Biathlon
Verletzter Johannes Kühn trotz Zwangspause kämpferisch: "Motivation ist da – ich werde sicher wieder angreifen"

24.12.2016 | Stand 18.09.2023, 20:16 Uhr

Leichtes Laufen auf Skiern geht schon wieder bei Johannes Kühn, hier voriges Wochenende beim "Gesundheitssport" in Ramsau am Dachstein. Der rechte Arm des Biathleten ist mit einer Manschette fixiert, um die lädierte Schulter zu entlasten. In der linken Hand hält er einen Skistock. − Foto: Franz Kühn

Kaum etwas ist für Sportler nerviger, als wegen einer Verletzung untätig sein zu müssen. So ergeht es seit Wochen auch dem Tüßlinger Biathlonprofi Johannes Kühn. In der Endphase der Saisonvorbereitung hat er sich im November bei einem Sturz beim Langlauf-Training schwer an der rechten Schulter verletzt. Der Weg zum Comeback ist für den Weltcup-erprobten 25-Jährigen allerdings mühevoll. Ob es in diesem Winter überhaupt noch mal mit einem Wettkampf klappt, scheint fraglich. Gegenüber heimatsport.de erzählte Kühn, wie er mit seiner langen Zwangspause umgeht, was seine Pläne sind – und warum es ihm heuer an den Feiertagen fast zu ruhig ist.

Um mal ganz banal zu beginnen: Wie geht’s Ihnen denn so, Johannes?

Johannes Kühn: Danke der Nachfrage, so weit ganz gut. Die OP ist gut verlaufen und die Reha macht Fortschritte. Es könnte natürlich immer besser – und schneller – gehen, aber ich habe das Gefühl, es ist etwas besser als 2013 (ähnliche Verletzung nach Sturz im Zielsprint bei EM in Bulgarien, Anm. d. Red.). Das stimmt mich positiv.

Was genau ist in Ihrer rechten Schulter eigentlich alles kaputt?

Kühn: Die genaue Diagnose heißt Schulterluxation mit Labrumabriss. Also: Die Schulter ist ausgekugelt und die "Lippe" um die Schultergelenkspfanne gerissen. Außerdem Abriss des Bizepssehnenansatzes.

Klingt kompliziert. Was tun Sie, um die Schulter wieder in Ordnung zu bekommen?

Kühn: Die ersten sechs Wochen gibt es enge Auflagen der Ärzte, was gemacht werden darf und was nicht. Das war leider noch nicht sehr viel, es geht hauptsächlich um die Wiederherstellung der Beweglichkeit in der Schulter. Nach Weihnachten ist etwas mehr möglich und ich werde dann auch unmittelbar zur stationären Reha gehen. Ansonsten gibt es nicht so viel zu tun – Bewegungsübungen, spazieren gehen, Crosstrainer, Ergometer... Erste Langlaufversuche hab ich auch schon gemacht. Das ist aber kein Training, sondern fällt eher unter die Rubrik "Gesundheitssport". Ich hoffe, dass ich bald wieder Schießen kann. Dann kann ich die Zeit nutzen, um daran noch gezielt zu arbeiten.

Sind Sie dieser Tage und Wochen zu Hause in Tüßling?

Kühn: Ich war die letzten Wochen fast immer daheim, da ich nicht selber Auto fahren konnte und in Altötting Rehamaßnahmen habe.

Was sagen denn die Prognosen der Ärzte?

Kühn: Normalerweise geht man bei Patienten in meinem Alter von drei bis vier Monaten aus, bis die Schulter wieder so einsatzfähig ist wie vorher. Das wäre Anfang März, da ist die Saison schon ziemlich rum. Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber ich kann ja auch nicht so trainieren wie ohne Verletzung. Von daher wird es schwierig, dann nicht nur gesund, sondern auch topfit zu sein.

Arbeiten Sie auf einen konkreten Wettkampf für Ihr Comeback hin?

Kühn: Nein. Als erstes muss die Schulter wieder voll einsatzfähig werden, da will ich auch kein Risiko eingehen, ich brauche die ja noch ein paar Jahre... Ich würde natürlich gerne noch starten am Saisonende, das ist aber aktuell nicht planbar. Der Winter ist noch lang und im April gibt es in Norwegen zumindest noch Langlaufrennen. Das hätte mich die letzten Jahre schon immer gereizt, aber am Ende einer langen Saison hatte ich dann auch irgendwann immer genug vom Schnee. Vielleicht klappt das ja diesmal.

Wie oft haben Sie heuer schon mit Ihrem Schicksal gehadert? Grund genug gäbe es ja.

Kühn: Puh, klar, war alles nicht so leicht. Nach der schlechten zweiten Saisonhälfte 15/16 habe ich über den Sommer gut trainiert und es gab einiges wiedergutzumachen. Ist natürlich schwierig, wenn man jetzt erst wieder ein Jahr trainieren muss... Aber im Moment ist die Situation halt, wie sie ist, da muss ich durch. Die Motivation ist da und ich werde sicher wieder angreifen. Wobei es schon hart ist, die aktuellen Biathlonrennen vor dem Fernseher zu verfolgen.

Sitzen Sie bei den Übertragungen daheim auf dem Sofa und zittern wie ein normaler Fan mit?

Kühn: Ja, so ungefähr. Ich habe nicht alle Rennen gesehen, aber die meisten schon. Für mich ist Biathlon immer noch die spannendste Wintersportart, deswegen muss ich mir das anschauen. Aber es ist bitter, zumal ich das Gefühl habe, hier auch ganz gut mitlaufen zu können.

Im letzten Januar die verflixte Männerstaffel in Ruhpolding, die Ihnen irgendwie einen Knacks gegeben hat, später die verpatzte EM in Russland, zuletzt der Trainingssturz in der Vorbereitung und die OP – würden Sie sagen, 2016 war für Sie sportlich ein "Seuchenjahr"?

Kühn: Es war sicherlich nicht das beste, von den Ergebnissen her eher das schlechteste. Aber bis zur Staffel hatte ich eine sehr gute Form und auch gute Ergebnisse. Ich glaube auch, über den Sommer sehr gut trainiert zu haben. Leider kann ich das jetzt nicht mehr nutzen, da ich 2016 keine Möglichkeit mehr dazu habe. Aber ich hoffe, dass sich das Training trotzdem ausgezahlt hat und ich das dann 2017 bei den Rennen nutzen kann.

Können Sie wenigstens die Zeit um Weihnachten und Silvester mehr als sonst genießen? Schließlich müssen Sie ja diesmal nicht ans Training denken.

Kühn: Normalerweise freut man sich auf die Zeit um Weihnachten, weil man viel unterwegs war und zur Ruhe kommen kann. In diesem Jahr habe ich eigentlich schon genug Ruhe... Aber es ist natürlich trotzdem eine schöne Zeit, in der man auch gerne zu Hause ist. Weihnachten verbringe ich wie immer daheim mit der Familie, Silvester vermutlich mit meinen Trainingskollegen in Ruhpolding.

Was wünschen Sie sich für 2017?

Kühn: Grundsätzlich nicht viel anderes als die letzten Jahre: gesund bleiben und wieder richtig trainieren können. Jetzt erstmal fit werden und dann wieder gut vorbereiten für die Saison 2017/18. Dann bin ich hoffentlich bei Biathlonrennen auch wieder mal im Fernsehen – anstatt nur davor zu sitzen.

Die Fragen stellte: Oliver Wagenknecht