Altötting
Gehirnjogging – damit nicht nur der Körper fit bleibt

Katholische Erwachsenenbildung bietet spezielles Training für Senioren an – Weitere Unterstützer gesucht

13.03.2023 | Stand 17.09.2023, 1:03 Uhr

Um sich geistig fit zu halten, treffen sich einige Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus dem Landkreis Altötting jede Woche zu den LeA-Treffen. Leiterin Eva Saller (rechts) stellt ihnen einige Aufgaben, um mit ihnen Merkfähigkeit, Denkflexibilität und Koordination zu trainieren. −Foto: Brand

„Schätzen Sie mal, wie viele Buchstaben hat das Wort ,Schlechtwetterzuzahlungstarif‘“, sagt Trainerin Eva Saller in die Runde. An den in einem Viereck angeordneten Tischen im Clubraum des Klösterl-Pfarrsaals in Neuötting, sitzen je drei Frauen und Herren im Seniorenalter. Ihre Antworten reichen von 15 bis 25. „Es sind 29“, löst die 67-jährige Neuöttingerin auf. Solche und ähnliche Aufgaben lösen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den sogenannten LeA-Kursen wöchentlich.

„LeA steht für Lebensqualität fürs Alter“, sagt Eva Saller, „mit einer Lebensversicherung sind wir zwar finanziell abgesichert, aber ein funktionierendes Gehirn ist das Wichtigste.“ Das Ziel des regelmäßigen Trainings: Den Alterungsprozess aufschieben, um relativ lang in seinem eigenen Umfeld leben zu können.

Angeboten wird das Trainingsprogramm von der Katholischen Erwachsenenbildung Rottal-INN-Salzach e.V. (KEB-RIS) in Zusammenarbeit mit den diözesanen Fachstellen für Altenpastoral und den kirchlichen Verbänden in den bayerischen Diözesen. „Aber wir brauchen auch Gruppen, einen Motor vor Ort, der sich dafür einsetzt“, sagt Reinhold Sterflinger von der KEB-RIS.

Aktuell finden LeA-Treffen im Landkreis Altötting in Neuötting, Winhöring, Reischach, Pleiskirchen und Haiming bei vier aktiven Trainerinnen statt, sagt Sterflinger. Die Gruppen bestehen aus neun bis 15 Teilnehmern. Zielgruppe sind Frauen und Männer ab 60 Jahren, aber mitmachen kann man „bis ultimo“, wie Eva Saller sagt.

Sie leitet die LeA-Kurse schon seit über 20 Jahren. Zuerst hat sie die Ausbildung dafür gemacht, 2005 hat sie sich zusätzlich beim Bundesverband Gedächtnistraining (BVGT) weiterbilden lassen, „weil ich gemerkt habe, dass es nicht ausreicht, weil ich sehr fitte Teilnehmer habe“, sagt Saller. Bis heute lässt sie sich alle zwei Jahre regelmäßig fortbilden.

Und welche Strategien gibt es gegen das Vergessen? „Bei LeA gibt es vier Säulen: Gedächtnistraining, Bewegung, Kompetenz und Sinn- und Lebensfragen“, erklärt Eva Saller. Grundlage sei die an der Universität Nürnberg-Erlangen evaluierte SimA-Studie von Prof. Dr. W.-D. Oswald, die zeigte, „dass regelmäßig durchgeführte Übungseinheiten in Kombination aus kognitiven und psychomotorischen Inhalten die Gedächtnisleistungen, den Gesundheitsstatus und die Selbstständigkeit der Teilnehmer/innen verbesserten bzw. über mehrere Jahre stabilisierten“.

Die Aufgaben reichen von Konzentrations- über Merk- bis hin zu Wahrnehmungs- und Koordinationsübungen. Auch Wortfindung und Formulierung seien wichtige Bestandteile. „Wer schreibt denn heute noch Briefe? Um in Übung zu bleiben, führen wir auch ab und zu Geschichten fort“, erzählt die Trainerin. „Das Gehirn ist wie ein Muskel, deshalb muss man es auch beim Gedächtnistraining aufwärmen“, erklärt die erfahrene Referentin Eva Saller.

„Wir beginnen bei 175 und ziehen immer sieben ab“, sagt Eva Saller die nächste Aufgabe an. Im Uhrzeigersinn sagen die sechs Teilnehmer jeweils die Ergebnisse der Rechenaufgaben bis sie bei sieben angekommen sind. Weiter geht‘s mit dem „Hosentaschenmuseum“ – das Spiel erinnert ein bisschen an „Ich packe meinen Koffer“. Reihum sagen die Senioren, was sie in ihrer Hosentasche haben und die anderen wiederholen alle Gegenstände – darunter etwa ein Taschentuch, Brillenputztuch und Geldbeutel. „Man darf immer etwas erfinden“, sagt Eva Saller, „denn wer kreativ ist, trainiert seine rechte Gehirnhälfte.“

Nach ein paar Merkübungen folgt die erste Aufgabe, bei der Koordination gefragt ist: Die Teilnehmer sollen ihre beiden Hände nach vorne strecken und mit der linken Hand einen Kreis und gleichzeitig mit der rechten Hand eine vier in die Luft zeichnen. Die Teilnehmer versuchen es und schmunzeln bei so manchem fehlgeschlagenen Versuch. „Man muss sich höllisch konzentrieren“, stellt auch Eva Saller fest. Konzentration ist auch bei der nächsten Übung gefragt. Reihum werden Entscheidungsfragen gestellt und derjenige, der an der Reihe ist, soll wahrheitsgemäß mit „ja“ bzw. „nein“ antworten, gleichzeitig die gegensätzliche Kopfbewegung machen – Kopfschütteln bzw. Nicken.

„Jetzt würden wir uns normalerweise zu Musik bewegen, aber weil heute Aschermittwoch ist, bleiben wir sitzen“, sagt Eva Saller. Stattdessen gibt es eine Übung aus dem Qigong: Man soll die Finger wie beim Beten verschränken und immer mit zwei Fingern die Seite wechseln − auch gar nicht so einfach.

Zusätzlich gibt es noch sogenannte „Lustaufgaben“ – freiwillige Hausaufgaben, die die Teilnehmer erledigen können, wenn sie Lust dazu haben –, „denn 1,5 Stunden pro Woche reichen nicht, um den Alterungsprozess hinauszuzögern“, sagt Eva Saller.

Aber es geht bei LeA keineswegs um Leistung, sondern darum, gemeinsam Spaß zu haben. Und das sowie die Gemeinschaft ist auch der Hauptgrund, warum die Teilnehmer regelmäßig kommen. „Der Kurs bringt Abwechslung in mein Leben“, sagt ein Teilnehmer. „Man merkt schon, dass das Gehirn beweglicher wird“, fügt ein anderer hinzu.

Dass das Gehirntraining funktionieren kann, weiß auch die langjährige LeA- und zertifizierte Gedächtnistrainerin Eva Saller: „Ich hatte eine Teilnehmerin, die hat 17 Jahre lang meinen Kurs besucht und hat bis sie 103 war in ihrer eigenen Wohnung gelebt – sie zehrt von dem, was sie aufgebaut hat.“ Mit viel Gedächtnistraining könne man auch im Alltag vermeiden, dass man etwa vergisst, seine Tabletten zu nehmen oder das Bügeleisen auszuschalten.

Pro Jahr finden zwei LeA-Kurse mit je zehn Einheiten statt. „Über die Sommerpause schmeiße ich den Teilnehmern manchmal auch ein paar Lustaufgaben, sozusagen freiwillige Hausaufgaben ein, damit sie üben können“, sagt Saller.

Um weitere Kurse anbieten zu können, sucht die KEB RIS weitere Interessenten, die sich zum Trainer ausbilden lassen wollen. Die Ausbildung umfasst acht Tageskurse mit je sieben Unterrichtseinheiten. Das Zertifikat erhalten Teilnehmer, wenn sie mindestens sieben Ausbildungstage des Grundkurses absolviert haben. Anschließend können sie örtliche LeA-Kurse leiten. Und was sollen sie mitbringen? „Leidenschaft und Spaß am Umgang mit anderen Leuten“, sagt Eva Saller. „Man schenkt so viel Freude, aber bekommt sie vielleicht sogar auch in Potenz wieder zurück.“

− lkb