Freilassing
Bundespolizei-Chef: „Brauchen dringend neue Unterbringung“

Edgar Dommermuth in Bürgerversammlung: Sechs Jahre erfolglose Suche eine „Schande“

01.12.2022 | Stand 18.09.2023, 21:26 Uhr

Die ehemalige Lokwelt-Montagehalle wurde im März kurzerhand zur Bearbeitungsstraße für Ukraine-Flüchtlinge umgebaut. In der Spitze wurden 567 Personen am Tag produziert. −Foto: Archiv Michael Hudelist

Die provisorische Unterbringung der Bundespolizei Freilassing an der Lokwelt platzt seit geraumer Zeit aus allen Nähten. Da die Stadt aber weiter Heimat der Inspektion bleiben soll, wird seit inzwischen mehr als sechs Jahren nach einer geeigneten Fläche für einen Neubau gesucht. Nachdem Bürgermeister Markus Hiebl vergangenen Sommer im Gespräch mit der Heimatzeitung bestätigt hatte, dass das Wunschgrundstück im Stadt-Süden an der Reichenhaller Straße mit direkter Anbindung sowohl an die B20 als auch an die B 304 liegt, scheint dies nun aber wieder weitgehend offen zu sein. Darüber informierte Inspektionsleiter Edgar Dommermuth bei seinem Bericht in der Bürgerversammlung.

Dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben den „Beschaffungsprozess“ nach über sechs Jahren noch immer nicht erfolgreich abgeschlossen habe, sei eine „Schande“, gab Dommermuth mit klaren Worten einen Einblick in die aktuelle Situation: So müssten jetzt am Parkplatz vor der Inspektion an der Westendstraße weitere 19 Container aufgestellt werden, um die Bearbeitung der Migration „schnell und menschenwürdig“ durchführen zu können. „Wir brauchen dringend eine neue und geeignete Unterbringung“, forderte er. Einen ausdrücklichen Dank richtete der Inspektionsleiter dabei an die Stadt und Bürgermeister Markus Hiebl: „Wir spüren die Unterstützung und fühlen uns hier heimisch.“

Zu Ukraine: „Schreckliche Bilder produziert“

Diese Verbundenheit habe sich auch im Laufe des Jahres gezeigt, als nach dem Angriff Russlands am 24. Februar plötzlich Tausende Flüchtende aus der Ukraine in der Grenzstadt eintrafen. Mit der Unterstützung von Stadt, Landratsamt und Deutscher Bahn habe man schließlich eine Bearbeitungsstraße in der Lokwelt-Montagehalle einrichten können. Zuvor hätten wartende Flüchtlinge bei neun Grad Celsius unter Heizpilzen ausharren müssen. „Da haben wir schreckliche Bilder produziert“, blickte Dommermuth zurück. Mit weiterer Hilfe durch die Bayerische Regiobahn, die einen Wärmezug zur Verfügung gestellt hatte, sowie der Caritas, dem Malteser-Hilfsdienst und des BRK habe man die Lage sukzessive besser in den Griff bekommen. Welche Dimension die Behörden dabei zu bewältigen hatte, untermauerte der Inspektionsleiter mit Zahlen: So mussten in der Spitze 567 Personen pro Tag und 63439 insgesamt registriert werden.

Dabei sei man zuvor noch davon ausgegangen, dass die größte Herausforderung des Jahres der G7-Gipfel auf Schloss Elmau Ende Juni werde. Hierfür hätten unter anderem an der Saalbrücke bereits zwei Wochen vorher angeordnete 24-Stunden-Grenzkontrollen begonnen. Dort seien ausschließlich Beamte aus dem Raum Berlin im Einsatz gewesen. „In diesen 14 Tagen gab es 720 unerlaubte Einreisen, davon 385 in Zügen“, so Dommermuth. Der Aufbau der Kontrollstellen habe sich gelohnt, „wenn auch keine G7-Störer festgestellt oder eingereist sind.“ Stolz ist der Polizeidirektor, dass die Container und Kontrollstellen nach dem Ende des Gipfels „in Rekordzeit“ wieder abgebaut worden seien.

Dass seit Wochen wieder mehr Flüchtlinge über die Balkanroute kommen und vor allem in Ungarn nach Einschätzung aller Migrationsexperten in Richtung Österreich durchgewunken werden, macht sich auch bei der Bundespolizei in Freilassing bemerkbar. „Die Tendenz von illegalen Einreisen ist weiter hoch, im Schnitt haben wir im gesamten Inspektionsbereich 50 illegal Eingereiste am Tag“, so Dommermuth. So habe man in diesem Jahr bis einschließlich August bereits 4140 Personen nach der Einreise nach Deutschland wieder nach Salzburg zurückgebracht. Wichtig war ihm dabei zu betonen, dass es der Bundespolizei nicht nur um die Geschleusten gehe, sondern es das Ziel sei, „die Schleuser dingfest zu machen und Strukturen aufzudecken.“

Dabei sei zu beachten, dass diese immer „aggressiver, gewaltbereiter und kompromissloser“ vorgehen würden, betonte Dommermuth, dass die Herausforderungen für die Bundespolizeiinspektion, in deren Zuständigkeit die Landkreise Berchtesgadener Land, Traunstein, Altötting und Mühldorf mit 225 Kilometern Grenze und 72 Bahnhöfen und Haltestellen fallen, nicht weniger werden dürften – zumal über Weihnachten wohl eine neue Zugverbindung aus Ungarn mit Endpunkt in Freilassing wieder mehr Flüchtlinge in die Grenzstadt bringen könnte. Dann müsste man wohl wieder in die ehemalige Lok-Montagehalle ausweichen.

Edgar Dommermuth geht zum 1. Februar in Pension

Fest steht auch, dass die EU-Kommission die „vorübergehenden Grenzkontrollen“ an den deutsch-österreichischen Grenzen zum 17. Mal verlängert hat, jetzt bis Mai 2023 – Ende offen. Anders als die berufliche Laufbahn von Edgar Dommermuth, der in wenigen Monaten in Pension geht. Ein Nachfolger sei bereits ausgewählt worden und werde nun eingearbeitet. Um wen es sich handelt, wurde dabei noch nicht bekannt. Klar ist aber, dass dieser „eine der jüngsten Dienststellen“ übernimmt, verwies er auf ein Durchschnittsalter der 376 Männer und Frauen von knapp 33 Jahren. „Ab 1. Februar wird der Altersdurchschnitt noch einmal dramatisch nach unten sinken, dann bin ich nämlich in Pension“, meinte Edgar Dommermuth scherzhaft.

− fre/hud