Bundesliga
Per Los ins Stadion? Vereine und Fans diskutieren über Rückkehr – Seehofer macht Hoffnung

21.07.2020 | Stand 21.07.2020, 19:07 Uhr

Wer darf ins Stadion? Wie sieht die Lösung für die Dauerkarten aus? Mit diesen schwierigen Fragen beschäftigen sich derzeit die Bundesligisten, nachdem sie von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und Politik positive Signale für eine Teil-Rückkehr der Zuschauer bekommen haben. −Foto: Hoppe, dpa

Es bleibt fast nichts so, wie es Dauerkartenbesitzer der Fußball-Bundesliga seit Jahren oder gar Jahrzehnten kennen. Der Einlass ins Stadion ist alles andere als garantiert, der gewohnte Sitz- oder Stehplatz wird vielleicht ohnehin nicht vergeben. Das emotionale Fachsimpeln mit dem immer gleichen Nachbarn fällt wahrscheinlich aus.

Die Ticket-Vergabe für die angestrebte Teil-Rückkehr der Fans in der neuen Saison erweist sich in der Corona-Krise als komplexes Problem. Besitzer von Dauerkarten haben Vorrechte. Es gibt jedoch Befürchtungen, dass es keine gerechte Lösung geben wird. Die Klubs verfahren unterschiedlich, nach und nach geben sie Informationen zu ihren Konzepten bekannt.

Für Unruhe sorgt dabei der 1. FC Köln. Kritik ruft hervor, dass Dauerkarteninhaber, die auf eine Erstattung verzichten, bevorzugt berücksichtigt werden. Wenn weniger Plätze erlaubt als nachgefragt sind, soll der Zugang unter diesen Fans per Los ermittelt werden. Über "Erpressung" und eine "Frechheit" regen sich Fans auf. "Diese Regelung so zu machen, ist in jedem Fall verbraucherunfreundlich", kritisierte Rechtsanwalt Thomas Bradler von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und benannte bei der Kölner Variante als Problem: "Derjenige, der weniger Geld hat, wird dazu weniger bereit sein und derjenige, der mehr Geld hat, dem ist das vielleicht egal und der darf hinterher ins Stadion."

Eine Vollauslastung schon im Herbst scheint utopisch, die neue Saison der Bundesliga soll am 18. September starten. Für die Teil-Rückkehr der Fans weckte auch die Politik Hoffnung, die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hatte zuletzt einen Leitfaden dafür vorgelegt. Wie sie die Karten verteilen, entscheiden aber die Vereine. Die DFL geht jedoch davon aus, dass anfangs die Nachfrage das Angebot oft deutlich übersteigt und viele Klubs nicht alle Dauerkartenkunden mit Tickets versorgen können. Sie empfiehlt, "faire" Konzepte zu entwickeln. "Dabei sollten jedoch diskriminierungsfreie, sachliche und objektiv nachvollziehbare Standards gelten", heißt es.

Der 1. FC Köln verteidigt seine Entscheidung damit, dass es "unfair" wäre, "wenn ein Fan, der seinen Verzicht auf eine Erstattung erklärt und damit ein finanzielles Risiko in Kauf genommen hat, nicht ins Stadion kann, während ein anderer Glück hatte", wie Mediendirektor Tobias Kaufmann erklärte. Verbraucherschützer Bradler fordert, dass alle Dauerkartenbesitzer die gleichen Rechte haben sollten, die Spiele zu sehen. Dass in Köln die Anhänger mit dem Kauf aussetzen können, ohne den Anspruch zu verlieren, sei "natürlich auch eine gute Lösung", urteilte der Verbraucherschützer.

Die Tickets bringen den Vereinen normalerweise planbare Einnahmen. 520,1 Millionen Euro listet der DFL-Wirtschaftsreport vor allem durch die Ticketverkäufe auf, vom Gesamtertrag sind das aber nur 12,9 Prozent. "Fakt ist jedoch auch, dass auch Druck auf Sponsoring und Merchandising auftritt, wenn weniger Leute ins Stadion gehen", sagte Sportökonom Frank Daumann von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Von im Schnitt 42738 Zuschauern pro Spiel waren in der Saison 2018/19 fast 60 Prozent Dauerkartenbesitzer.

Der FC Bayern verkauft wie andere Klubs angesichts der Ungewissheit derzeit keine Saisontickets. Bei einer Teil-Rückkehr haben die treuen Fans bei Tageskarten exklusive Rechte, bei einer zu großen Bewerberzahl werde gelost, teilten die Münchner mit. Auch bei Union Berlin, der mit der Idee zur Vollauslastung vorgeprescht war, läuft der Verkauf noch nicht. Ebenso wenig wie bei Borussia Dortmund, dem Zuschauerkrösus. Beim BVB sind Fans momentan noch in Abstimmung mit dem Verein über das Konzept.

Für Fans ist die Teilzulassung ein sensibles und schwieriges Thema. Ein abgestimmtes Meinungsbild bei der Interessengemeinschaft "Unsere Kurve" gebe es nicht, sagte Sprecher Rainer Vollmer und äußerte sich deswegen lediglich als Vorsitzender eines Fanklubs von Schalke 04. "Es gibt keine gerechte Lösung. Jeder Verein macht eine individuelle Lösung, damit wird das Ganze undurchschaubar." Da scheint ein Zoff also schon vorprogrammiert.

Indes meldet sich auch Bundesinnenminister Horst Seehofer zu Wort und macht den Fans Hoffnung auf eine Rückkehr in die Stadien. "Ich bin schon länger der Meinung, dass man in die Stadien wieder Zuschauer lassen kann – wenn es ein starkes Hygienekonzept gibt", sagte der in der Regierung für den Sport zuständige CSU-Politiker dem "Münchner Merkur". Die Bundesligisten, die die abgelaufene Saison wegen den Folgen der Corona-Pandemie noch in leeren Stadien beenden mussten, arbeiten aktuell an Plänen, um zur neuen Spielzeit zumindest wieder einen Teil ihrer Arenen mit Zuschauern füllen zu können. Seehofer vertraut dabei auf die Liga und den Verband. "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass auf die DFL und den DFB Verlass ist", sagte er. "Im Herbst könnte das wieder anlaufen. Natürlich nicht mit einer ausverkauften Arena, aber man kann sich Schritt für Schritt steigern. Das Virus schlägt dort zu, wo die Regeln nicht eingehalten werden."

− dpa