Tricky: Willkommen zur Ein-Mann-Flugshow

01.04.2015 | Stand 01.04.2015, 10:50 Uhr

Mensch oder Flugobjekt? Wenn Andreas Dengel beim Tricking in der Luft ist, dann kann man da schon einmal durcheinanderkommen. Der 22-Jährige hat beim TV Passau die spektakuläre Sportart 2013 eingeführt und vor kurzem erst die Bayerische Meisterschaft hierher geholt. − Foto: Jäger

Draußen rüttelt der Wind kräftig an der Jahnturnhalle. Drinnen wird die altehrwürdige Passauer Halle in der Innstadt von ganz anderen Kräften durchgerüttelt. Die Tricker sind da. Rotzige Punkmusik prügelt durch die Halle, Andreas Dengel atmet tief ein und läuft an...

Martial Arts Tricking oder kurz Tricking heißt die Sportart, die der 22-Jährige 2013 beim TV Passau als neue Sparte eingeführt hat. Sie ist eine spektakuläre Mischung aus verschiedenen Kampfsportarten wie Karate, Kung-Fu und Capoeira, vermischt mit Elementen aus Bodenturnen und Breakdance. Die unterschiedlichen Elemente verbinden die Sportler ganz nach Geschmack zu so genannten Combos. Innerhalb von Sekunden reihen sie verschiedene Kicks, Schrauben und Saltos bei ihrer ästhetischen Flugshow aneinander.

Vor acht Jahren ist Andreas Dengel zum Tricking gekommen. Bei einem Show-Event in seiner Heimatstadt Regensburg sah er die Sportler Saltos schlagen. "Cool, das will ich auch können", dachte er sich. Also ging er mit seinen 14 Jahren zu einem Turnlehrer und meinte salopp, er wolle einen Rückwärtssalto lernen. "Dafür bist du zu alt", kam die knappe Antwort. Drei Monate später ging Dengel wieder zu dem Turnlehrer: "So, ich kann jetzt einen Rückwärtssalto, jetzt würde ich gerne eine Schraube lernen." Der 14-Jährige hatte sich in der Zwischenzeit als einer der ersten der Tricker-Szene in Regensburg angeschlossen.

Tricking kommt ursprünglich aus den USA. Dort bauten Kampfsportler für ihre Showkämpfe gegen unsichtbare Gegner immer spektakulärere Bewegungen aus dem Turnen und dem Breakdancen ein, um so die Jury zu beeindrucken. In Deutschland gibt es Tricking erst seit ungefähr zehn Jahren. Und Andreas Dengel, der seit 2012 in Passau Lehramt Gymnasium für Sport, Informatik und Wirtschaft studiert, hat sich fest vorgenommen, die Dreiflüssestadt zu einem kleinen Zentrum dieses jungen Sports zu machen. Seit 2013 leitet er wöchentlich vier Trainings für Kinder, Anfänger und Fortgeschrittene. In der Jahnturnhalle haben sie sich eine Heimat geschaffen, den federnden Tricking-Boden selbst gebaut. Erst im März hat Dengel die Bayerische Meisterschaft nach Passau geholt, für Mai ist ein dreitägiges Großereignis in der Dreiländerhalle geplant.

Dass Tricking in der öffentlichen Wahrnehmung, anders als etwa das olympische Turnen, bis dato kaum eine Rolle spielt, stört das durchtrainierte Kraftpaket Dengel nicht. Er ist von den Vorzügen "seines" Sports überzeugt: "Turnen ist wie Ballett, Tricking dagegen wie Breakdancen. Dort steht das Exakte im Vordergrund, die Spannung im Körper. Bei uns dagegen ist die Lockerheit entscheidend. Tricking ist einfach lässiger und kreativer."

Schließlich fließe in so eine Combo "ganz viel eigene Persönlichkeit". Wie will ich mich darstellen? Soll es aggressiv wirken oder eher gechillt? Andreas Dengel legt bei seinen Combos viel Wert darauf, möglichst unterschiedliche Elemente möglichst flüssig und angenehm zu verbinden. "Wobei die Kicks natürlich trotzdem tödlich aussehen sollen."

Und auch wenn Tricking viel Wert auf Style und Show legt, ist die Flugshow trotzdem harte Arbeit. Sprungkraft und Körperbeherrschung müssen immer und immer wieder trainiert werden. Hinzu kommt der Mut, sich auch bei schwierigen Tricks zu überwinden. Tipps holt sich Andreas Dengel dabei von seinem großen Vorbild, dem Australier Scott Skelton. "Er hat mir geraten, ich solle mir vor jedem Trick vornehmen, dass das jetzt genau der beste Trick dieser Art wird, den ich je gemacht habe", erzählt der 22-Jährige. "Und das hilft tatsächlich. Auch wenn man es öfter vergisst und dann einfach wieder darauf los hämmert."

Es sind Lektionen, die Andreas Dengel auch außerhalb seines Sports weiterhelfen. So fokussiert der 22-Jährige in der Turnhalle ist, so ist er es auch an der Universität. Im nächsten Jahr will er sein Lehramtsstudium nach acht Semestern abschließen. Die Regelstudienzeit sind zwölf. Nach seiner geplanten Promotion will Dengel dann am Liebsten in Passau unterrichten.

In der Jahnturnhalle nimmt Andreas Dengel jetzt richtig Fahrt auf. Er reißt ein Bein in die Höhe, stößt sich vom Boden ab und dreht sich in der Luft um die eigene Achse. Nach wenigen Sekunden ist alles vorbei und man hat das Gefühl, dass selbst der Wind vor der Halle kurz den Atem angehalten hat...

 Video und Fotos vom Tricking unter www.pnp.de/passau