Im Interview mit heimatsport.de
Ex-Bundesliga-Schiedsrichter Wagner: "Was auf den Plätzen passiert, macht vieles kaputt"

10.02.2020 | Stand 19.09.2023, 1:28 Uhr

Fordert mehr Respekt gegenüber Schiedsrichtern: Ex-Bundesliga-Referee Lutz Wagner lässt Emotionen nicht als Ausrede für Unsportlichkeit gelten, sagt er im Interview der Heimatzeitung. −Foto: Hübner/imago images

Er hat 197 Spiele in der Bundesliga gepfiffen: Lutz Wagner (56). Heute gibt er als Mitglied der Kommission Amateure des DFB seine Erfahrung an die Basis weiter – wie am vergangenen Freitag bei der Gruppe Bayerwald in Kirchdorf im Wald (Lkr. Regen). Die Heimatzeitung hat sich dort mit Wagner zum Interview getroffen. Dabei sprach der Hesse über...

...den Sittenverfall im Fußball: "Es wird zurzeit so ziemlich alles als Emotion gerechtfertigt. Man nimmt die Emotion als Entschuldigung für eine Unsportlichkeit. Das kann es nicht sein. Wenn wir alles Unsportliche als Emotion abtun, machen wir es uns zu einfach. Und: Dieses ewige Lamentieren will ja auch der Fan nicht sehen. Das ist ein gesellschaftliches Problem. Wenn ein Spieler in der ersten Erregung etwas sagt, ist das ja auch noch in Ordnung. Aber wir sind zu einer Protestgesellschaft geworden. Da kommt dann einer, der mit der Situation gar nichts zu tun hat, aus 50 Metern angerannt und gibt auch noch seinen Senf dazu. Da muss man einfach mal sagen: So nicht."

...den Vorbildcharakter des Profifußballs: "Ich will auf keinen Fall sagen, dass der Profifußball für das verantwortlich ist, was im Amateurfußball passiert. Das wäre eine billige Entschuldigung. Auch hier handelt es sich ja um ein gesellschaftliches Problem: die Gewaltbereitschaft und das Nicht-Akzeptieren von richtenden und schlichtenden Personen. Das passiert bei Feuerwehrleuten und Sanitätern genauso. Aber natürlich ist es wie überall im Leben: Was oben passiert, hat eine Vorbildfunktion für unten. Amateur- und Jugendspieler ahmen den Profi nach und die Schiedsrichter an der Basis ihre Kollegen in der Bundesliga.

...die Vorwürfe an den DFB in Bezug auf den Videobeweis: Der DFB arbeitet so transparent wie nur irgendwie möglich! Wenn in das Videocenter geschaltet wird, bekommt der Zuschauer am Fernseher das Bild gezeigt, das auch der Schiedsrichter sieht. Wir würden das im übrigen das Bild auch gerne im Stadion zeigen – das ist technisch in vielen Stadien aber nicht möglich. Da braucht man einheitliche Standards. Denn wieso soll der Zuschauer im Stadion nicht das sehen dürfen, was der Zuschauer im Fernsehen sieht?

...den Umgang mit Schiedsrichtern auf Amateurplätzen: Gerade im Schüler- und Jugendbereich herrschen teils schlimme Zustände. Da pfeift ein junger Schiedsrichter und wird dann von Eltern auf das Übelste beleidigt. Das trägt nicht unbedingt dazu bei, dass der junge Mann bleiben will. Wir bilden jedes Jahr über 8000 neue Schiedsrichter aus und haben festgestellt: Die meisten hören im ersten Jahr wieder auf. Wir haben zu den Gründen eine Umfrage gemacht. Der größte Teil hat geantwortet: Ich komme mit den Umständen auf den Plätzen nicht zurecht. Die fühlen sich in der Gruppe wohl, finden das Hobby toll, lieben Fußball. Die fühlen sich gut aufgehoben, aber was auf den Plätzen – auch von Seiten der Eltern – passiert, macht vieles kaputt. So gehen uns die Talente früh verloren. Wenn wir uns Menschen wünschen, die gerne Schiedsrichter sind oder werden wollen, müssen wir die Rahmenbedingungen schaffen. Da muss jeder vor der eigenen Haustür kehren, sich zusammenreißen und nicht bei jeder Kleinigkeit auf den Platz rufen. Da sind alle gefordert, denen ein bisschen was am Fußball liegt.

Das komplette Gespräch mit Lutz Wagner lesen Sie am Dienstag, 11. Februar, im Sportteil Ihrer Passauer Neuen Presse oder kostenlos nach kurzer Anmeldung am Online-Kiosk.