Klage von Missbrauchsbetroffenem
Der Prozess in Traunstein ist in mehrfacher Hinsicht historisch

Die Initiative Sauerteig aus Garching äußert sich zum Missbrauchsprozess

11.01.2024 | Stand 21.02.2024, 15:23 Uhr

Die Pfarrkirche St. Nikolaus in Garching. − Foto: Archiv/Süß

Zum Missbrauchsprozess in Traunstein, der am Mittwoch, 10. Januar, fortgesetzt wurde, hat die Initiative Sauerteig aus Garching eine Pressemitteilung herausgegeben. Die Initiative setzt sich für die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle ein und unterstützt den Kläger Andreas Perr.

„Der Prozess Perr gegen das Erzbistum München und Freising ist in mehrfacher Hinsicht als historisch zu bezeichnen“, heißt es in dem Schreiben. So habe geschichtlich erstmalig das Traunsteiner Landgericht im Juni 2023 Joseph Ratzingers Verantwortung für den konkreten Missbrauchsfall am jungen Perr durch den mittlerweile laisierten Pfarrer H. festgestellt. Außerdem gehe es wegweisend um die Höhe der finanziellen Wiedergutmachung eines Schadens, der ein Kind völlig aus der Bahn geworfen habe.

„Dass das Münchner Erzbistum hierfür die Gefahr der Retraumatisierung des Opfers billigend in Kauf nimmt, obwohl ihm die Akten und Belege zum Teil seit Jahrzehnten vorliegen, erschüttert uns in unserem Glauben an die Kirche“, schreibt Sauerteig. „Wie viel Kraft, Mut und Durchhaltevermögen muss ein Missbrauchsopfer gegen solche Hürden aufbringen, um Gerechtigkeit zu finden!“ Wegweisend könne das Verfahren für andere Missbrauchsbetroffene sein, die nach Mitteln – nach Wegen oder Möglichkeiten – suchten, sich Gerechtigkeit zu verschaffen. Ein neuer Weg sei außerdem, dass der Prozess mit Hilfe eines Crowdfundings finanziert werde, das den Kläger in die Lage versetze, von der Kirche die Wiedergutmachung des Schadens einzuklagen, der ihm mit Wissen und Duldung der Kirchenleitung zugefügt worden sei.

„Historisch kann drittens sein, was Kardinal Marx tut: Ist ihm die Selbsterhaltung einer Kirche, die sich von pädokriminellen Kreisen hat unterwandern lassen, wichtiger als ein christlicher Akt der Wiedergutmachung? Wird er die finanzielle Überlegenheit des Erzbistums zur Zermürbung des Betroffenen nutzen oder sein am 17. Juli 2021 in Garching a.d. Alz gegebenes Versprechen, sich von nun an an die Seite der Betroffenen zu stellen, glaubwürdig und vorbehaltlos in die Tat umsetzen?“, fragt die Initiative Sauerteig in ihrer Pressemitteilung.

Eine vierte weitreichende Folge sieht Sauerteig in der Frage, ob die Kirche bereit ist, für die Schadensersatzzahlungen Kirchenvermögen einzusetzen, denn für Kirchensteuerzahler wäre es nicht hinnehmbar, die Wiedergutmachung aus der Kirchensteuer zu begleichen. „Wenn anständige Katholiken für die Verbrechen von pädokriminellen Klerikern bezahlen sollten, wäre der Exodus der Kirche nicht mehr aufzuhalten. Oder wird die Kirche gar versuchen, den Missbrauchsopfern indirekt die Schuld an ihrem Niedergang zuzuschieben?“

Und eine fünfte historische Dimension sieht Sauerteig: Dass in den Sternen stehe, ob und wann der Vatikan zu seiner Verantwortung in diesem Missbrauchsgeschehen stehe. „Schließlich war Joseph Ratzinger in seinen verschiedenen kirchlichen Leitungsfunktionen im Vatikan für den amtskirchlichen Umgang mit dem Missbrauchstäter H. verantwortlich.“

Als unbefriedigend empfindet die Initiative außerdem die Tatsache, dass der Missbrauchstäter selbst nicht zur Verantwortung gezogen werden könne, weil Verjährungsfristen den Serientäter schützten. „Wäre das die sechste historische Dimension des Falls Peter H.?“, fragt Sauerteig.

− red