Er scheiterte an Keeper Sommer
"Ich habe versagt": Frankreich-Star Mbappe entschuldigt sich nach Elfmeter-Drama

29.06.2021 | Stand 29.06.2021, 9:21 Uhr

Er hat ihn: Yann Sommer hält den Elfer von Kylian Mbappe. −Foto: dpa

Im einsamsten aller Momente erinnerte Kylian Mbappé an den großen Zinedine Zidane. Mit gesenktem Kopf, den Blick ins Nichts, verließ der 22-Jährige den Innenraum der Arena Nationala, in dem andere feierten. Wie einst auf Zidane nach dessen Platzverweis im verlorenen WM-Finale 2006 lastete der Schmerz der fußballverrückten Franzosen auf ihm allein.

"Es tut mir leid für den Elfmeter. Ich wollte der Mannschaft helfen, aber ich habe versagt", schrieb Mbappé spät in der Nacht nach dem EM-Aus des Weltmeisters gegen die Schweiz im hochspannenden Achtelfinale von Bukarest in den Sozialen Medien.

Schlafen werde nun schwer, ergänzte Mbappe, "aber so etwas passiert leider in diesem Sport, den ich so sehr liebe." Der Torjäger von Paris St. Germain hatte beim packenden Duell gegen die Schweiz, das nach 120 Minuten 3:3 endete, die Verantwortung übernommen und den insgesamt zehnten Elfmeter geschossen.

Ausgerechnet Mbappé. Im französischen Starensemble, das als großer Favorit in das Turnier gegangen war, ragt der Pariser noch einmal heraus. Im Elfmeterschießen am Montagabend nach 120 aufreibenden Minuten war nur folgerichtig, dass der Flügelspieler, der mal Weltfußballer werden soll, als letzter französischer Schütze antrat. Er scheiterte an dem Schweizer Bundesliga-Torwart Yann Sommer, Frankreich verlor mit 4:5 (3:3, 3:3, 0:1) vom Punkt. Die "Desillusionierung des Mbappé", schrieb Frankreichs Fachzeitschrift "L‘Équipe". Und "Le Parisien" meinte zur EM-Statistik des 22-Jährigen: "Null Tore und ein grausames Ende". So schnell kann es gehen.

Trainer Didier Deschamps, der mit Zidane 1998 Welt- und 2000 Europameister geworden war, hatte noch zaghaft versucht, Mbappé bei dessen schwerem Gang vom Rasen zu trösten. "Er weiß natürlich um seine Verantwortung", berichtete Deschamps während der Pressekonferenz. "Er wollte diesen Elfmeter schießen." Erste Fragen nach einem Bruch im Team wies der 52-Jährige sofort zurück: "Nein, nein, nein. Die Mannschaft ist vereint. Es ist eine einzigartige Mannschaft, heute ist sie am Boden – aber vereint."

Mbappe scheiterte im Elfer-Krimi als einziger Schütze am Schweizer Torhüter Yann Sommer. "Ich weiß, dass ihr Fans traurig seid, aber ich würde mich gern bei euch für eure Unterstützung bedanken und dafür, dass ihr immer an uns geglaubt habt", erklärte Mbappe seinen fast 53 Millionen Followern.

Nun sei das Wichtigste, in den nächsten Jahren noch stärker zurückzukommen, schrieb Mbappe, der in allen vier EM-Spielen des Weltmeisters ohne Tor geblieben war: "Gratulation und viel Glück an die Schweiz."

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Die brasilianische Fußball-Ikone Pele spendete Trost. "Behalte den Kopf oben, Kylian", twitterte der 80-Jährige: "Morgen ist der erste Tag einer neuen Reise."

Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps beschwor derweil die Einheit seiner Truppe. "Die gesamte Mannschaft steht zusammen. Auch wenn es ein enttäuschender Moment ist, wir halten zusammen", sagte der 52-Jährige. "Wir haben gegen eine starke Schweizer Mannschaft verloren." Im Elfmeterschießen, in dem der Schweizer Torwart Yann Sommer entscheidend gegen Kylian Mbappé gehalten hatte, gehöre "auch ein bisschen Glück" dazu.

Auf Mbappé, der sich ohne Turniertor verabschiedet, sei niemand sauer, äußerte Deschamps. Der Starspieler von Paris Saint-Germain sei "unglaublich traurig – so wie alle Spieler", sagte der Trainer, der als Spieler Welt- und Europameister geworden war. Niemand könne Mbappé böse sein, dass dieser beim letzten Elfmeter die Verantwortung übernommen habe.

"Ich denke, das wird uns allen helfen", sagte Deschamps, der mit seinem Team im ersten Gruppenspiel die deutsche Nationalmannschaft mit 1:0 geschlagen hatte. "Wir hatten viele tolle Moment. Aber heute tut es natürlich weh. Wir haben viele Dinge richtig gemacht, aber nicht alles." Wie Titelverteidiger Portugal sei nun der Weltmeister raus, "das müssen wir akzeptieren", sagte Deschamps, der mit der Équipe Tricolore vor knapp drei Jahren in Russland Weltmeister geworden war.

Wenn Frankreich gewinnt, sind wir die Besten der Welt, und wenn wir verlieren, ist es meine Verantwortung", sagte Deschamps. Nach Rücktritt klang das nicht. "Dieser Moment tut weh, aber so ist der Fußball. Hier ist es für uns vorbei, das müssen wir akzeptieren", sagte der Trainer, den viel mit Joachim Löw verbindet. Bei der WM 2014 schied Frankreich im Viertelfinale gegen die deutsche Mannschaft aus, die Revanche folgte im EM-Halbfinale 2016. Nach dem peinlichen deutschen Vorrunden-Aus bei der WM 2018 feierte Frankreich später den Titel. Mbappé wurde in Russland als Nachwuchsstar des Turniers ausgezeichnet.

− dpa/sid/red