Berchtesgadener Land
Elf Millionen Euro für die Kliniken

Kreistag beschließt einstimmig die Mitfinanzierung der geplanten Bauinvestitionen

17.12.2022 | Stand 25.10.2023, 11:37 Uhr

Die Notaufnahme in Bad Reichenhall wird derzeit erweitert und umgebaut, um bis zum Neubau den ganzen Landkreis versorgen zu können. −Foto: Kilian Pfeiffer

Die Gräben, die die Diskussion um die Zukunft der Kreiskliniken Berchtesgaden und Freilassing gezogen hat, sind tief. Das zeigte sich in der Kreistagssitzung am Freitag im Schatten eines möglichen Bürgerbegehrens.

Eine von Dr. Danja Heinrich angeführte Initiative will nun doch einen Bürgerentscheid gegen die Klinikenreform herbeiführen. Begleitet von einem Fraktionsaustritt fiel eine wichtige Entscheidung dennoch einstimmig: Der Kreistag finanziert die anstehenden Bauinvestitionen der Kliniken Südostbayern AG (KSOB) mit. Er erhöht dazu seinen bisherigen jährlichen Zuschuss von einer Million Euro pro Jahr auf 1,5 Millionen Euro für die Jahre 2023 und 2024 und auf jeweils zwei Millionen Euro für die Jahre 2025 bis 2028. In Summe gab er damit elf Millionen Euro frei.

Voraussetzung dafür ist, dass der Landkreis Traunstein seinen Zuschuss adäquat erhöht, auf drei Millionen Euro für 2023 und 2024 und auf vier Millionen Euro in den Jahren 2025 bis 2028. Wie berichtet, hat der Kreisausschuss dort bereits die Gelder bewilligt.

Reichelt verlässt die Fraktion der Grünen

Dem gestrigen Beschluss im Kreistag Berchtesgadener Land vorausgegangen war die Mitteilung von Dr. Reinhard Reichelt, dass er tags zuvor aus der Fraktion von Bündnis90/Die Grünen ausgetreten ist. Reichelt hatte als parteiloses Mitglied auf der Liste der Grünen für den Kreistag kandidiert und vor einem Jahr im Dezember 2021 gegen die Klinikenreform gestimmt. Nun ist er partei- und fraktionsloser Kreisrat.

In der Kreistagssitzung heuer im Oktober hat er sich zum Sprachrohr der beiden Vereine Freunde der Krankenhäuser Berchtesgaden und Freilassing gemacht, beziehungsweise argumentierte er auch für die Initiative, die den Bürgerantrag gestellt hatte, die Notfallaufnahmen an den beiden Krankenhäusern zu erhalten.

Wie berichtet, hat sich der Kreistag damals mit dem Bürgerantrag – wie gesetzlich gefordert – befasst, jedoch – ebenfalls rechtlich in Ordnung – abgelehnt, den Vertretern Rederecht zu gewähren. Empörung unter den Kreisräten hatte ein kurz zuvor veröffentlichter Brief der Initiative ausgelöst. Umgekehrt sorgte vor allem eine Reaktion des langgedienten SPD-Kreisrats Hans Metzenleitner für Empörung: Er hatte den Briefschreibern vorgeworfen, Ängste der Bürger zu schüren und Fakten zu ignorieren, „wie man es sonst nur von Querdenkern und Rechten kennt“.

Kritik an Moderation des Landrats

Reichelt betonte einerseits, dass der Inhalt des Briefs, den er vorgelesen hatte, nicht auf ihn zurückzuführen ist, fühlte sich dennoch von den Reaktionen persönlich betroffen. „Was da in der Kreistagssitzung abgegangen ist, wie ich da beleidigt wurde...“, blickte er gestern kopfschüttelnd zurück. Man könne doch unterschiedlicher Meinung sein, ohne sich gegenseitig zu beschimpfen. Als „Versorgungsarzt, der in der Pandemie Tag und Nacht verfügbar gewesen ist und sich für die Impfungen eingesetzt hat“, fühlte sich Reichelt zu Unrecht in die Nähe von Querdenkern gerückt.

Erneut übte er Kritik daran, dass Vertreter der Initiative kein Rederecht bekommen hatten und nannte in diesem Zusammenhang den ehemaligen Chefarzt am Freilassinger Krankenhaus, Prof. Dr. Franz Christoph Himmler. Er warf außerdem Landrat Bernhard Kern eine ungerechte Moderation vor: Regelmäßig seien Koch und er unterbrochen worden. Wolfgang Koch (AfD) hatte, wie berichtet, moniert, die Ängste der Bürger würden nicht ernst genommen.

Kern verteidigte seine Ratskollegen und seine Moderation gleichermaßen: „Sie, Herr Reichelt, hatten als erstes Rederecht, und ich muss klar zurückweisen, dass jemand beleidigt wurde.“ Der offene Brief sei Auslöser für manche Reaktionen gewesen, so Kern. Zur Mitteilung über den Fraktionsaustritt und zu dem Disput war es unter dem Tagesordnungspunkt „Sonstiges und Anfragen“ gekommen. Landrat Kern hatte ihn vorgezogen, weil der Kreistag zügiger durch die Tagesordnung gekommen war als geplant.

Gretscher: „Gesetz für große Krankenhäuser“

Und so fand KSOB-Vorstandsvorsitzender Dr. Uwe Gretscher, der wegen des Investitionszuschusses in den Kreistag gebeten worden war, eine etwas aufgeheizte Stimmung vor, als er eintraf. Er selbst vermittelte aber auch einen etwas angespannten Eindruck, als er mit einem „kurzen Ausflug in die Bundespolitik“ und den aktuellen Ankündigungen durch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach begann und rhetorisch fragte: „Was erzeugt das? Unglaublich viel Unsicherheit!“

Laut Gretscher sind viele Details völlig unklar, etwa, wie künftig Fachkliniken finanziell ausgestattet werden. Sicher sei: Es werde in den nächsten Jahren zu großen Verwerfungen kommen und dies keinesfalls zugunsten kleiner Häuser: „Das ist ein Gesetz von großen Häusern für große Häuser“, vermutete er unverhohlen Einflussnahme. Ersten Entwürfen nach wäre nicht einmal mehr Traunstein „Level III“-Krankenhaus, weil es zum Beispiel keine Transplantationschirurgie anbieten kann – mit allen Konsequenzen für die Finanzierung. Auch die Notaufnahme in Trostberg sei nun gefährdet, denn die Ansprüche werden zu hoch.

Bereitschaftspraxis: „Luft für niedergelassene Ärzte sehr dünn“

Umso „mehr ist das, was wir auf den Weg gebracht haben, der richtige Weg“, versicherte Gretscher den Kreisräten und gab noch einen Überblick über den aktuellen Stand der Bauarbeiten in Berchtesgaden und Bad Reichenhall. In Berchtesgaden haben die Umbauten für die orthopädische Reha ebenso begonnen wie in Bad Reichenhall die Erweiterung der Zentralen Notfallaufnahme. Sie soll spätestens Mitte des Jahres fertig sein.

„Besser spät als nie“, kommentiert Dr. Reichelt und erinnerte daran, dass er bereits seit zehn Jahren eine Verbesserung der Notfallaufnahme anmahne. Bezüglich der orthopädische Reha wollte er wissen, wann mit einer Genehmigung zu rechnen ist. Zufrieden war er mit der Ansiedelung einer endoskopischen Praxis in Berchtesgaden, die Ärzte hätten sich schon vorgestellt. Er warnte aber auch, dass für die wenigen niedergelassenen Ärzte im Talkessel „die Luft sehr dünn ist“ bei der Sicherstellung einer Notfallpraxis. „Wir werden Lösungen finden, nein, wir müssen Lösungen finden“, sagte Gretscher, denn es gehe um die Versorgung der Bevölkerung. Zuversichtlich war der KSOB-Vorstand bezüglich der Reha: „Eigentlich erwarte ich die Genehmigung jeden Tag, denn die Kassen wollen es, es liegt nur noch am Medizinischen Dienst.“

Versuch der Versöhnung und Dialogbereitschaft

Auch Hans Metzenleitner versuchte, eine Brücke der Versöhnung zu schlagen und versicherte, dass er niemanden als „Querdenker“ bezeichnet habe. Er habe die systematische Vorgangsweise, in der „informationsresistent“ gearbeitet werde, kritisiert. Er dankte Reichelt dafür, „im Dialog zu bleiben“. Auch Dr. Bartl Wimmer begrüßte die Dialogfähigkeit Reichelts und bedauerte dessen Austritt aus der Fraktion: „Wir Grünen hätten das Spannungsfeld aushalten können.“ Zumal sich in der Unterstützung der Klinken am Ende alle einig waren und die Erhöhung des Zuschusses einstimmig billigten.