Bis 2023 soll er in St. Louis ein MLS-Team formen
Wieso Lutz Pfannenstiel jetzt für einen Klub arbeitet, den es noch gar nicht gibt

18.08.2020 | Stand 19.09.2023, 1:43 Uhr

Sein erstes Foto als Sportdirektor bei St. Louis SC: Lutz Pfannenstiel hat am Dienstag offiziell seine neue Arbeitsstelle angetreten. Mit einem Protz-Video sorgte Pfannenstiels neuer Arbeitgeber bereits am Montagabend im Internet für Aufsehen. −Fotos: St. Louis SC

Er starte mit einem weißen Papier, sagt er. "From the scratch", wie der Amerikaner es ausdrückt. Von Null. Doch genau das habe ihn gereizt, sagt Lutz Pfannenstiel (47), als er am Dienstnachmittag deutscher Zeit als Sportdirektor von St. Louis SC vorgestellt wird. Der Zwiesler soll die Fäden ziehen bei einem Klub, den es so noch gar nicht gibt. 2023 will das Franchise in die Major League Soccer (MLS) einsteigen. Für die Lizenz reicht in den USA in erster Linie Geld. Pfannenstiel soll das sportliche Gerüst dahinter aufbauen.

Von all den Optionen, die der Niederbayer nach seinem Vertragsende bei Fortuna Düsseldorf im Mai hatte, ist das Projekt im US-Bundesstaat Missouri das unkonventionellste. Inter Mailand hatte Interesse an Pfannenstiel, ebenso wie Besiktas Istanbul, Newcastle United und einige deutsche Profi-Klubs. Der Weltenbummler entschied sich für St. Louis, Fußball-Diaspora. Noch.

"Es ist eines der aufregendsten Projekte der Fußballwelt. Ich habe mich in das Projekt verliebt", sagt Pfannenstiel. Dabei gibt es noch gar nicht viel, in das er sich verlieben könnte. Das Trainingszentrum ist noch nicht fertig, ein Stadion mit 22500 Plätzen gibt es nur auf Plänen. "Das hat mich angefixt", sagt der 47-Jährige. "Wir fangen bei Null an und können eine eigene Philosophie und DNA aufbauen." Erster sportlicher Schritt soll die Gründung eines U15-Teams mit regionalen Talenten sein. "Wir wollen Jungs aus der Gegend die Chance bieten, sich ihren Traum von der MLS zu erfüllen." Und welche Visionen hat Pfannenstiel?

Vorbild soll der Fußball sein, den Julian Nagelsmann mit RB Leipzig gerade spielen lässt. Schnelles Umschalten, eine gepflegte Spielkultur. "Ich hasse Fußball, der nur auf langen Bällen basiert", sagt Pfannenstiel, der in seiner achtjährigen Zeit als Chef-Scout bei Hoffenheim selbst schon mit Nagelsmann zusammengearbeitet hat.

"Ich sehe mich hier als Sportarchitekt

Gut möglich, dass der einstige Weltenbummler auch in St. Louis einige Jahre verbringen wird: "Ich sehe mich hier als Sport-Architekt und das für eine lange Zeit." Immerhin wird er die nächsten drei Jahre damit verbringen, ein MLS-Team aufzubauen. Danach will er es dort etablieren und seinen Teil dazu beitragen, dass die Liga an internationalem Ansehen gewinnt: "Die MLS ist schon jetzt die aufregendste Fußball-Liga außerhalb Europas." Gerade, wenn es auf die WM 2026 in den USA zugehe, werde deren Popularität noch einmal steigen, glaubt er.

In der 320000-Einwohner-Stadt, die vor allem für Eishockey und Baseball bekannt ist, hat Pfannenstiel mit dem Fußballklub Großes vor. Das zeigt schon das Video, mit dem der neue starke Mann auf den Franchise-Kanälen vorgestellt wurde: Dicke Sonnenbrille, noch dickere Karre, lässige Pose. Bayerwäldlerische Bescheidenheit sieht anders aus.



Die Vorschusslorbeeren, die Pfannenstiel in den USA erhält, sind riesig: "Lutz bringt ein unvergleichliches Level an internationaler Fußball-Expertise mit", sagt Carolyn Kindle Betz, die Geschäftsführerin des Projekts. Sie habe ihn mit ihrer Vision eines diversen, inklusiven und weltoffenen Fußballklubs überzeugt, erzählt Pfannenstiel.

So hat er sich gegen einen großen Namen entschieden – und für die größte Herausforderung. "Ich wollte zu keinem Klub, bei dem ich bereits feste Strukturen vorfinde", sagt er. In St. Louis kann er diese selbst entwickeln. Bei einem Projekt, das noch nicht viel mehr ist als ein weißes Blatt. Er kann es nun beschreiben – "from the scratch".