Teisendorf/Petting
Wo das Wasser gezähmt wird

Der Surspeicher sorgt für Hochwasserschutz im Unteren Surtal

23.10.2021 | Stand 21.09.2023, 21:44 Uhr

Der Surspeicher ist wichtiger Bestandteil des Hochwasserschutzes. Unterhalb der Sperre befinden sich Betriebsgebäude, Krafthaus und Maschinenhalle. −Foto: Bayerische Landeskraftwerke GmbH

Der plötzliche Ausschlag im Diagramm lässt nichts Gutes ahnen: zwei parallele Linien, die plötzlich steil nach oben zeigen. Sie gehören zu einer Grafik, die Wasser-Zuflussmengen aufzeichnet. Je mehr es regnet, umso deutlicher wachsen die Linien in die Höhe. Bernhard Schultes deutet auf das Diagramm vor sich am Bildschirm, fährt den Ausschlag mit dem Finger nach und sagt: "Das war das Starkregenereignis vom 17./18. Juli. Wir haben genau gesehen, wie das Wasser an den Pegeln steigt." Als Betriebsleiter kümmert sich Schultes um die Wartung und Instandhaltung des Surspeichers. Die Anlage ist wichtiger Bestandteil des Hochwasserschutzes für die Gemeinden Petting und Saaldorf-Surheim sowie die Stadt Freilassing. Betreiber des Surspeichers ist das Wasserwirtschaftsamt Traunstein.

Bau als Konsequenz aus großen Überflutungen

Schultes sitzt am Rechner in seinem Büro. Auf der elektronischen Schautafel hinter ihm leuchten Lämpchen und blinken Zahlen. Reihenweise stehen beschriftete Ordner in einem Regal. Das Büro ist im Betriebsgebäude des Surspeichers untergebracht, zu dem auch das Krafthaus mit seinen zwei Turbinen und die Maschinenhalle gehören. Die drei Häuser liegen am Ende einer winzigen Straße, die sich durchs Tal schlängelt. Hinter ihnen ragt mächtig der Schutzdamm auf: 26 Meter hoch, terrassiert und mit einer Wiese begrünt, auf der regelmäßig Schafe weiden. Still ist es hier und beinahe ein wenig einsam. Doch die Abgeschiedenheit seines Arbeitsplatzes stört Bernhard Schultes kein bisschen. Der heute 50-jährige Elektromechaniker-Meister mit Fortbildung zum Wasserkraftingenieur hält seit 15 Jahren die Anlagen in Schuss. Allein fühlt er sich dabei nicht – zumal er mit Anton Singhartinger (60) einen Kollegen an seiner Seite hat, der seit knapp 30 Jahren hier arbeitet und die gesamte Anlage bestens kennt.

1968 ging der Surspeicher nach dreijähriger Bauzeit in Betrieb. Der Freistaat Bayern hatte den 13 Millionen Mark teuren Bau beauftragt, als Konsequenz aus den großen Überflutungen, die die Region in den 1950er-Jahren heimgesucht hatten. Damals war die Sur mehrfach übers Ufer getreten, hatten die Hochwasser für hohe Schäden gesorgt. Mit seinen Möglichkeiten, Wasser zu stauen und kontrolliert abzugeben, sollte der Surspeicher die Gefahr mindern und den Menschen ein Gefühl von mehr Sicherheit bringen. Die dazugehörige Wasserkraftanlage betreibt die "Bayerische Landeskraftwerke GmbH". Das Kraftwerk verfügt über zwei Turbinen. Sie liefern, bei einer Ausbauleistung von 250 Kilowatt, pro Jahr eine Gigawattstunde Strom. Lediglich drei Prozent davon werden für den Betrieb des Surspeichers genutzt. Der Rest wird ins Stromnetz eingespeist und kann rund 200 Haushalte versorgen.

Ventile regeln den Wasserabfluss

Das Herzstück der Hochwasser-Schutzanlage bildet der 242 Meter lange Erddamm. In seinem Inneren sorgt ein Lehmkern für Dichtigkeit. Außerdem auch ausbetonierte Bohrpfähle, die bis zu 14 Meter tief in den Boden des Surbeckens abgeteuft sind, sowie eine Lehmschicht, die unter den See geführt wird. Das am Damm aufgestaute Wasser kann über drei Kanäle geregelt abgelassen werden. Im Normalbetrieb fließt das Wasser über den Betriebsauslass in unterirdische Rohre und weiter zu den beiden Turbinen. Bei Hochwasser öffnen Schultes und Singhartinger zunächst den Grundablass, zur Anlagensicherheit steht dann noch die Hochwasserentlastung zur Verfügung. Sie besteht aus einem Wehr mit aufgesetzter Wehrklappe und Schussrinne. Über beide Ventile kann das Wasser seitlich am Damm ablaufen. Es fließt in ein Tosbecken und von dort zurück in die Sur.

Wann welcher Abfluss geöffnet werden muss, leiten die beiden Männer von der Fließgeschwindigkeit des Wassers ab und vom Pegel in Brodhausen. Er ist der Steuerungspegel für den Hochwasserschutz im Freilassinger Norden. Gespeist wird die Leitwarte am Surspeicher zusätzlich mit Daten von den Pegeln in Hammer, Teisendorf, Ammerberg und Thundorf und zwei Niederschlagsmessstellen an der Nordseite des Teisenbergs.

Regelmäßige große Inspektionen

Es ist ein weitverzweigtes, vielfach unterirdisches System, das Bernhard Schultes und Anton Singhartinger betreuen. Physikalisches Wissen müssen sie mitbringen, viel Verständnis für technische Zusammenhänge und eine gute Portion Geschicklichkeit im Umgang mit Maschinen und deren Wartung. Damit alles in Schuss bleibt und reibungslos funktioniert, kontrollieren die beiden Männer regelmäßig die Anlagen. Dabei gilt: Was selbst repariert werden kann, wird selbst repariert. "Wenn etwas kaputtgeht, überlegen wir, wie wir es selbst wieder funktionstüchtig machen können", sagt Schultes – und öffnet beim Rundgang über das Gelände auch die Tür zu einer kleinen Werkstatt.

Doch natürlich gibt es auch regelmäßig große Inspektionen: Das Landesamt für Umwelt hat die technische Aufsicht für den Surspeicher unter sich. Die Behörde beauftragt alle 15 bis 20 Jahre externe Ingenieurbüros für eine vertiefte Überprüfung, die im Schnitt zwei bis drei Jahre dauert und alle Bestandteile der Anlage auf das Genaueste untersucht, um einen sicheren Betrieb weiter zu gewährleisten. Denn der Surspeicher ist ein wichtiger Baustein im Hochwasserschutz für die Region. Die Anlage muss fehlerfrei laufen, wenn Starkregen die Pegel steigen lässt und Bernhard Schultes die Anlage fest im Blick hat.

− red