfang
In Bad Reichenhall gesichteter Gänsegeier ist vermutlich aus Südosteuropa

21.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:58 Uhr

Mit einer gewaltigen Spannbreite von 2,70 Metern wirkt der Gänsegeier im Flug gewaltig groß. −Fotos: Markus Leitner

Vor einigen Tagen ist ein Gänsegeier im Berchtesgadener Land gesichtet worden. Nun meldet der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV), dass das Tier womöglich aus Südost-Europa kommt.



Nachdem dem bayerischen Naturschutzverband Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) bereits im Dezember ein Gänsegeier im nördlichen Landkreis Lindau gemeldet wurde, ist nun bei Bad Reichenhall ein weiterer unmarkierter Gänsegeier als ungewöhnlicher Wintergast gesichtet worden.

Gänsegeier bevorzugt warme Gegenden



„Es ist in Zukunft durchaus mit immer häufigeren Nachweisen von Gänsegeiern um diese Jahreszeit bei uns in Bayern zu rechnen, wenn sich die Winter in der Zukunft genauso entwickeln wie der aktuelle“, sagt nun LBV-Geierexperte Toni Wegscheider. „In einem schneereichen und kalten Winter hätte es ein Gänsegeier in den bayerischen Breiten sehr schwer, da der ungefährliche Aasfresser bisher vor allem in wärmeren Gebieten südlich der Alpen beheimatet ist“, erklärt der LBV-Kreisvorsitzende aus Schönau am Königssee in Pressemitteilung weiter.

Im Berchtesgadener Land sind Einflüge von Gänsegeiern nicht vollkommen ungewöhnlich, meist handelt es sich aber um zwei der Vögel aus dem nahegelegenen Zoo Salzburg. Diese beiden Exemplare sind jedoch entsprechend markiert und lassen sich so gut von dem nun gemeldeten, unmarkierten Geier unterscheiden.

Größere Bestände in Italien und Kroatien



„Wahrscheinlich kommt der Gänsegeier bei Bad Reichenhall aus dem Südosten Europas, zum Beispiel aus dem italienischen Friaul oder Kroatien. Dort gibt es größere Bestände, von denen wir durch Besenderung und Beringung einzelner Vögel wissen, dass sie regelmäßig in die Nordostalpen fliegen“, vermutet Toni Wegscheider.

Das Reichenhaller LBV-Mitglied Dr. Michael Wittmann hat zunächst befürchtet, der Gänsegeier könnte geschwächt sein. Toni Wegscheider gibt Entwarnung. Auf den Geierexperten, maßgeblich auch am Projekt Auswilderung der Bartgeier beteiligt, wirkt der gesichtete Gänsegeier fit und gut genährt. „An den umgebenden Bergen kann er genügend Innereien von erlegtem Jagdwild finden. Dank der großen Flächen der Bayerischen Staatsforsten sollten diese auch weitgehend bleifrei sein, da dort keine für Greifvögel hochgiftige Bleimunition mehr verwendet werden darf“, so Wegscheider.

Besuch ist möglicherweise nur kurz



Über die Nahrung gewinnt der Gänsegeier ausreichend Energie, um auch bei geringer Thermik im sogenannten Ruderflug fliegen zu können. So bleibt der Vogel mobil und es ist es gut möglich, dass er bereits beim nächsten Wintereinbruch nach Süden abfliegt. Das Verbreitungsgebiet der Gänsegeier erstreckt sich von der iberischen Halbinsel über Italien und den Balkan bis nach Zentralasien und Nordindien.

Auch Teile Afrikas und des Nahen Ostens werden von ihnen besiedelt. Während der Sommermonate halten sich aber vor allem Jungvögel auch gerne fernab ihrer Brutgebiete zum Beispiel in den österreichischen Hohen Tauern auf. Diese Vögel stammen dann meist aus Kroatien. Das größte europäische Vorkommen befindet sich in Spanien. Dort leben mit mehr als 30.000 Brutpaaren über 90 Prozent ihres europäischen Bestandes.

Der Sichtungsort bei Bad Reichenhall liegt ganz in der Nähe des Nationalparks Berchtesgaden. Dort wildert der LBV seit 2021 gemeinsam mit diesem jedes Jahr zwei bis drei junge Bartgeier aus, um die Art auch im östlichen Alpenraum wieder anzusiedeln. Nahrungskonkurrenz kommt zwischen den beiden Geierarten jedoch nicht auf, viel mehr ergänzen sie sich. Gänsegeier ernähren sich von den fleischigen Überresten der Kadaver, wohingegen der Bartgeier im Anschluss die übriggebliebenen Knochen frisst.