Er liest der Politik die Leviten
Erster Starkbieranstich des Spielmann- und Fanfarenzug Neuötting mit Fritz Kirmaier als Fastenprediger

19.03.2024 | Stand 19.03.2024, 17:00 Uhr

Sauber eingeschenkt: Fritz Kirmaier als Bruder Barnabas sparte nicht mit Kritik auch am Neuöttinger Stadtrat. − Foto: Csellich

Stephan Loipersberger begrüßte am Samstag in seiner Funktion als Vorstand des Spielmann- und Fanfarenzug Neuötting e. V. die Gäste zum ersten Starbieranstich im eigenen Vereinsheim: „Wir haben uns heuer getraut, ein Starkbierfest zu veranstalten, und wie’s ausschaut, schaut’s gar ned schlecht aus.“

Der Bockser vom Müllerbräu war mit seiner Umdrehung von 8,9 % vol. recht süffig und kam mit Brotzeit beim Publikum gut an. Ehrenvorstand Ludwig Wienzl übernahm die Rolle des Mundschenks und überprüfte auch zwischendurch immer selbst die Qualität. Das Fass spendierte Bräu Reinhard Müller, der mit seiner Familie vor Ort war. Die Blaskapelle Werndle aus Unterneukirchen sorgte mit Ansager, Tubist und Stimmungsmacher Schorsch für die passende musikalische Umrandung.

Höhepunkt des Abends war die Fastenpredigt. Fritz Kirmaier, auch bekannt von der „Bunten Bühne“, gab sein Debüt als Bruder Barnabas. „Wer in der Zukunft lesen möchte, muss in der Vergangenheit blättern und so ist es heute meine Aufgabe, durch eine Rückschau einen Blick in die sprichwörtliche Glaskugel der Zukunft zu werfen.“ Zum Auftakt bekamen gleich einmal die Stadtväter und -mütter von Altötting und Neuötting ihr Fett weg: Bald soll es ja ein „grenzüberschreitendes Gewerbegebiet“ geben, wobei der flächenmäßig größere Teil in Altötting liegt. Dafür wird die Altöttinger Konventstraße gesperrt und der Verkehr soll über den Neuöttinger Brezenweg fließen. „Wenn Neuötting schon den geringeren Teil vom Gewerbegebiet bekommt, soll man wenigstens den Großteil vom Verkehr haben! Liebe Stadt Altötting, ich möchte eine Erkenntnis in den Hafen von Antwerpen einfließen lassen: Wenn du einem auf die rechte Wange schlägst, dann ziele nicht auch noch auf die linke.“

Lokale Kontroversen und Stadtpolitik



So könne eine über Jahrhunderte gewachsene Freundschaft schnell gefährdet werden, sagte der Fastenprediger. Insbesondere, wenn der Meinungsaustausch über die örtliche Presse stattfinde. „Vor 50 Jahren geisterte ein Hirngespinst durch unsere Städte, als wäre es ein konkreter Plan, Altötting und Neuötting zu einer Stadt zu vereinen.“ Die Altöttinger hätten damals ihre „schwesterliche Nachbarschaft einfach übergangen“ und verschwiegen, dabei sei Neuötting älter als Altötting. Schließlich bestünden Neuöttings Stadtrechte seit 1321 und die Altöttings erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. „Dass heute unser Abwasser in die gleiche Kläranlage rinnt und wir das gleiche Wasser trinken, dürfte wohl reichen.“ Man solle nicht das Gutgewachsene gefährden und in einem Topf zusammenwerfen, was nicht zusammengehöre. „Will man das neue Gebilde dann Groß-Altötting, Neuötting-Plus oder gleich Ötting nennen?“, fragte sich Barnabas. „Besser nicht, denn könnte jemand auf die Idee kommen, das Öttinger Bier stamme von hier und damit möchte man nicht in Verbindung gebracht werden.“

Die Geheimniskrämerei des Neuöttinger Stadtrats über die „im stillen Kämmerlein ausgetüftelte Planung eines Kindergartens am Faltermeierberg wurde durch intensive Recherchearbeit des Alt-Neuöttinger Anzeiger an die Öffentlichkeit gebracht.“ Stattdessen sollten seiner Meinung nach zuerst die vorhandenen Neuöttinger Kindergärten instandgehalten werden. „Wie viel Geld ist hier für die monatelangen Geheimplanungen draufgegangen?“ Deshalb sei nun wahrscheinlich auch kein Geld mehr für die Schulsanierung da. „Alle Stadträte bis auf Bürgermeister Haugeneder waren auch gegen eine Spielhalle. Mit denen verhält es sich ja wie mit den Nagelstudios, denn von denen gibt es auch schon einige. Gespielt und genagelt wird in Neuötting offensichtlich sehr viel.“

Landespolitik und Windpark-Debatten



Aber auch die Landespolitik wurde nicht ausgespart, ist doch der geplante Windpark im Staatsforst mittlerweile überregional ein Thema. „Der Opfesoft-Pantscher Hubert Aiwanger geistert derart oft durch unsere Gefilde, dass man wirklich meinen könnte, es läge ihm daran, dass die Bevölkerung die Ventilatorenansammlung unterstützt.“ Wer aber die bayerische Politik kenne, wisse doch, dass dieser Windpark längst beschlossene Sache sei – unabhängig davon, was das Wahlvolk sagt, so Barnabas.

Ampelparteien, MdB und MdL von der CSU sowie die Bauernproteste waren ebenfalls Themen der Fastenpredigt. „Nein, liebe Landwirte, ihr werdet nicht benachteiligt, sondern in Zukunft gleichbehandelt – Ihr sollt genau das gleiche bezahlen, wie alle anderen auch!“ Sie sollten ihrer Arbeit nachkommen und die Bevölkerung ernähren und nicht aus reiner Profilgier mit Photovoltaikanlagen landwirtschaftliche Nutzflächen zupflastern. „Grüne Energie ist wichtig, aber nicht da, wo Lebensmittel wachsen!“ Der Bruder forderte, „wer unzufrieden ist, sollte nicht nur auf die Straße gehen, sondern vor allem an die Wahlurne, um die Demokratie zu stärken. Denn Wählen hat mit Zähneputzen eines gemeinsam: Wenn man es nicht tut, wird’s braun.“

Die Worte des Herrn aus dem Buch Kohelet gab er den Gästen mit auf dem Weg: „Ich vollbrachte große Taten, ich baute Häuser, pflanzte Weinberge, legte Gärten und Parks an, pflanzte darin alle Arten von Bäumen. Ich besaß Vieh in großer Zahl, hortete Schätze, Könige und Provinzen. Dann dachte ich über alle meine Taten nach und über den Besitz, für den ich mich bei diesem Tun angestrengt hatte. Das Ergebnis: Windhauch, alles ist Windhauch.“

Geschmeckt haben dem Publikum Bier, Brotzeit und auch die Fastenpredigt und somit steht einer Wiederholung des Starkbieranstichs im nächsten wohl nichts mehr im Wege.

− cs