Passau
Wirtschaftsschule bekommt kaum Nachwuchs

20.07.2020 | Stand 20.09.2023, 3:30 Uhr

"Das gehört auf neue Füße gestellt": Robert Lindner hofft, dass die von ihm geleitete Passauer Wirtschaftsschule künftig schon ab der fünften Klasse beginnen kann. −Foto: Privat

Die Bayerische Wirtschaftsschule steckt als Schulform in einer verzwickten Lage. "Die Bayerische Wirtschaftsschule steht aufgrund struktureller Bedingungen und durch die Auswirkungen der Corona-Krise vor existenziellen Herausforderungen" – mit diesen Worten wird in einer Pressemeldung Randolf John zitiert, Referent für Wirtschaftsschulen des Verbandes der Lehrer an beruflichen Schulen in Bayern (VLB). Auch in Passau hat sich die Krise schon bemerkbar gemacht: Bislang sind kaum Kinder für einen Übertritt im Schuljahr 2020/21 gemeldet. Robert Lindner, Leiter der Passauer Wirtschaftsschule, wünscht sich nun Veränderungen.

Anders als an vielen vergleichbaren Einrichtungen startete die Passauer Wirtschaftsschule bislang erst mit der siebten statt mit der sechsten Jahrgangsstufe. "Heuer wollten wir zum ersten Mal mit einer sechsten Klasse starten", sagt Lindner. Derzeit sei aber noch nicht klar, ob dieses Vorhaben wirklich umsetzbar ist. Denn die Anmeldungen sind weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

Derzeit rechne Lindner nur mit acht Sechstklässlern. "Zum Starten hätten wir uns eigentlich 20 Schüler gewünscht", verrät der Wirtschaftsschulleiter.

Das große Problem: Für die Mindestgröße von Klassen gibt es einen Richtwert von 16 Schülern. Damit eine achtköpfige Klasse unterrichtet werden darf, braucht es nun eine Sondererlaubnis. Die liege derzeit noch nicht vor. "Wir hoffen aber auf eine Ausnahmegenehmigung durch das Ministerium wegen Corona."

Die Form der Bayerischen Wirtschaftsschule ist eine Ausnahme. Von allen weiterführenden Schularten, die zur mittleren Reife führen, ist sie die Einzige, die frühestens mit der sechsten Jahrgangsstufe beginnt. Die Kinder wechseln also nach der Grundschule zuerst auf eine andere weiterführende Schule.

Darin sehen sowohl er als auch der VLB ein großes Problem. "In einem Umfeld der Unsicherheit suchen Elternschaft und Schülerschaft insbesondere in diesem Schuljahr nach Sicherheit und Stabilität. Die ansonsten zur Wirtschaftsschule vorgenommenen Anmeldungen blieben daher in einem außergewöhnlich hohen Maße aus", schreibt der VLB.

Dazu komme laut Lindner, dass die Passauer Wirtschaftsschule ihre Schüler "in der Regel aus den Mittelschülern" rekrutiere. "Das werden auch immer weniger. Die sind fast alle vorher am Gymnasium oder an der Realschule."

Die VLB schlägt nun zwei Maßnahmen vor, um dem Problem zu begegnen. Zum einen soll, wie auch Lindner hofft, die Bildung selbstständiger Klassen, die unter der Richtzahl liegen, "großzügig vorgenommen" werden. Zum anderen wünscht sei der späte Zugang zum Angebot der Wirtschaftsschule "mittelfristig" aufzuheben und "den nächsten Schritt in Richtung Jahrgangsstufe 5 zu gehen".

Lindner unterstütze diese Vorschläge unbedingt: "Wir würden das sehr begrüßen. Dann hätten wir die gleichen Chancen wie die Realschule und das Gymnasium." Schließlich ist früher auch die Realschule zunächst vierstufig gewesen, sie begann erst mit der sechsten Klasse. "Dann wurde sie sechsstufig und die Schüler konnten nach der vierten Stufe schon wechseln", erklärt Lindner. "Aber bei der Wirtschaftsschule blieb das alte System. Das gehört jetzt auf neue Füße gestellt."

Das würde auch den Kindern zugute kommen: "So wäre auch eine bessere Förderung der Schüler möglich, da wir dann gerade in den allgemeinbildenden Fächern wie Deutsch und Mathematik die Schüler besser auf die Anforderungen in den höheren Klassen vorbereiten könnten."