Krise nach Corona?
Flutlicht an, Stadion voll – das war einmal: Der Fußball kämpft um die Fans

05.10.2021 | Stand 05.10.2021, 11:52 Uhr

Die gelbe Wand in Dortmund am Samstag beim Spiel gegen Augsburg – das BVB-Stadion dürfte wohl auch künftig voll werden. Anderen Vereinen geht’s da aber anders. −Foto: dpa

Der Plan klingt simpel: Die Bayern schalten am 23. Oktober die rote Beleuchtung ein – und die Arena des Fußball-Rekordmeisters in Fröttmaning ist zum ersten Mal seit 594 Tagen wieder proppenvoll. Die Erlaubnis dafür haben die Münchner vom bayerischen Kabinett jedenfalls am Montag erhalten – doch ob im nächsten Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim tatsächlich wieder 75.000 Zuschauer ins Stadion pilgern, erscheint völlig offen.

Wie schwer der Kampf um die Rückkehr der Fans nach eineinhalb Jahren Restriktionen während der Corona-Pandemie ist, weiß niemand besser als der kommenden Bayern-Gegner. Obwohl die Hoffenheimer 15.000 Besucher in ihre Arena lassen dürfen, kamen in den ersten Heimspielen der neuen Saison jeweils nur etwas mehr als die Hälfte. Mit durchschnittlich 8321 Fans pro Partie liegen die Kraichgauer auf dem letzten Platz der Bundesliga-Zuschauertabelle.

In ihrem Werben um jeden Besucher hat die TSG sogar einen eigenen Slogan entwickelt: "Wir mit Euch!" Doch wie bei den Hoffenheimern kommen solche oder ähnliche Versuche auch bei den Anhängern anderer Klubs kaum an. Die lange Zeit der Entwöhnung hat ihre Spuren auf den Haupttribünen und in den Kurven hinterlassen.

"Corona und die Geisterspiele haben dafür gesorgt, dass viele Fans gemerkt haben, dass man um 15.30 Uhr auch viele andere Sachen machen kann", sagt Thomas Kessen vom Fanbündnis "Unsere kurve": "Wenn man sieht, wie es derzeit in den Stadien aussieht, scheinen manche Gefallen an Alternativprogrammen gefunden zu haben."

Genau diesen Effekt spüren zahlreiche Vereine, die von einer 100-prozentigen Auslastung der behördlich erlaubten Kapazität weit entfernt sind. Dazu gehören auch Traditionsklubs mit einer großen Fanschar wie Hertha BSC oder Absteiger Schalke 04. Und obwohl es Gegenbeispiele mit vollen Stadien wie bei Borussia Dortmund, dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach gibt, scheint die Zuschauerlage ungewiss zu bleiben.

"Bei vielen Fans ist der Automatismus, dass man natürlich ins Stadion geht, durch Corona nicht mehr da", äußert Kessen: "Es bleibt spannend zu sehen, wie sich das entwickeln wird." Gladbachs Sportchef Max Eberl gesteht ein, dass "die Thematik da ist und Schlüsse gezogen werden müssen". Dennoch sagte Eberl zuletzt im Doppelpass von Sport1, dass nach dem Gemeinschaftsgefühl rund um den Fußball "gelechzt" werde.

Bei der Suche nach den Gründen für die Zurückhaltung der Fans werden zahlreiche Ursachen genannt. Die Furcht vor einer Ansteckung, die größere logistische Herausforderung beim Erwerb eines Tickets und der Anreise sowie eine Verweigerungshaltung, weil nicht alle Fans ins Stadion dürfen, werden ins Feld geführt.

Dass die Vereine selbst noch den richtigen Weg suchen, wird durch die Debatte um 2G, 3G oder 3G-Plus deutlich. Und selbst die Fans sehen volle Stadien kritisch. "So lange die Impfquote so schlecht ist, tun wir gut daran, die Stadien nicht voll auszulasten", sagt Kessen: "Zum Schutz derer, die hingehen."

Kritiker an der zunehmenden Kommerzialisierung des Profifußballs sehen Corona allerdings nur als "Brandbeschleuniger" mit Blick auf die zunehmende Entfremdung zwischen Klubs und Fans, die bereits vor der Pandemie eingesetzt habe. Ob das wirklich so ist, wird auch der 23. Oktober zeigen – wenn die Bayern das Licht einschalten.

− sid