Heftige Worte der Anhänger
Brandbrief ans Team, Transparente gegen die Bosse: Schalke-Fans toben nach Chaos-Tagen

27.11.2020 | Stand 27.11.2020, 21:31 Uhr

Eines der Transparente am Schalker Trainingsgelände. −Foto: Screenshot facebook

Seit über zehn Monaten stolpert Schalke 04 sieglos durch die Bundesliga – ohne hörbare Resonanz. Pfiffe, Beschimpfungen, Wutausbrüche: Bei den Corona-Geisterspielen blieb dem brutal abgestürzten Vizemeister von 2018 ein Spießrutenlauf vor den eigenen Fans erspart. Doch nach den jüngsten Chaos-Tagen bricht sich Volkes Zorn Bahn – in einem Brandbrief an die Mannschaft und Transparenten gegen die Führung.

"Beschämende Außendarstellung, planloser Vorstand und charakterlose Mannschaft – das Ergebnis eurer jahrelangen Misswirtschaft!", prangte auf einem Banner der Ultras vor dem Auswärtsspiel am Samstag (18.30 Uhr/Sky) bei Borussia Mönchengladbach auf dem Vereinsgelände. "Eins ist sicher, ihr werdet sehen - kampflos lassen wir unseren Verein nicht untergehen", hieß es auf einem anderen.

Den Profis, die seit 24 Punktspielen nicht mehr gewonnen haben, schrieb der einflussreiche Fanklub Supporters Club in einem offenen Brief, dass man "nicht mehr still mit ansehen" könne, "wie ihr unseren Verein gerade in den Exitus treibt!" Die Forderung: "Zerreißt euch auf dem Platz für die königsblauen Farben, kämpft bis zur völligen Erschöpfung!" Diese Tugenden habe die Mannschaft in den letzten Monaten "allesamt vermissen" lassen, "ihr ergebt euch in Selbstmitleid und Egoismus".

Auf genau diesen Vorwurf hatte der auch intern heftig in die Kritik geratene Sportvorstand Jochen Schneider schon am Dienstag mit dem Rauswurf und der Suspendierung der "Ego-Shooter" Vedad Ibisevic, Amine Harit und Nabil Bentaleb reagiert. "Es gibt zu viele Spieler, die ihr Ego über die Mannschaft stellen", hatte Trainer Manuel Baum als Begründung nachgeschoben.

"Für Egoismen darf kein Platz sein: Es sind alle in der Pflicht, jeder Einzelne", forderte am Freitag der Aufsichtsratsvorsitzende Jens Buchta, Nachfolger des zurückgetretenen Clemens Tönnies, auf der Vereinshomepage. Der Klassenerhalt habe "höchste Priorität, denn um nichts anderes geht es".

Den Brief ans Team hat der nach nur acht Wochen ebenfalls schon schwer angeschlagene Baum "mehrmals durchgelesen" und als "fair, ehrlich und verständnisvoll" bewertet. Er drohte seinen Profis: "Es wird keiner mehr auf dem Platz stehen, der halbherzig rumkickt und den Ernst der Lage nicht erkannt hat - die können dann was anderes machen, aber nicht mehr für Schalke spielen."

Allerdings sind die Alternativen sehr rar: Sechs Profis, darunter die Stammkräfte Salif Sane und Bastian Oczipka, sind verletzt oder krank. Dem Trainer geht das Personal aus. "Das alles Entscheidende ist, elf Spieler auf den Platz zu kriegen, die das Ganze mit Herzblut füllen", sagte Baum: "Wenn es am Ende des Tages viele aus der U19 oder der U23 sind, dann wird es so sein."

Der 19-jährige Kerim Calhanoglu ist ein Kandidat für ein plötzliches Profidebüt. Mit insgesamt fünf Spielern aus den Nachwuchsteams hat Baum seinen Kader aufgefüllt. Dass die zweitlängste Sieglos-Serie der Bundesligageschichte schnell endet, ist unwahrscheinlich: Nach dem Spiel beim Champions-League-Tabellenführer Gladbach kommt der noch ungeschlagene Liga-Dritte Bayer Leverkusen. Die Misserfolge Nummer 25 und 26 drohen - zwar weiterhin ohne Pfiffe, aber mit wachsender Wut der Fans.

− sid