„Ohne ihn gäbe es in Burghausen keine Jazzwoche, keine Jazzkurse und keinen Jazzclub“, sagt Herbert Rißel, Vorsitzender der IG Jazz. Ohne Helmut Viertl wäre das kulturelle Leben Burghausens also um ein Vielfaches ärmer, wäre diese oberbayerische Kleinstadt mit ihren knapp 20000 Einwohnern nicht deutschland-, ja in informierten Kreisen gar weltweit zu einem Synonym für „Jazz“ geworden. Wie nun bekannt wurde, ist der Mitbegründer der Burghauser Jazzwoche im Alter von 86 Jahren gestorben.
Die Jazzwoche, die im März in ihre 52. Ausgabe geht, ist seit 1970 das am längsten kontinuierlich bestehende Jazzfestival in Bayern. Dementsprechend voll ist das Schatzkästchen mit Anekdoten, Geschichten, Legenden. Besonders gerne erzählt wird natürlich die Gründungsgeschichte, die Ur-Legende des Festivals quasi. Also: Helmut Viertl, seines Zeichens Gerichtsvollzieher aus Neumarkt in der Oberpfalz, wurde Anfang der 1960er Jahre nach Burghausen versetzt. Dass er von dem Ort an der Salzach begeistert gewesen war, lässt sich nicht behaupten – „ein furchtbares Nest“. Doch Viertl war nicht nur ein „leidenschaftlicher Jazzfan“, wie Andreas Bentlage, Pressesprecher der IG Jazz, sagt, sondern auch ein Macher. 1968 hob Viertl, der zuvor schon den angesehenen „Birdland“-Club in Neuburg an der Donau gegründet hatte, also den ersten Jazzclub Burghausens aus der Taufe.
Ende 1969 lud er dann den Münchner Saxofonisten und Jazzpädagogen Joe Viera zu einem Vortrag ein. Und da vom Burghauser Endbahnhof (nicht nur damals) die Züge selten fuhren und Viera außerdem noch einen verpasste, hatten die beiden Männer am darauffolgenden Tag viel Zeit, um sich an den Gleisen auszutauschen. Viertl erzählte Viera von seinen großen Plänen mit dem Jazz in Burghausen und der Münchner bekundete spontan: „Ich mach mit“. Als die beiden Männer mit ihren Ideen zum damaligen Bürgermeister Georg Miesgang gingen, so erzählt es Herbert Rißel, sagte der: „Geld hab ich keins, aber den Stadtsaal könnt ihr haben.“ Einige Monate später, im März 1970, fand die erste Burghauser Jazzwoche statt.
25 Jahre stand Helmut Viertl neben dem künstlerischen Leiter Joe Viera als Organisations-Chef in der ersten Reihe des Festivals. Ein Festival, das nicht gleich ein Erfolg war, wie der jetzige IG Jazz-Vorsitzende Herbert Rißel sagt. Aber Viertl habe nicht nur „sehr viele Ideen gehabt“, sondern auch „großes Durchhaltevermögen“. So konnte die Jazzwoche zu einem Festival reifen, bei dem sich die internationalen Superstars der Szene von Chet Baker über Dave Brubeck bis hin zu Jamie Cullum das Mikrofon in die Hand geben, das gestützt von den vielen freiwilligen Helfern aber doch immer noch familiär geprägt ist.
Helmut Viertl, der selbst in den 50ern Vibrafon in einer Jazzband spielte, zeichnete sich laut Rißel durch sein „großes musikalisches Verständnis“ und seine Leidenschaft für die Musik aus. Andreas Bentlage beschreibt, wie er mit Viertl einst durch die „Street of Fame“ in den Grüben ging. „Wie er da an jeder Platte in Erinnerungen geschwelgt ist, das hat mich berührt und beeindruckt.“
Viertl war dabei immer auch ein Mann für die Details. „Da ist er doch immer Beamter geblieben“, sagt Herbert Rißel, der sich noch genau daran erinnert, wie man etwa beim Entwerfen der Plakate mit dem Pagemaker 1.0 einst um jedes Zehntel Schriftgröße gefeilscht hat.
Den Keller seines Burghauser Hauses hat Viertl als Archiv der Jazzgeschichte seiner Wahlheimat eingerichtet und auch bei der Jazzwoche war das Ehrenmitglied immer wieder anzutreffen. Als kritisch-wohlwollend Begleiter? „Eher kritisch als wohlwollend“, antwortet Herbert Rißel und lacht.
Dominik Schweighofer
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