Fürstenzell
Barrierefreier Ausbau am Rathausvorplatz: „Es geht auch um Würde“

27.04.2024 | Stand 27.04.2024, 20:00 Uhr
Mirja-Leena Zauner

Barrierefreiheit bedeutet auch soziale Teilhabe: Willi Wagenpfeil (Mitte) hält die Planungen für den barrierefreien Rathausvorplatz in Fürstenzell für sehr gelungen und vorbildlich, wie er beim Termin mit Geschäftsleiterin Karin Kellhammer und Bürgermeister Manfred Hammer verdeutlichte. „Mit welchem Recht will man Menschen mit Behinderung ausschließen?“, fragte Wagenpfeil. − Foto: Zauner

Die deutschen Gesetze verbieten die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung. Wo es dennoch immer wieder in der Region hakt, da schaut der Behindertenbeauftragte des Landkreises Willi Wagenpfeil genau hin. Wie bei den Plänen für den neuen Rathaus-Vorplatz in Fürstenzell (Kreis Passau).

Wagenpfeil ist Fürsprecher der Menschen mit langfristigen körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen. Seine Hauptaufgabe ist es, daran mitzuwirken, dass diesen Menschen eine barrierefreie Teilnahme am öffentlichen Leben möglich ist. Er vertritt ihre Interessen und wird dazu insbesondere bei öffentlichen Baumaßnahmen hinzugezogen. So eine wurde kürzlich auch in Fürstenzell vom Marktgemeinderat verabschiedet (PNP berichtete). Dabei geht es um die Neugestaltung des Rathausvorplatzes, der künftig absolut barrierefrei werden und auch von Seiten des Marienplatzes her für alle Menschen gut erreichbar sein soll.

Hintereingang ist kein Argument

Das von Kritikern angeführte Argument, dass man auch von hinterer Seite über das Salettl einen ebenerdigen Zugang zum Rathaus habe, lässt Wagenpfeil keinesfalls gelten. „Was Menschen erleben müssen, weil sie beeinträchtigt sind, können wir uns gar nicht vorstellen“, sagt er und warnt vor Ignoranz. Es gehe auch gar nicht „nur“ um das Überwinden von sichtbaren Barrieren, also etwa darum, einen ebenerdigen Weg ins Rathaus zu schaffen, sondern vielmehr um eine Teilhabe am sozialen Leben. „Menschen mit Handicaps sollen die gleiche Möglichkeit haben, sich auf dem neu geschaffenen Rathaus-Vorplatz aufzuhalten und sich dorthin möglichst selbstständig zu bewegen. Und zwar von allen Seiten.“ Er kritisiert scharf, dass es in der Vergangenheit Stimmen gegeben habe, die die Planungen für den Vorplatz als unnötig oder zu teuer hingestellt haben. „Es geht hier nicht darum, dass man mal eben ein paar Bodenbeläge austauscht, damit man besser mit dem Rollstuhl darüber fahren kann, es geht darum, grundsätzliche Missstände zu beheben. Mit welchem Recht will man diese Menschen ausschließen und einmal um den Block schicken? Viele Menschen mit Behinderung sieht man nicht im öffentlichen Leben, weil sie auch genau aus diesen Gründen, weil Beschwerlichkeiten abschrecken, gar nicht erst außer Haus gehen.“

Alle Menschen haben Anspruch auf Zugang

Auch Bürgermeister Manfred Hammer betont, dass man seitens der Gemeinde überzeugt sei, dass alle Menschen einen Anspruch darauf hätten, Zugang zu jedem Quadratmeter zu bekommen. Darum sei man von der Richtigkeit und Notwendigkeit der Planungen überzeugt. „Wir machen das nicht in erster Linie, weil das der Gesetzgeber vorschreibt und wir ohnehin in der Pflicht sind“, stellt Hammer klar. Der künftig für alle und von allen Seiten barrierefreie Platz soll, so Hammer, auch eine symbolische Funktion haben. Für alle weiteren geplanten Baumaßnahmen im Rahmen der Städtebausanierung werde man ebenso genau hinschauen.

Willi Wagenpfeil lobt die Ausführung der Planung für den Rathausvorplatz: „Nur so kann man soziale Teilhabe wirklich ermöglichen, wenn ein Platz auch tatsächlich für alle erlebbar wird. So wie es in Fürstenzell gemacht wird, ist es gut gelungen.“ Hammer ergänzt: „Das soll ein gemeinsamer Weg sein für alle Fürstenzeller. Und da denke ich auch an die älteren Mitbürger, denen das Gehen schwerfällt, oder Eltern mit ihren Kinderwägen, die problemlos den Rathausvorplatz erreichen und genießen können sollen. Nicht nur weil das Gesetz es vorschreibt. Es geht auch um Würde.“

Gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung

Das Bayerische Behindertengleichstellungsgesetz soll für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben sorgen. Oberste Leitlinien des Gesetzes, das zahlreiche Verbesserungen für Menschen mit Behinderung mit sich bringt, sind die Würde von Menschen mit Behinderung und die Stärkung ihrer Fähigkeit, ihr Leben selbst zu gestalten und zu bestimmen.