Ton wird rauer, Konsens weniger
Rätselraten um die Regionalliga: Abbruch für BFV nicht mehr tabu, aber ...

31.05.2020 | Stand 19.09.2023, 1:36 Uhr

Den Ball im Blick haben Vereine und Verband – doch wie es weitergehen soll, ist umstritten. −Foto: A. Lakota

Im Südwesten waren sie die ersten. Die Regionalliga-Saison – abgebrochen. Der 1.FC Saarbrücken steigt in die 3. Liga auf. Auch im Norden und im Nordosten der Republik wird die Regionalliga-Spielzeit mit großer Wahrscheinlichkeit vorzeitig beendet, im Westen soll ein außerordentlicher Verbandstag am 20. Juni entscheiden. Und in Bayern?

Ja, das ist die große Frage. Die Zukunft der höchsten bayerischen Spielklasse, der Schnittstelle zum Profifußball, ist offen. Fest steht derzeit eigentlich nur eines: Es gibt keinen Konsens über den weiteren Weg. Und diesen wird es laut Szene-Kennern auch nicht mehr geben. Zu konträr sind die Interessen, zu groß wirtschaftliche und finanzielle Unterschiede. Der Ton wird rauer, das Klima ungemütlicher. Was sind die Streitpunkte? Welche Probleme gilt es zu klären? Und wie geht es weiter? Die Heimatzeitung versucht, etwas Licht ins Dunkel der Regionalliga Bayern zu bringen.

Aktueller Stand
Der Bayerische Fußball-Verband hat die Saison bis 31. August ausgesetzt, will anschließend ein sportliches Ende herbeiführen. Der Abbruch der anderen Regionalligen hat auf Bayern keinen Einfluss. Entscheidend ist nur eines: Im Sommer 2021 sollen alle Regionalligen wieder auf dem selben Stand sein, sprich mit einer neuen Saison beginnen können.

Die Sicht des BFV
Der Verband mit Dr. Rainer Koch an der Spitze sprach sich früh gegen einen Saisonabbruch aus, will stattdessen im September die alte Spielzeit fortsetzen. Dieses Szenario hat einen großen Vorteil: Sollte im Herbst normaler Fußball nicht möglich sein bzw. aufgrund steigender Infektionszahlen erneut eine Einschränkung seitens der Politik kommen, könnte man die Saison dennoch im Frühjahr 2021 regulär fertig spielen und würde nicht zwei Spielzeiten "zerschießen". Der Nachteil: Kann ab September gekickt und die Saison bis zur Winterpause beendet werden, stellt sich die große Frage, wie sich ein Übergangs-Spielberieb bis Sommer 2021 organisieren lässt. In diesem kurzen Zeitfenster ist eine reguläre Saison nicht möglich.

Die Sicht der Vereine
Seit Wochen diskutiert der BFV mit Vereinsverantwortlichen in Videokonferenzen über die Zukunft der Liga. Eine angebliche Abstimmung, bei der sich 17 Vereine für einen Abbruch ausgesprochen hätten, habe es allerdings nicht gegeben, betont Pressesprecher Fabian Frühwirth. Tatsächlich hat der Verband nie eine Abstimmung durchgeführt. Allerdings holten die Vereine vor einiger Zeit in Eigenregie – und ohne Verbandsbeteiligung − ein Meinungsbild ein. Dabei plädierte eine große Mehrheit für einen Abbruch, für die Fortsetzung stimmte nur ein Klub, wobei sich einige auch solidarisch für beide Modelle zeigten. Am vehementesten gegen eine Weiterführung der Saison wehrt sich die Spvgg Bayreuth, da dies den Verein "vor nicht zu lösende und wettbewerbsverzerrende Probleme" stellen würde. Falls es dazu käme, kündigten die Oberfranken bereits Klage an. Insgesamt, so berichten Beobachter, sei der Ton in den Gesprächen deutlich rauer geworden, auch zwischen den Vereinen. Von einer Corona-bedingten Solidarität sei kaum mehr etwas zu spüren. Einig sind sich Klubs und Verband nur in einem Punkt: Geisterspiele wird es nicht geben.

Das Abbruchszenario
Ein Abbruch hätte zweifelsohne mehrere Vorteile. Zum Beispiel wäre das drohende Problem mit Spielerverträgen, von denen viele zum 30. Juni auslaufen, gelöst. Sollte es aber weitergehen und alle Vereine die Pause bis mindestens Anfang September finanziell überstehen, stellt sich durchaus die Frage, ob die Klubs dann überhaupt noch ausreichend Spieler zur Verfügung haben. Mit einem Abbruch wäre auch das Thema Wettbewerbsverzerrung vom Tisch, das bei einer Fortsetzung droht. Grund: In der Regionalliga Bayern würden im September nur mehr 17 Teams an den Start gehen, da Bayern dieses Jahr den Fixaufsteiger zur 3. Liga stellt. Derzeit wäre dies Türkgücü München. Sollte der Primus – wie zuletzt immer wieder zu hören war – aus wirtschaftlichen Gründen verzichten, würde wohl Schweinfurt nachrücken und im Herbst in der 3. Liga spielen. So oder so – beim Restart der Regionalliga Bayern fehlt eine Mannschaft, deren bisherigen Ergebnisse annulliert werden müssten; die Tabelle würde sich also verändern – möglicherweise sogar entscheidend.

Probleme bei Abbruch
Wird die Saison vorzeitig beendet, müssten Auf- und Abstiegsfragen am grünen Tisch geklärt werden. Sollten Teams auf diesem Weg absteigen, ist rechtlicher Ärger programmiert. Im Südwesten oder Nordosten soll es daher gar keine Absteiger geben. Dafür rücken aber mehrere Teams aus den unteren Ligen nach oben. Die Regionalligen starten im Herbst also mit 21 oder sogar 22 Teams und der bangen Frage: Kann eine Spielzeit mit 40 oder mehr Spieltagen tatsächlich bis Mitte Mai 2021 durchgezogen werden, zumal die Corona-Entwicklung ja weiterhin unklar ist.

Wie geht es weiter?
Beim Verband will sich derzeit offiziell niemand äußern. Man befinde sich weiter im intensiven Austausch mit den Vereinen, stellt Pressesprecher Fabian Frühwirth klar. Etwaige Ergebnisse sollen erst dann kommuniziert werden, "wenn es diese auch tatsächlich gibt". Nach Informationen der Heimatzeitung lehnt der Verband ein vorzeitiges Saisonende nicht mehr kategorisch ab. Allerdings sind nun die Abbruch-Befürworter am Zug. Sie sollen ein mögliches Konzept präsentieren, das alle damit verbundenen Fragen wie Auf- und Abstieg löst − und garantiert, dass die neue Spielzeit auch im Fall einer weiteren Corona-Unterbrechung beendet werden kann. Im Verband wiederum werden derzeit verschiedene Modelle für die Weiterführung der Spielzeit im September entwickelt. Kernfrage: Wie kann im Frühjahr ein sportlich und wirtschaftlich attraktiver Wettbewerb garantiert werden, sollte die aktuelle Saison im Winter beendet sein? Denkbar wäre zum Beispiel eine Art Ligapokal, in dem der DFB-Pokal-Teilnehmer für die Saison 2021/22 ausgespielt wird. Oder eine Playoff-Runde, bei der Absteiger ermittelt werden und zugleich der Teilnehmer für die Relegationsspiele zur Dritten Liga gekürt wird (im kommenden Jahr stellt die Regionalliga Bayern turnusgemäß keinen Fix-Aufsteiger mehr).

Wie wird entschieden?
Mit einem Konsens der Klubs ist nicht zu rechnen. Daher wird der Verband am Ende eine Entscheidung treffen, die eine tragbare Mehrheit findet. Wann diese fallen wird? "Wir wollen jetzt zügig eine Lösung haben. Darauf haben sich alle verständigt", sagt Pressesprecher Frühwirth. Konkretes Ziel: Bevor in den anderen Landesverbänden Mitte Juni die Verbandstage starten, soll die Zukunft der Regionalliga Bayern geklärt sein.