Pilotprojekt in fünf Sprachen
Pilotprojekt in fünf Sprachen: Mittelschule informiert Schüler und Eltern über berufliche Werdegänge

30.04.2024 | Stand 30.04.2024, 11:00 Uhr
Erika Schwitulla

Emina Mehic (13, l.) und Vater Elvis Mehic (r.), der bei den Holzwerken Weinzierl in Alkofen arbeitet, besuchten die Gruppe der Teilnehmer mit bosnisch-serbisch-kroatischem Migrationshintergrund, in der eine ausgesprochen fröhliche Atmosphäre herrschte.  − Fotos: Erika Schwitulla

Nur wenige wissen, wie vielfältig die Chancen sind, die auf die Absolventen der Mittelschule warten – sei es eine Berufsausbildung über die Kombination von Betrieb und Berufsschule oder aber eine Fortsetzung der Ausbildung durch einen weiteren Schulbesuch bis hin zum Abitur. Die vielen unterschiedlichen Wege, die Vielzahl an Möglichkeiten, dies alles ist für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund oft nur schwer durchschaubar und unverständlich.

Deshalb hatte Patrizia Hager, die im Landratsamt für Integration und Sozialplanung zuständig ist, die Idee zu einer Veranstaltung, die Eltern und Schülern in fünf verschiedenen Sprachen darstellt, welche Wege den Jugendlichen nach dem Besuch der Mittelschule offen stehen. Die Idee fiel bei allen Verantwortlichen auf fruchtbaren Boden und Patrizia Hager konnte die Veranstaltung zusammen mit Schulamt, Arbeitsamt, Beratungslehrkräften sowie der Schulleitung der Mittelschule St. Georg und Vilshofens Bürgermeister Gams entwickeln.

Schulrat Christoph Sosnowski vom Schulamt Passau betonte, dass die sprachlichen Barrieren oft eine optimale berufliche Entwicklung einschränken würden. Deshalb lobte er ebenso wie Bürgermeister Gams die Initiative von Patrizia Hager, weil das gewählte Konzept die sprachlichen Hürden ausschalten könne. Gams wünschte den Schülern, auf diesem Wege ihren Traumberuf zu finden. Johanna Kasberger von der Regierung Niederbayern freute sich über die Veranstaltung, die beispielhaft für den ganzen Bezirk sei. Schulleiter Florian Zirbel wies darauf hin, dass das Veranstaltungsformat zum ersten Mal angeboten werde und – sofern es erfolgreich sei – noch in mehreren Mittelschulen im Landkreis umgesetzt werden würde.

Patrizia Hager hatte nicht nur fünf Beratungslehrkräfte aus dem Landkreis gewinnen, sondern auch Dolmetscher in den Sprachen Ungarisch, Rumänisch, Arabisch, Ukrainisch sowie Serbisch-Kroatisch-Bosnisch akquirieren können. So konnten sich die Eltern mit ihren Kindern in Sprach-Gruppen zusammenfinden. Die gleiche Sprache sowie der gemeinsame kulturelle Hintergrund erleichterten das Miteinander und ließen schon nach kurzer Zeit eine vertrauensvolle Atmosphäre entstehen.

Studienrat Hans Weber hatte eine übersichtliche und durch Graphiken leicht verständliche Powerpoint entwickelt, die in allen fünf Gruppen durch die Beratungslehrkräfte präsentiert wurde. Die Dolmetscher erläuterten die Zusammenhänge in ihrer Muttersprache und ermöglichten so den Dialog zwischen Eltern und Lehrkräften. Ergänzt wurden die Informationen durch Johanna Höng von der Bundesagentur für Arbeit. Sie vermittelte insbesondere die Möglichkeiten beruflicher Bildung nach dem Besuch der Mittelschule.

Während die Schülerinnen und Schüler in allen Gruppen schon nach wenigen Jahren in Deutschland die deutsche Sprache erkennbar gut beherrschten, war es für die Eltern ausgesprochen wichtig, die Informationen aus erster Hand in ihrer Muttersprache zu erhalten. „Nur mit dem elterlichen Wissen über die Möglichkeiten beruflicher und schulischer Entwicklung und der Unterstützung durch die Erziehungsberechtigten lässt sich ein geeigneter Berufs- oder Ausbildungswunsch der Kinder tatsächlich umsetzen“, bekräftigte Schulleiter Florian Zirbel.

Die Mittelschule ermöglicht nämlich nicht nur den qualifizierten Abschluss oder die Mittlere Reife, sie bietet mit oder ohne Abschluss vielfältige Möglichkeiten, über eine berufliche Ausbildung Qualifikationen zu erwerben, die sogar den Weg zum Abitur oder zu einem Hochschulstudium eröffnen. „Die hohe Durchlässigkeit des bayerischen Schulsystems ist gerade für Jugendliche mit Migrationshintergrund, die erst die deutsche Sprache lernen müssten, von großem Vorteil,“ betonte Schulrat Sosnowski.

Am Ende der Auftaktveranstaltung waren nicht nur die Verantwortlichen zufrieden. Eltern und Schüler lobten gleichermaßen das neue Format. Freudestrahlend verließ Emina Mehic (13) aus der 7. Klasse die Informationsveranstaltung. Sie ist vor drei Jahren aus Bosnien gekommen und war mit ihrem Vater vor Ort: „Jetzt weiß ich, welche Möglichkeiten ich habe, wenn ich die Mittelschule besuche“, sagte sie. „Ich kann eine Berufsausbildung beginnen, ich kann aber auch meine schulische Laufbahn bis hin zum Abitur fortsetzen. Ich bin so froh, dass ich hier an meiner Schule bleiben kann. Ich muss mich nicht von meinen Freundinnen trennen. Außerdem mag ich die Lehrer an der St. Georgs Mittelschule. Ich hatte solche Angst, dass ich die Schule verlassen müsste, um die für mich beste Ausbildung zu erhalten.“

Die Pilotveranstaltung war ein Glücksfall für alle, die teilgenommen haben. „Wir werden das Format auf jeden Fall fortsetzen“, war sich Patrizia Hager sicher, „denn die Eltern sind die zentrale Figur bei der Entscheidungsfindung“.