Wenn man bei Google "Lehrer-Chef" eingibt, spuckt die Suchmaschine viele Artikel aus, in denen es um ihn geht: Heinz-Peter Meidinger, Leiter des Deggendorfer Gymnasiums und Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Zum Schuljahresende geht Meidinger in Pension, am Mittwochnachmittag wurde er am Robert-Koch-Gymnasium verabschiedet.
Wenn Deutschlands bekanntester und einflussreichster Lehrer in den Ruhestand geht, dann ist das nicht nur ein Ereignis für die Schulfamilie: Kultusminister Michael Piazolo kam zwischen einer Pressekonferenz zur Lehrerversorgung im kommenden Schuljahr und der Fernsehsendung "Jetzt red i" nach Deggendorf zum Festakt.
Seit 17 Jahren leitete Meidinger das Robert-Koch-Gymnasium. In Deggendorf war der Lehrer für Deutsch und Geschichte sogar 23 Jahre; von 1997 bis 2003 unterrichtete er am Comenius-Gymnasium. Schon seit den 80er Jahren ist Meidinger verbandspolitisch aktiv, 2004 wurde er Vorsitzender des Deutschen Philologenverbands, der die Interessen der deutschen Gymnasiallehrer vertritt. Seit 2017 ist er nun Präsident des Deutschen Lehrerverbands, ein Dachverband mehrerer Lehrerverbände.
Meidinger vertrete ein humanistisches Bildungsideal und leite daraus eine Schullandschaft ab, "die ausdifferenziert, leistungs- und begabungsorientiert" sei, sagte Minister Piazolo in seiner Ansprache. Meidinger sei ein "Antreiber der Digitalisierung", der aber auch "formuliert, dass Digitalisierung nicht alles ist". Piazolo ging auch kurz auf einen der größten Streitpunkte der Bayerischen Schulpolitik der vergangenen Jahre ein, das achtstufige Gymnasium. Als Verbandspolitiker sei Meidinger immer ein Verfechter des G9 gewesen, als Schulleiter habe er dagegen das G8 gut umgesetzt.
Piazolo war freilich nicht der einzige Minister bei der Verabschiedung, auch sein Vorgänger Bernd Sibler, heute Wissenschaftsminister, war gekommen. Auf dem Papier war Meidinger 17 Jahre sein Chef: Sibler ist beurlaubter Lehrer des Robert-Koch-Gymnasiums. Kennengelernt habe er Meidinger schon 1996 als Referendar in Eggenfelden, berichtete Sibler. Meidinger war ein halbes Jahr sein Betreuungslehrer in Geschichte. Zur bildungspolitischen Bedeutung Meidingers zitierte Sibler aus einem Porträt der Wochenzeitung "Die Zeit", der scheidende Roko-Chef sei "der heimliche Kultusminister in Deutschland".
Und das wird er auch nach der Verabschiedung in den Ruhestand bleiben, den sein Amt im Verband wird er vorerst behalten. "Wie soll ich eine Abschiedsrede halten, wenn er uns erhalten bleibt", meinte deshalb auch Michael Schwägerl, der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbands. Er lobte Meidingers Fähigkeit, "Dinge auf den Punkt zu bringen und zuzuspitzen, ohne zu verletzen".
Landrat Christian Bernreiter wies in seinem Grußwort auf seine engen Beziehungen zur Schule hin: Wie Django Asül und Florian Pronold sei auch er ein "Robert-Kochler". Meidinger habe ein Gespür dafür, Menschen mitzunehmen und zu begeistern, stellte der Landrat fest. "Ihre Stärke ist, dass sie Teams formen." Bernreiter erinnerte an den Neubau des Gymnasiums. Das Robert-Koch sei ein "Vorzeigeobjekt, baulich und auch schulisch". Auch OB Christian Moser betonte, wie wichtig der Neubau für die Stadt ist.
Nach den Grußworten und Reden der Politiker verabschiedete sich die Schulfamilie von ihrem Chef. Mehrere Lehrerinnen nahmen in einer umgedichteten Form des Zauberlehrlings als "seine Geister" die kleinen Schwächen aufs Korn ("Wenn er fährt, ist’s wie fliegen", im Laufe des Vormittags im Laufschritt in die Schule hetzten). Und dann – "Oh du Ausgeburt der Hölle" – schwebt ein riesiges Corona-Virus über der Szene, das ruhige letzte Tage unmöglich macht.
Die drei Schülersprecher Hanna Käspeitzer, Carlos Santamaria und Marco Schmidt brauchen nur einen Satz, um eine Ahnung davon zu vermitteln, wie das Verhältnis des Chefs zu seinen Schülern – und umgekehrt − war: "Wenn’s da Huber nicht erlaubt, geht’st halt zum Meidinger." Als "Fundament und Grundgerüst der wunderbaren Schulfamilie" lobten sie ihn. Stellvertretend für alle Schüler hat die Klasse 10b per Video gedankt.
Auch die Elternbeiratsvorsitzende Christine Zich erzählte eine kleine Episode, die Meidinger ganz gut charakterisiert. Am ersten Schultag ihres Sohnes in der fünften Klasse habe sie sich über dessen schwere Schultasche empört und im Gymnasium angerufen. Die Sekretärin verband sie mit dem Chef, der sich viel Zeit nahm und sich ihre Argumente anhörte. Zum Schluss gab ihr Meidinger den Rat, sich an den Landtagsabgeordneten zu wenden, "es wirkt besser, wenn sich die Eltern beschweren". Bernd Sibler habe sie dann "mit Zahlen und Fakten schachmatt gesetzt" und ihr auch noch einen Rat gegeben: "Gehen Sie in den Elternbeirat, wenn Sie etwas bewegen wollen."
Zum Ende des Festakts, der wegen der Corona-Vorgaben in vergleichsweise kleinem Kreis stattfinden musste, dankte Meidinger allen vom Minister bis zum Reinigungspersonal an der Schule und seiner Frau Kornelia Dannenböck, die ebenfalls Gymnasiallehrerin ist, und der erwachsenen Tochter Julia.
Medinger beendete die Veranstaltung mit dem Satz "Ich bin dann mal weg!" Tatsächlich ist er aber noch bis 31. Juli als Chef am Robert-Koch vor Ort.
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