Burghausen
James Joyce und der „Most Hans“

Der berühmte irische Schriftsteller war in Raitenhaslach zu Gast – jetzt erinnert eine Gedenktafel an seinen Besuch

11.08.2023 | Stand 12.09.2023, 23:44 Uhr

Sie sind stolz, dass James Joyce aus Salzburg zu Besuch nach Raitenhaslach kam, um den Most Hans und sein kurioses Schwemmholz-Museum zu besuchen: v.l. Franziska Strebl, Bürgermeister Florian Schneider, Ortsheimatpfleger Wolfgang Hopfgartner, Stadtarchivarin Eva Gilch, Stadtbibliotheksleiterin Christin Moll, die Leiterin des Umweltamts Sarah Freudlsperger und der Chef des Bauhofs Peter Schweikl. −Fotos: Stadt Burghausen

James Augustine Aloysius Joyce war ein irischer Schriftsteller. Besonders seine Werke „Dubliner“, „Ulysses“ und „Finnegans Wake“ verhalfen ihm zu großer Bekanntheit. Als James Joyce im Juli und August 1928 sechs Wochen mit seiner Frau Nora Barnacle in Salzburg verbrachte, ergab es sich, dass er nach Raitenhaslach kam, um beim „Most Hans“ einzukehren und vor allem ein kurioses Museum an der Salzach zu besuchen. Diese Tatsache kann man nun dank des guten Archivs von Ortsheimatpfleger Wolfgang Hopfgartner, den Erkenntnissen von Historikerin und Stadtarchivarin Eva Gilch zum Joyce-Besuch aus dem Jahr 2008, der Stadt Burghausen und der Ideengeberin und Raitenhaslacherin Franziska Strebl auf einer Tafel am Treidelweg nachlesen.
Offenbar hatte der namhafte Schriftsteller, der er zur damaligen Zeit bereits war, von der Ausflugsgaststätte „Pinzinger“ am Ufer der Salzach in Raitenhaslach gehört. Diese Gaststätte im Gries Nr. 18 in Raitenhaslach, direkt am Salzachweg, war bekannt als der „Most Hans“, da sein Eigentümer Johann Pinzinger „Hans“ gerufen wurde. Hans Pinzinger indes war ein sehr erfolgreicher Obstbauer, der 60 verschiedene Sorten anbieten konnte. Er kelterte aus seinen Früchten diverse Weine und Moste, die er in seinem traumhaften Obst- und Blumengarten mit Kegelbahn direkt an der Salzach, dem heutigen Treidelweg, feil bot. 1908 wurde Johann Pinzinger Zweiter Vorsitzender des neu gegründeten Obstbauvereins in Raitenhaslach. 1928 kaufte er zudem die Raitenhaslacher Seilfähre über die Salzach, die er direkt an sein Anwesen verlegte. Ob James Joyce von Salzburg kommend mit ihr übergesetzt ist oder ob er auch Burghausen besucht hat, ist nicht überliefert.
Burghauser, aber auch Besucher von weiter her, kamen, um beim „Most Hans“ zu essen und zu trinken. Und sie kamen, um sein kurioses „Salzach Museum“ anzusehen. Johann Pinzinger hat nämlich seitlich an seiner Schänke besonders auffällige Schwemmholzstücke gesammelt, die er dort gut sichtbar präsentierte. Der Wirt gab den 54 Holzstücken besondere Bezeichnungen wie etwa „Der linke Fuß von Kaiser Karl aus dem Untersberg“ oder „Ein Brettl, wies manche Leut vor dem Kopf tragen“, „Das Herz, das in Heidelberg verloren ging“ oder „Der letzte Stockzahn der Bergsennerin von der Hinterstoißer Alm“. Ortsheimatpfleger Wolfgang Hopfgartner hat in seinem umfassenden Archiv ein Foto des „Salzach Museums“. Auch in den Archiven von James Joyce fand man Bilder dieser „Holz-Ausstellung“ in Raitenhaslach – was belegt, dass er tatsächlich dort war. Die Fotos hat Schriftsteller Joyce nicht selbst gemacht, er wurde von einem Salzburger Fotografen namens Adolph Johannes Fischer begleitet.
An der Stelle, wo einst der „Most Hans“ und sein skurriles „Salzach Museum“ standen, steht seit Kurzem eine Gedenktafel am Treidelweg unterhalb des Klosters. Die Tafel erläutert die Verbindung von der Most-Schänke zu James Joyce. Geschrieben von Historikerin Eva Gilch, mit Bildern aus dem Archiv Wolfgang Hopfgartners.

Angestoßen hat das Aufstellen der Tafel die Raitenhaslacherin Franziska Strebl, die in München Kunstgeschichte studiert und ebenfalls schon Praktikantin bei Eva Gilch im Stadtmuseum war. „Mein Onkel Hubert Pfingstl hat immer erzählt, dass James Joyce schon Mal in Raitenhaslach war und ich dachte mir, das muss man wissenschaftlich fundiert und öffentlichkeitswirksam bewerben. Ich meine, so eine Autoren-Berühmtheit war schon in unserem Dorf, das gibt’s ja gar nicht“, sagt Franziska Strebl. Ihre eigene Familiengeschichte hat sogar etwas mit dem „Most Hans“ zu tun, denn ihre Großeltern aus Oberhadermark haben sich bei der einstigen Schänke an der Salzach kennengelernt. Offenbar ein berühmter und beliebter Treffpunkt, für Hiesige und Schriftsteller gleichermaßen.
Das Ende der Ausflugsgaststätte, die zwischenzeitlich von der Familie Pinzinger verkauft worden war, kam schließlich durch ein Hochwasser, wie Wolfgang Hopfgartner vor Ort bei der feierlichen Enthüllung der Tafel erzählt. Insgesamt seien vier Wohnhäuser und die Schänke damals vom Wasser zerstört worden. „Das Wasserwirtschaftsamt hat die Gebäude rausgekauft, damit die rechtmäßigen Eigentümer sich an anderer Stelle oberhalb der Salzach wieder etwas aufbauen konnten. Das Salzach-Museum mit den Schwemmhölzern hatte noch bis in die 1950er Jahre Bestand. Das Anwesen Gries Nr. 18 wurde 1969 abgerissen.“ Damit war es aus für das Ausflugslokal mit der speziellen Wurzel-Ausstellung.
Franziska Strebl indes überlegt, ob es nicht möglich wäre, zum 100. Jahrestag des James-Joyce-Besuchs im Jahr 2028 ein neues „Salzach-Museum“ mit kuriosen Schwemmhölzern ins Leben zu rufen – zu Ehren von Johann Pinzinger und seiner Familie. Übrigens gibt es noch eine sichtbare Erinnerung an die Familie Pinzinger: die sogenannte „Pinzinger Kapelle“ beim Raitenhaslacher Sportplatz.
Im Zuge der Aufarbeitung der Geschichte hat Ortsheimatpfleger Wolfgang Hopfgartner noch einen Aufruf: Es gab zwei Fähren über die Salzach bei Raitenhaslach: eine beim Gries 18 bei Familie Pinzinger und noch eine 250 Meter weiter flussaufwärts bei Familie Hacker. Es ist bekannt, dass Schüler aus Österreich bis zum Kriegsende mit der Fähre übergesetzt sind und in Raitenhaslach in die Volksschule gingen. Leider gibt es bislang keine schriftlichen Belege. Ein altes Zeugnis zum Beispiel mit dem Stempel der Schule aus Raitenhaslach würde schon helfen. „Vielleicht kann jemand mit österreichischen Vorfahren aus diesem Bereich im Nachlass oder Privatarchiv forschen und sich dann bei mir melden.“ Wolfgang Hopfgartner ist entweder per Mail erreichbar unter wolfgang.hopfgartner@burghausen.de oder per Telefon, ✆ 08677/3588.


Alle Informationen stützen sich auf den wissenschaftlichen Aufsatz von Stadtarchivarin Eva Gilch aus dem Jahr 2008 im „Oettinger Land“ Band 28.