"Es tut mir sehr weh"
Bierhoff mit Brandrede: Er fordert mehr Unterstützung für die Nationalelf – und verteidigt Jogis Kurs

09.11.2020 | Stand 09.11.2020, 17:54 Uhr

Nicht einverstanden mit der Kritik an der Nationalmannschaft: Manager Oliver Bierhoff. −Foto: dpa

DFB-Direktor Oliver Bierhoff hat in der Debatte um eine mögliche Rückkehr der früheren Weltmeister Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng in die Fußball-Nationalelf eine besondere Problematik offen angesprochen.

"Wenn du so verdiente Nationalspieler zurückholst, musst du einen gewissen Umgang voraussetzen. Diese Spieler wären dann natürlich gesetzt", sagte Bierhoff am Montag in Leipzig beim Treffpunkt des aktuellen DFB-Kaders für die letzten drei Länderspiele des Jahres. Aktuell bestehe "kein Handlungsbedarf".

Bierhoff erinnerte an ein Beispiel aus seiner eigenen Zeit als DFB-Akteur. Bundestrainer Berti Vogts reaktivierte zur WM 1998 in Frankreich den ehemaligen Kapitän Lothar Matthäus. So was mache etwas mit einer Gruppe, mahnte Bierhoff, "weil das Alpha-Tiere sind".

Auch bei der missratenen WM 2018 habe es Diskussionen zwischen jungen und alten Spielern gegeben. Die DFB-Auswahl schied in der Vorrunde aus. "Es ist absolut richtig, dass Jogi den Weg weitergeht. Den Jungen muss man Raum geben, um sich zu entwickeln", erklärte Bierhoff.

Löw hatte am Montag im "Kicker" bekräftigt, die im März 2019 ausgemusterten Münchner Müller (31) und Boateng (32) sowie den Dortmunder Hummels (31) nicht ins DFB-Team zurückzuholen. "Wir haben uns grundsätzlich dazu entschieden, diese Spieler nicht zu nominieren, daran hat sich jetzt nichts geändert."

Bierhoff versicherte, dass es bei dem Thema rein um eine personelle Neuausrichtung der deutschen Nationalmannschaft gehe. Es sei "nichts Zwischenmenschliches zwischen Jogi und den Spielern vorgefallen".

Insgesamt forderte Manager Bierhoff in einem flammenden Plädoyer mehr Respekt und Unterstützung für die Nationalmannschaft. In einer viertelstündigen Brandrede gestikulierte der Direktor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sichtlich aufgewühlt und machte seinem Ärger über die aus seiner Sicht unberechtigte Kritik in Zeiten des Neuaufbaus Luft.

"Es tut mir sehr weh, wie mit den jungen Spielern umgegangen wird. Ich merke, dass das wie eine dunkle Wolke über der Mannschaft schwebt", sagte Bierhoff nach seiner Ankunft in Leipzig. In der Kabine sehe er "müde Gesichter", er spüre "die Anspannung und den Frust". Man könne "gerne Jogi und mich als Verantwortliche kritisieren, aber die jungen Spieler haben unser Vertrauen verdient - und sie werden es zurückzahlen".

Gegen den Vorwurf mangelnder Kritikfähigkeit wehrte sich Bierhoff vor dem anstehenden Länderspiel-Dreierpack ausdrücklich, auch wolle er "kein Mitleid". Es gehe ihm "viel mehr um die Tonalität, um die Stimmung, die generell hineintransportiert wird", betonte der 52-Jährige.

Bierhoff räumte ein, dass die Nationalmannschaft die Fans "tief enttäuscht" und "Sympathien verspielt" habe. "Dass wir derzeit nicht gerade Deutschlands liebstes Kind sind und nicht das Lagerfeuer, das ist einfach Fakt", sagte der Europameister von 1996. Aber: "Der Verband hat in vielen Bereichen unglaublich tolle Arbeit geleistet. Da sind viele Dinge, die unter dieser Wolke nicht nach vorne treten. Wenn wir alle gemeinsam ein bisschen Wind machen, dass die Wolke weggeht, dann wäre ich happy."

− sid/dpa/red