"Ein Richtig oder Falsch gibt es nicht"
Klage gegen Quotienten-Tabelle? – Sportrechtsexperte: "Man müsste BFV Willkür vorwerfen"

10.04.2021 | Stand 19.09.2023, 2:02 Uhr

"Ein Richtig oder Falsch gibt es nicht", schreibt der Sportrechtsexperte Thomas Summerer Verbänden einen Handlungsspielraum zu. −Foto: eb

Den bayerischen Fußballvereinen steht ein vorzeitiges Ende der Saison ins Haus – und dem Bayerischen Fußball-Verband eine Klagewelle.

Im Falle eines Abbruchs sollen Auf- und Absteiger anhand von Quotienten-Tabellen ermittelt werden. Entscheidend ist dann, wer mehr Punkte pro Spiel geholt hat – und nicht mehr die Anzahl an Punkten. So mancher Klub auf Meisterkurs wird also vom Rechenschieber abgefangen, während andere absteigen müssen. Weil der Abbruch kurz bevor steht, kündigen einige Verlierer dieses Verfahrens bereits Klagen an – doch ihr Weg zum juristischen Erfolg ist "steinig", meint der Sportrechtsexperte Dr. Thomas Summerer (60) im Gespräch mit der Passauer Neuen Presse.

Ins Visier nehmen die klagewilligen Vereinsvertreter Paragraf 93 der BFV-Spielordnung. Diesen hatte der 19-köpfige Verbandsvorstand im August 2020 neu geschaffen. §93 regelt, was zu passieren hat, wenn eine Spielzeit aufgrund höherer Gewalt oder staatlicher Verfügungen (Beispiel: Lockdown) nicht bis 30. Juni eines Jahres beendet werden kann (wir berichteten).

Der BFV sprach in der damaligen Pressemitteilung von einer "rechtssicheren Regelung". Dennoch wollen mehrere Klubs juristisch dagegen vorgehen. Ein Erfolg vor dem Verbands-Sportgericht scheint nicht realisierbar, denn dessen Vorsitzender Oskar Riedmeyer sitzt zugleich im Verbands-Vorstand, hat jenen Paragrafen 93 also mitgetragen. Bleiben noch Schiedsgerichte und staatliche Gerichte.

Dort stehen die Chancen allerdings nicht bedeutend besser, glaubt Dr. Thomas Summerer. Die PNP hatte den Münchner Rechtsanwalt mit Vilshofener Wurzeln um eine Einschätzung gebeten. Summerer ist Präsident der deutschen Vereinigung für Sportrecht und seit über 30 Jahren in der Branche tätig.

"Ein Verband darf nicht im Eigeninteresse handeln, er muss das Gesamtwohl im Blick haben. Ein Richtig oder Falsch gibt es allerdings nicht, daher räumen die Gerichte den Verbänden üblicherweise Ermessensspielraum ein", erklärt Summerer mit Verweis auf die Verbandsautonomie. "Man müsste dem BFV vorwerfen, dass er willkürlich gehandelt hat. Das dürfte nicht leicht sein", sagt der Sportrechtsexperte. Gerichte würden in solchen Fällen "selten dazwischengrätschen".

Die selbst gesetzte Deadline des BFV läuft demnächst aus. Sollte auf bayerischem Boden nicht spätestens ab 3. Mai ein Mannschaftstraining mit Kontakt erlaubt sein, bricht der Verbands-Vorstand die Saison 2019/21 endgültig ab, von der Regionalliga Bayern bis hinunter in die C-Klassen. Da ein verlängerter Lockdown derzeit viel wahrscheinlicher ist als das Zugestehen altgewohnter Freiheiten, ist der Abbruch nur mehr Formsache – genauso wie die Anwendung von Paragraf 93.

Transparenzerklärung: Der Rechtsanwalt Dr. Thomas Summerer ist seit mehr als 30 Jahren im Sportrecht tätig. Mit einigen BFV-Vertretern ist Summerer auch persönlich bekannt. Ein Mandat vom BFV hatte der gebürtige Vilshofener nie.