Im Zeichen des Klimawandels
Der „Klimawald“ erfordert ein aktives Umsteuern

Waldbesitzer müssen auslichten – Bayerische Staatsforsten geben Hinweise – Holzgeschäft verläuft positiv

25.02.2024 | Stand 25.02.2024, 19:00 Uhr

Auch die Bayerischen Staatsforsten schützen auf größeren Flächen Jungpflanzen mit Kunststoff-Manschetten vor Verbiss, so wie es hier in einem Privatwald in Pleiskirchen zu sehen ist.  − Fotos: Dietmar Fund

Die Waldbesitzervereinigung Altötting-Burghausen e.V. (WBV) hat seit der letzten ihrer alle zwei Jahre stattfindenden Mitgliederversammlungen die Schwelle von 2000 Mitgliedern deutlich übersprungen. Ihre derzeit 2056 Mitglieder bewirtschaften 10968 Hektar Wald.

Diese vermarkteten über die WBV 2022 insgesamt 49788 Festmeter Holz und 2023 insgesamt 39115 Festmeter. Außerdem lieferten sie 2022 14201 Schüttraummeter Hackschnitzel ans Energiesparwerk in Altötting; 2023 waren es 15517 Schüttraummeter. Der WBV ist es gelungen, den Holzpreis bei mehr als 100 Euro pro Festmeter zu halten, obwohl Großsägewerke versuchten, wegen der Flaute am Bau den Preis zu drücken. Die Holzpreise werden 2024 voraussichtlich stabil bleiben. Diese positiven Nachrichten überbrachte Georg Ertl, 1. Vorsitzender der WBV, am Freitagabend im fast voll besetzten Saal des Gasthauses Reiterhof in Teising. Er lobte dort den „Waldpakt“ der Bayerischen Staatsregierung vom Juni 2023 und „die gute bayerische Forstpolitik“ und kritisierte Planungen der EU und der Bundesregierung, die einseitig auf Extensivierung und den Naturschutz ausgerichtet seien. Dabei seien die Waldbesitzer im Klimawandel nicht Teil des Problems, sondern vielmehr „ein unverzichtbarer Teil der Lösung“.

Wie dieser Anteil aussehen könnte, schilderte Dr. Heinz Utschig, Leiter des Forstbetriebes Wasserburg der Bayerischen Staatsforsten. Sie bewirtschaften zwischen dem Ebersberger Forst und dem Forst im Landkreis Altötting sowie den Auwäldern am Inn insgesamt 19200 Hektar und schlagen 162000 Festmeter Holz pro Jahr ein. Die 70 Mitarbeiter Utschigs investieren rund 17000 Stunden im Jahr nur für die Borkenkäfer-Suche und setzen zwischen 100000 und 150000 Pflanzen pro Jahr, um den „Brotbaum“ der Region, die Fichte, durch einen „Klimawald“ zu ersetzen.

Warum dies nötig ist, belegte der Referent mit Aufzeichnungen von Durchschnittstemperaturen und der Wasserversorgung in der Region. Sie zeigten, dass die „vieljährigen Mittelwerte der Lufttemperatur“ in Mühldorf im Jahr 2020 mit 8,8 Grad um 1,5 Grad höher lagen als 1975 und in Simbach am Inn mit 9,4 Grad noch etwas höher. Seither steigen sie weiter.

Die Trendkurve der Niederschläge im Winterhalbjahr zeige nach unten und die im Sommerhalbjahr tue dies noch deutlicher. Außerdem nähmen die Trockenphasen im Sommer zu, was die Ausbreitung des Borkenkäfers begünstige. Die Niederschlagsverteilung werde ungünstiger und die Extremereignisse nähmen zu.

„Der Fichte geht es daher immer schlechter und nur eine Mischung macht den Stress erträglicher“, lautete die Zwischenbilanz des Forst-Fachmanns. „Ein Klimawald ist ein vielfältig gemischter Wald, bei dem die Fichte zur Begleitbaumart wird und sich zur robusteren Tanne ein Quartett aus Buche, Douglasie, Bergahorn und Edelkastanie gesellt.“ Weil eine Baumart allein immer ein Risiko darstelle, könne es nicht darum gehen, die Fichte zum Beispiel nur durch Buchen zu ersetzen, obwohl Buchen in der Region im Jahr 2100 ein geringes Risiko hätten.

Weil man vom Borkenkäfer befallene Fichten sofort entnehmen müsse, könne man nicht einfach neue Sorten unter die Fichtenbestände pflanzen. Bei einem Borkenkäfer-Befall seien Harvester und andere moderne Technik „der Freund des Waldes und nicht sein Feind“, sagte Utschig und wandte sich damit persönlich an Gerhard Merches, den erstmals teilnehmenden Vorsitzenden der Kreisgruppe Altötting des Bundes Naturschutz. Ohne Harvester-Unterstützung und die Lagerung von Borkenkäfer-Holz ließen sich Kalamitäten nicht bewältigen.

Utschig betonte, dass die Waldbesitzer ohne Naturverjüngung, also das Nachwachsen von weder ausgesäten noch gepflanzten Sprösslingen, keine Flächenwirkung erzielen könne. Daher sollten die Waldbesitzer ihre Fichtenbestände nicht nur durch die Entnahme von „dünnen Stangerln“ lichten, sondern regelmäßig auch 50 bis 60 Jahre alte Fichten mit dichten Kronen abholzen, damit Licht auf den Boden falle. Dann verstetige sich nicht nur die Naturverjüngung, sondern auch der Holzertrag und der Bestand sei nicht mehr so anfällig gegen Stürme. Ein „vorratsreicher“ Bestand sei eher dunkel und sein Boden kaum bemoost. Er müsse durch einen „vorratsoptimierten“ Bestand ersetzt werden, der lichter sei. Wenn man schrittweise den Holzvorrat zurücknehme, komme auch die Naturverjüngung schrittweise nach.

„Der Waldbau ist ebenso nötig wie die Bejagung, denn die Zeit drängt“, betonte Utschig. „Durch gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen Waldbauern und Jägern geht der Waldumbau viel langsamer voran.“ Dass die letzte Tanne nicht verbissen werde, lasse sich nie erreichen. Ein Klimawald lasse sich nicht mit umzäunten Flächen allein schaffen, dafür gehe es um viel zu große Flächen. Außerdem solle der Wald nicht abgesperrt werden.

Auf die mit dem Klimawandel verbundenen Herausforderungen waren eingangs auch Landrats-Stellvertreter Hubert Gschwendtner und Dr. Martin Kennel, Bereichsleiter Forst des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Töging, eingegangen. Gschwendtner sagte, Waldbesitzer stünden für „gelebte Nachhaltigkeit“. Kennel kündigte erste Ergebnisse zum gerade laufenden „Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung“ für den Herbst an. Dieses stelle wieder eine wichtige Grundlage für einen „angepassten Wildbestand“ dar.

− dif