Wie geht’s weiter? Löw weicht aus – und Deutschland sucht den Torjäger

08.07.2016 | Stand 18.09.2023, 23:38 Uhr

Der Stachel sitzt noch tief: Joachim Löw. − Foto: dpa

Einen Plan B gab es offensichtlich nicht. "Wir haben im Vorfeld nicht darüber gesprochen, was wir machen, wenn wir verlieren", räumte Joachim Löw nach dem bitteren Halbfinal-Aus gegen Frankreich ein. Und der Bundestrainer weigerte sich, unter den Emotionen des plötzlichen K.o-Schlags Zukunftsfragen zu beantworten. "Da sitzt der Stachel doch noch tief", wich der 56-Jährige aus. In ein paar Tagen will Löw mit seinem Stab eine "kurze Analyse" des Turniers abhalten: "So viele Fehler habe ich jetzt nicht festgestellt. Es war eine tolle Mannschaft." Auch Teammanager Oliver Bierhoff sah keinen Grund für Irritationen und Spekulationen: "Ich gehe davon aus, dass es so weiter geht." Für ihn ist klar, dass Löw, wie vertraglich vereinbart, bis zur WM 2018 in Russland weiter arbeitet.

Eine Erkenntnis dürfte auch Löw gewonnen haben: Ohne Stürmertore geht es nicht. Den einzigen Volltreffer für Deutschland nach dem 0:2 gegen Frankreich landete Mats Hummels in der Spielanalyse. Als der gesperrte Abwehrmann in den Stadionkatakomben gefragt wurde, ob er mehr gefehlt habe oder der verletzte Mario Gomez, kam die Antwort von Hummels blitzschnell: "Mario! Wir haben defensiv keinen schlechten Job abgeliefert. Es hat vor allem einer gefehlt, der den Ball reinschießt."

Die Torarmut war das Kardinalproblem des Fußball-Weltmeister im EM-Halbfinale – aber eben nicht nur da: Sieben Tore in sechs Turnierspielen sind viel zu wenig für einen EM-Triumph. Viel Ballbesitz, viel Anrennen, genug Chancen – aber kaum Ertrag.

Am Sieger ließ sich der Unterschied dokumentieren. Antoine Griezmann bezwang Manuel Neuer zweimal. Mit sechsToren ist Frankreichs neuer Superheld vor dem Finale der erfolgreichste EM-Torschütze. In Joachim Löws Truppe traf allein Gomez doppelt. Mesut Özil und Julian Draxler sorgten für zwei weitere Treffer der stumpfen Abteilung Attacke. "Ich will nicht sagen, dass es Unvermögen war", urteilte Torwart Manuel Neuer: "Wir haben vor dem Tor ein bisschen Pech gehabt."

Pech, Unvermögen, Formkrisen, Totalausfälle – es kam viel zusammen. "Wenn man uns was vorwerfen kann, dann, dass wir bei diesem Turnier nicht ganz so kaltschnäuzig waren und unsere Möglichkeiten nicht so konsequent genutzt haben wie vor zwei Jahren", benannte Toni Kroos den wohl markantesten Unterschied zur WM. In Brasilien gab es 18 Tore in sieben Partien, 13 der Offensivspieler, allein fünf von Thomas Müller. Auch Standards waren eine Stärke beim Titelgewinn 2014.

Effektivität ist eben auch ein Gütesiegel. Sie fehlte dem deutschen Team nicht erst in Frankreich. Der Chancenwucher zog sich schon durch die gesamte holprige EM-Qualifikation. Bundestrainer Löw monierte die Abschlussschwäche immer wieder. Sie zu beheben, wird eine seiner Hauptaufgaben auf dem Weg zur WM 2018 in Russland sein.

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