Erfolgsgeschichte von zehn Jahren
Die Radlwerkstatt in Burgkirchen ist Geschichte

29.04.2024 | Stand 29.04.2024, 11:00 Uhr

Auszeichnung und Dank für die Schrauber: Otto Maier (von links), Alfred Huber, Richard Strobl, Alexander Olbort, Mohammed Reza und Günther Stautner. − Foto: Nöbauer

Angefangen hat alles vor fast zehn Jahren mit dem Asylhelferkreis. Um die ankommenden Flüchtlinge schnell mobil zu bekommen, wollte man ihnen günstig Räder anbieten und ihnen dabei helfen, sie zu reparieren. „Sehr gut angenommen“ wurde das Angebot, sagt Günther Stautner, einer der Initiatoren. Ein „richtiger Renner“ sei es geworden. In der letzten Zeit hat es aber an Fahrt verloren; das ist dem Alter der Ehrenamtlichen geschuldet. Mit seinen 77 Jahren war Stautner das letzte Jahr bereits alleine tätig, seine Mitstreiter hatten schon vorher den freiwilligen Dienst quittiert. Mit der Übernahme der Keltenhalle durch die Nürnberger Wach- und Schließgesellschaft ist nun das endgültige Aus gekommen: „Eigentlich wollte ich die zehn Jahre voll machen. Aber wir haben jetzt keinen Platz mehr in der Keltenhalle. Also ist jetzt schon Schluss“, sagte Stautner am letzten Öffnungstag, dem vergangenen Donnerstag, im Rahmen einer kleinen Feier.

Das Rathaus hat 2014 im Zuge der Flüchtlingskrise den Startschuss zur Radlwerkstatt gegeben. Im Rahmen des Asylhelferkreises, in dem sich viele Burgkirchner ehrenamtlich engagierten, wurde nach Projekten gesucht, die die Integration fördern. „Eines davon war die Radlwerkstatt, das hat mir gefallen“, erzählt der begeisterte Handwerker. Fahrräder herrichten, sie verkehrssicher machen und dann gegen eine kleine Gebühr weiterverkaufen. „Zehn Euro für Jugendräder und 20 Euro für Erwachsenenräder“, sagt Günther Stautner. Einige Zeit hat es gebraucht, bis man bürokratische Hürden überwunden hatte und der ganze Betrieb über die Schrauber in der Keltenhalle lief.

Bücher zur Verkehrssicherheit in 14 Sprachen



Ein halbes Dutzend Leute seien am Anfang beteiligt gewesen. Als sie vor dem Einzug des Feuerwehr Ausbildungs- und Kompetenzzentrums noch mehr Platz zur Verfügung hatten, wurde dort, wo einst die Eisfläche war, ausgiebig Probe gefahren und geschaut, ob die Reparaturen passen. „Wir haben auch Bücher in 14 verschiedenen Sprachen zur Verkehrssicherheit angeschafft, damit sich alle zurechtfinden.“ Viel Aufwand, der sich aber auf jeden Fall rentiert habe, sagt Stautner.

Waren sie anfangs noch in der Heim- und Gästekabine untergebracht, zog die Radlwerkstatt später auf die gegenüberliegende Seite, weil die Räumlichkeiten von der Feuerwehrschule gebraucht wurden. „Aber da haben wir uns auch zurechtgefunden, auch wenn es mit der Anordnung der Räume eher wie in einem Schlauch war.“ Die Kundschaft blieb nicht fern, die Gemeinde lieferte weiter fleißig Fundräder. „An Arbeit hat es uns nie gemangelt.“ Vielmehr aber einigen wenigen Besuchern an Einsicht, erinnert sich Stautner. „Es hat so Kandidaten gegeben, die haben sich ein Rad ausgesucht und dann musste es sofort repariert werden, egal was wir gerade zu tun hatten.“ Geduld sei nicht immer die Stärke der Radkäufer gewesen. An einen anderen erinnert er sich, der – unbeabsichtigt – sich für ein Damenrad entschieden hatte, aber nach nicht mal 100 Meter Fahrt zurückkam und es völlig erbost zurückgab: Er könne doch kein Damenrad fahren, da würde er ausgelacht. Eine der vielen Geschichten, über die die Schrauber am Donnerstag einmal mehr lachen konnten.

Hilfe zur Selbsthilfe – diese Idee hat nicht funktioniert



Auch die ursprüngliche Idee mit der Hilfe zur Selbsthilfe habe nur bedingt funktioniert: „Nur etwa 20 Prozent haben ihr Rad am Ende auch selber gerichtet. Bei den anderen mussten wir Hand anlegen.“ Aber für Bastler wie Günther Stautner ist das ja eine große Freude. Zu seinen Stammkräften als Helfer gehört haben Alfred Huber, Otto Maier, Rainer Göschl, Richard Strobl und Alfons Göschl. Seit dem Weggang Hubers vergangenes Jahr war Stautner alleine am Werk – aber Huber, Maier und Strobl besuchten ihn nochmal zur Feierstunde am Donnerstag, zusammen mit dem ehemaligen Flüchtling Mohammed Reza, der im Laufe der Zeit zum Team gestoßen ist.

Etwas Kritik richtete Stautner in diesem Rahmen auch an das Rathaus, das von Geschäftsleiter Alexander Olbort vertreten wurde. Von der Gemeinde habe ihm keiner gesagt, dass es mit der Radlwerkstatt zu Ende geht, es habe kein Gespräch gegeben. Über den Flurfunk habe er vom Ende erfahren, so Stautner. Dabei sprach Olbort von einer „unheimlich tollen und wichtigen Geschichte“, die man auf die Beine gestellt hat. Eine, die sich in Zahlen fassen lässt, wie Stautner vortrug: „Es hat 240 Öffnungstage gegeben“, mit drei Mann sei man meist am Werkeln gewesen. „Rechnet man dann die Organisationsstunden, die Abrechnung und alles andere hinzu, kommen wir wohl auf rund 2000 Stunden.“

Ein Engagement, das seinesgleichen sucht. Und dennoch endete es, weil die Räumlichkeiten der Keltenhalle an die Nürnberger Wach- und Schließgesellschaft übergegangen sind – und diese hat andere Pläne für die Räume. Da der 77-Jährige zuletzt aber ohnehin allein tätig war, fällt ihm auch ein Stück weit eine Last von den Schultern. Das Material und die Räder wandern zum Altöttinger BRK. Und Stautner? Er will sich jetzt neuen Projekten widmen. Die Radlwerkstatt ist nun Geschichte.