Deggendorf
Deggendorfer arbeiten an Kernfusion mit

24.05.2020 | Stand 20.09.2023, 22:54 Uhr

Satte 1350 Tonnen wiegt die "Base Section", das schwerste Einzelbauteil des Kernfusions-Projekts Iter. Die Mitarbeiter der Deggendorfer MAN Energy Solutions haben jetzt diese Kernkomponente ebenso wie den "Upper Cylinder" im südfranzösischen Cadarache fertig montiert. −F.: MAN ES

Energie-Probleme könnten in der Zukunft mit Kernfusion gelöst werden. Um in dieser Richtung weiter entwickeln zu können, wird in Cadarache in Südfrankreich in einer weltweiten Kooperation der Versuchsreaktor "Iter" (lat. der Weg; International Thermonuclear Experimental Reactor) gebaut. Als einzige deutsche Firma ist daran die Deggendorfer frühere Schiffswerft, heute MAN Energy Solutions, beteiligt – mit einem Auftragsvolumen in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags (DZ berichtete). Gerade haben die Mitarbeiter der Firma in Südfrankreich zwei gewichtige Kernkomponenten fertig montiert: Die "Base Section" und den "Upper Cylinder".

Insgesamt beteiligen sich an dem Projekt 35 Länder, deren Regierungen und Projektanten zusammen rund 20 Milliarden US-Dollar in die Entwicklung der Kernfusion investieren. 2012 begannen die ersten Bauarbeiten auf dem Gelände in der Nähe von Marseille, seit 2014 wird das Reaktorhaus gebaut. 2025 will man das erste Fusionsplasma erzeugen.

Die Deggendorfer haben nicht nur den Auftrag, mehrere Hauptkomponenten für den Versuchsreaktor zu fertigen und zu liefern. Sie sind auch vor Ort, um dessen 30 Meter hohes, rund 3500 Tonnen schweres Außengefäß mit 30 Metern Durchmesser und 16000 Kubikmetern Volumen, den Kryostat, in vier Bauabschnitten zusammenzusetzen. Dieser stellt später einmal die ultrakalte Vakuum-Umgebung her, die für die Funktion der supraleitenden Spulen notwendig ist. Die insgesamt 54 Einzelteile des Kryostats werden von der indischen Firma Larsen & Toubro gefertigt und in deren Auftrag von MAN Energy Solutions auf der Baustelle montiert.

Die "Base Section", die jetzt fertig geworden ist, ist mit 1350 Tonnen Gewicht das schwerste Einzelbauteil des gesamten Projekts. "Wir sind sehr stolz, dass wir diese jetzt erfolgreich montieren konnten", sagt Norbert Anger, Leiter von MAN Energy Solutions in Deggendorf, dem Standort, an dem das das Iter-Projekt innerhalb des Unternehmens maßgeblich betreut wird. "Zur Montage setzen unsere Mitarbeiter vor Ort speziell entwickelte Schweißverfahren ein, die unser Know-How in der komplexen Edelstahlverarbeitung erneut unter Beweis stellen."

Der "Lower Cylinder" war bereits fertig. Nach der "Base Section" und dem "Upper Cylinder" geht es nun an den Zusammenbau des "Top Lid", der vierten und letzten Hauptkomponente des Kryostaten. Ab dem Spätsommer sollen die vier Komponenten zusammengesetzt werden.

Innerhalb des Kryostaten sollen, wenn alles fertig ist, im Vakuum des Reaktors die Atomkerne der Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium zu Helium verschmelzen. Dabei entsteht sehr große Hitze, aus der Energie gewonnen werden kann – nach diesem Prinzip funktionieren auch die Sonne und andere Sterne. Laut MAN Energy Solutions kann mit einem Gramm Fusionsplasma so viel Energie gewonnen werden wie mit zwölf Tonnen Kohle. Norbert Anger: "Für uns ist es eine besondere Ehre, am ambitioniertesten Energieprojekt der Welt beteiligt zu sein. Wir tragen dazu bei, die Quelle der Sonnenenergie auf die Erde zu holen und so CO2-freie Energie in riesigen Mengen zu erzeugen." Das könnte, davon ist der Standortleiter überzeugt, die Energiegewinnung revolutionieren.

− kw