„Modernes Märchen“
Ehrenamtliche kritisieren Riesending-Film - Auch Innenminister schaltet sich ein

30.12.2022 | Stand 17.09.2023, 6:28 Uhr

Über 800 Einsatzkräfte waren 2014 am Untersberg bei der Rettung von Höhlenforscher Johann Westhauser beteiligt. −Foto: Bergwacht Bayern

Drei Stunden Sendezeit nahm der Zweiteiler „Riesending – jede Stunde zählt“ am Mittwochabend in der ARD ein. Die Bergwacht kritisiert ihre Darstellung darin - und auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann schaltet sich in die Debatte ein.



Dargestellt wurde das Höhlendrama, das am Pfingstsonntag 2014 in der Riesending-Höhle am Untersberg im Berchtesgadener Land seinen Anfang nahm und bei dem Höhlenforscher Johann Westhauser (im Film Josef Häberle) von einem herabfallenden Stein schwer verletzt und gerettet wurde. Die Bergwacht gibt bei der Rettung kein gutes Bild ab und kritisierte am Donnerstag in einer Stellungnahme ihre Darstellung in der Verfilmung des Einsatzes.

„Im Hinblick auf die Dauer des Einsatzes von elf Tagen und der Beteiligung von über 800 Einsatzkräften ist es wohl unmöglich, das Geschehen in einem Film, unabhängig von der Art und Weise, nachzuvollziehen, ohne dabei auf die Darstellung von einzelnen Sachverhalten zu verzichten“, heißt es in der Mitteilung der Bergwacht Bayern.

„Bergwacht in ein falsches Licht gerückt“



Fernsehspielfilme hätten nicht das Ziel, die Realität abzubilden, sondern Spannung und Emotionen zu erzeugen, um Unterhaltung für den Zuschauer zu bieten. Dr. Klaus Burger ist Regionalleiter der Bergwacht Chiemgau und war damals mit in der Einsatzleitung: „Gewollt oder ungewollt entstehe leider der täuschend echte Eindruck, dass es sich bei der Produktion ,Riesending – jede Stunde zählt‘ um eine Dokumentation handle und die Handlungen und Sichtweisen der Bergrettung im Film der Realität entsprächen.

Die künstlerisch zwar zulässige Vermischung von Realität und Fiktion spiegeln aber nicht den Rettungswillen und die Kompetenzen unserer ehrenamtlichen Bergretterinnen und Bergretter wider. Die Bergwacht wird insofern in ein falsches Licht gerückt.“ Etwa wird der Film-Einsatzleiter als zaudernd, überfordert dargestellt, den vor allem das gute Image der Bergwacht zu interessieren scheint.

„Schwarz-Weiß-Welt gezeichnet“



Der „Star“ dieses Einsatzes war für Thomas Küblbeck, ehemaliger Regionalleiter und damaliger Einsatzleiter in der Riesendinghöhle, die Mannschaft. Diese bestand zum einem aus den Höhlenrettern aus der Schweiz, Italien, Kroatien, Österreich und Deutschland bzw. der Bergwacht, zum anderem auch aus den vielen ehrenamtlichen und professionellen Einsatzkräften, die für Logistik, Versorgung und Transport gesorgt haben, sei es von der Bergwacht, den Hilfsorganisationen, der Bundeswehr, der Bundes- und Landespolizei und der Feuerwehr.

Die Unterstützung für alle notwendigen Aufwendungen sei von Beginn an von den örtlichen Behörden, dem Bayerischen Innenministerium sowie der Bevölkerung im Berchtesgadener Talkessel gegeben gewesen. „In keiner Weise nimmt der Film diese Wirklichkeit auf“, so Küblbeck.

„Leider findet genau das Gegenteil statt. Auf Kosten der Bergwacht und deren ehrenamtlichen Einsatzkräften wird eine Schwarz-Weiß-Welt gezeichnet“, sagt Roland Ampenberger, der Pressesprecher der Bergwacht. Einerseits würde ein Realitätsanspruch bestehen, gleichzeitig aber eine ganze Organisation diskreditiert, um Spannung zu erzeugen.

Herrmann: Der Film ist keine Dokumentation



Der Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher und die Bergwacht Bayern pflegen sehr gute Beziehungen, die nach dem Einsatz von 2014 noch ausgebaut wurden, heißt es in der Mitteilung weiter. Gerade durch den gemeinsamen Einsatz im Riesending sei die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Höhlenrettung im Alpenraum stark gefördert worden.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bezeichnet in einer Pressemitteilung den „damaligen Rettungseinsatz insgesamt und besonders auch den der Bergwacht als absolut vorbildlich. Der Film ist keine Dokumentation, sondern vielmehr ein am realen Geschehen angelehntes modernes Märchen.“

− pnp