Hochburg-Ach
Die Kraft einer Melodie

Nach coronabedingter Pause ist das Historienspiel über Stille-Nacht-Komponist Franz Xaver Gruber zurück

12.12.2022 | Stand 17.09.2023, 8:38 Uhr

Stille Nacht in den unterschiedlichen Sprachen der Welt: Zum Schluss sangen Darsteller auf Englisch, Philippinisch, Spanisch, Ukrainisch und in weiteren Sprachen das berühmte Lied. −Fotos: Schönstetter

Diese plötzliche Stille, das kollektive Atemanhalten bei den vertrauten Tönen: Zum ersten Mal erklingt an diesem Abend in der Pfarrkirche in Hochburg die Melodie von „Stille Nacht“, nur angerissen zwar, aber es reicht, um die Kraft dieses Liedes wirken zu lassen. Tränen haben manche der Zuschauer der „Gruberspiele“ in den Augen, jetzt schon – zum Schluss aber dann die meisten in der Kirche, wenn alle Laiendarsteller gemeinsam auf der rappelvollen Bühne stehen, und wenn schließlich auch die Zuschauer aufstehen und mitsingen: „Stille Nacht, heilige Nacht“.

Für diesen magischen Moment haben sie wieder alle Mühen auf sich genommen, die das alljährliche Historienspiel über das Leben des Stille-Nacht-Komponisten Franz Xaver Gruber in Hochburg-Ach bedeuten. Ein „extremer Aufwand“ sei es gewesen, „Die Suche nach der Stillen Nacht“ nach zwei Jahren coronabedingter Pause wieder ins Leben zu rufen, sagt Chef-Organisator Gerhard Haring, Obmann der Franz-Xaver-Gruber-Gemeinschaft. Und wer einmal dabei war, weiß, dass der Hochburger da noch untertreibt.

Das halbe Dorf wirkt mit, alles ist bis ins Detail dekoriert und liebevoll gestaltet. „Wir waren in den letzten Wochen schon so manches Mal am Zweifeln, ob es Sinn macht, überhaupt weiter zu machen. Einige Personen fielen krankheitsbedingt aus. Andere wollten oder konnten einfach nicht mehr mitarbeiten“, sagt Haring. Viele der Helfer der Gruber-Gemeinschaft seien Pensionisten, die in den zwei Jahren auch nicht jünger geworden sind. Erst im September haben die Organisatoren entschieden, dass sie spielen wollen – zu spät, um den Kartenvorverkauf wie sonst über die Reisebüros laufen zu lassen. „Da fehlt uns heuer die Breitenwirkung“, bedauert Haring. Das wollen die Gruber-Enthusiasten ja eigentlich: Möglichst vielen Menschen von der Bedeutung Hochburgs und seines bekanntesten Sohnes zu erzählen.

Am ersten Spieltag ist von all den Sorgen aus dem Vorfeld nichts zu spüren. Die Darsteller, bekannte wie neue, strahlen förmlich in ihren Rollen – die Freude über diesen ersten Abend, sie ist für alle spürbar. Gute Schauspieler habe er wieder gefunden, ist Gerhard Haring froh, auch einen neuen jungen Gruber (der muss alle paar Jahre ersetzt werden, wenn er dem Kindesalter entwachsen ist). Leopold Patsch ist diesmal der Franzl, der das Schimpfen des Vaters erträgt, der seinem Sohn das brotlosem Orgelspielen austreiben will; der Franzl, der heimlich daheim auf Holzspreißeln übt, die er als Tasten in die Holzwand des Zimmers gesteckt hat. Die Musik, sagt er, hört er in seinem Kopf.

Anrührend sind diese Momente, ist diese ganze Geschichte des Buben aus ärmsten Verhältnissen, der diese merkwürdige, starke Liebe zur Musik in sich trägt und irgendwann das bekannteste Friedenslied der Welt komponiert. Mit allem nötigen Pathos lässt Autor Martin Winklbauer das Dorf Hochburg-Ach die Geschichte seines bekanntesten Sohnes in Episoden erzählen. Die Darsteller sind traditionsgemäß Laien aus der Gemeinde, die die prägenden Anfangsjahre des Komponisten Franz Xaver Gruber zeigen und auch die Reise des Stille-Nacht-Liedes um die ganze Welt. Äußerst unterhaltsam ist das Spiel, bisweilen lustig und immer ergreifend – eine zutiefst beeindruckende Gemeinschaftsleistung

Die Begeisterung der FXG-Gemeinschaft für ihre Sache zeigte sich am Wochenende aber nicht nur im Historienspiel; dazu gehört immer auch ein Handwerkermarkt. Schwieriger als die Organisation des Spiels an sich sei es mit diesem heuer gewesen, so Gerhard Haring. Wegen der Kurzfristigkeit hätten einige Aussteller abgesagt. „Und wir wollen hier eben nicht irgendwen, sondern echtes Handwerk“, sagt Haring. Also haben sie wieder telefoniert und organisiert und schließlich einen schönen Handwerkermarkt zustande gebracht, mit Schmied, Besenmacher, handgemachten Wollwaren, Weihnachtsdekoration und natürlich guter kulinarischer Versorgung der Besucher.

„Für mich persönlich waren die letzten Monate einer der herausforderndsten Zeiten überhaupt“, sagt Haring. Umso mehr genoss er nun das dritte Adventswochenende, an dem an drei Tagen die „Gruberspiele“ aufgeführt wurden. „Es ist halt einfach etwas Schönes“, sagt er. „Zu sehen, wie begeistert die Zuschauer immer sind – da ist der ganze Aufwand schon wieder vergessen.“

Und begeistert waren sie alle. Spätestens als die Zuschauer die Kirche verließen und draußen noch alle Darsteller standen, von den fiesen französischen Besatzern über die lästernden Dorfweiber bis zum kleinen Franzl und seinem strengen Vater, da spürten alle: „Stille Nacht“ ist hier passiert, ist Teil dieser Gemeinde.

− cts