Rasp: Mit dem „Vorschlaghammer“
Berchtesgadens Bürgermeister erntet Kritik für Rede zum Jubiläum des Bund Naturschutzes

26.04.2024 | Stand 26.04.2024, 13:00 Uhr

Rita Poser, Kreisvorsitzende des Bund Naturschutzes, und BN-Ehrenvorsitzender Prof. Dr. Hubert Weigert. − Foto: Kilian Pfeiffer

Den Raum für Glückwünsche hat sich Bürgermeister Franz Rasp bei der 50-Jahr-Feier des Bunds Naturschutz gleich gespart. Statt mit der „Nagelfeile“ würden die Naturschützer bei jedem größeren Projekt mit dem „Vorschlaghammer“ vorgehen, um „Dinge zu verzögern oder zu Fall zu bringen“. Mit der Antwort des BN-Ehrenvorsitzenden Prof. Dr. Hubert Weigert hatte der Gemeindechef allerdings nicht gerechnet.

„Ich werte das nicht“, fügte Franz Rasp hinzu, als er seine Worte kundgetan hatte. „Der Bund Naturschutz ist wichtig“, sagte Rasp, „aber er ist nicht einfach.“ Er wolle die Hand reichen, um gemeinsam zu diskutieren. Als Zeichen des Dankes zum halben Jahrhundert schenkte Rasp den Naturschützern eine Linde, die im Luitpoldpark in Berchtesgaden gepflanzt wird – „für frische Luft und als Schattenspender“, sagte er mit ein bisschen Ironie in der Stimme. Die vielen Bäume des Ortes, für deren Erhalt sich der Bund Naturschutz eingesetzt hatte, aber keinen Erfolg verbuchen konnte, wird das nicht mehr retten.

Anwälte eingeschaltet und Recht bekommen

Zu diesem Zeitpunkt scharrte Hubert Weigert in der ersten Reihe bereits mit den Hufen. Weigert war von 2007 bis 2019 Vorsitzender des Bunds für Umwelt- und Naturschutz Deutschland. 16 Jahre lang war er zudem Vorsitzender des Bunds Naturschutz in Bayern. Weigert gilt als rhetorisch versiert. Der 77-jährige Forstwissenschaftler, der als Ehrenvorsitzender durchaus gehört wird, besann sich in seiner Rede darauf, dass seit 2002 jener entscheidende Fortschritt getan sei, dass Gemeinwohlinteressen vor Gericht ziehen können – „zur Überprüfung, ob etwa Verwaltungsentscheidungen rechtskonform sind“. Dass dies mitunter nicht der Fall ist, zeigt sich an etlichen Beispielen, bei denen der Kreisverband des Bund Naturschutz den Rechtsweg suchte, Anwälte einschaltete und schlussendlich Recht bekam.

„Danke für Ihre Ehrlichkeit“, sagte also Weigert. Das Spannungsfeld, in dem sich Gemeinde- und Gemeinwohlinteressen befinden, sei nicht zu übersehen. Klar ist: Wenn der Bund Naturschutz sich einer Sache annimmt, wird es unangenehm, langwierig und oftmals teuer, wie die Erfahrung zeigt. Die Gemeinden des Landkreises haben so manches Mal Erfahrungen mit den Naturschützern gemacht. In Berchtesgaden scheiterte das Ansinnen, auf dem Grund der Villa Schön, eine Außenbereichsinsel im Innenbereich mit einer Reihe damals hochpreisiger Wohnungen zu versehen. Die Kreisgruppe des Bund Naturschutz bemüht in der Regel eine Anwaltskanzlei, mit der sie seit Jahren zusammenarbeitet. Geht eine Klage raus, wird das Projekt zumindest verzögert. Seit 2002 ist das möglich.

„Ja, Demokratie ist etwas Unbequemes“

Für Weigert markiert dieses Jahr eine Zeitenwende, weil seitdem auch Verwaltungsentscheidungen einfacher hinterfragt werden können: „Ja, Demokratie ist etwas Unbequemes“, sagte er. In Weigerts Worten lag Nachdruck: „In diesem Land gibt es keine Hau-ruck-Politik, das gibt es vielleicht in China“, entgegnete er in Richtung des Berchtesgadener Gemeindechefs. Insofern müsse Bürgermeister Franz Rasp damit leben, sich eben auch mit Unbequemem auseinanderzusetzen. Weigert zeigte sich mit Rasps Ausführungen wenig zufrieden. „Wir haben hier noch immer Respekt vor den Menschen“, sagte der Forstwissenschaftler.

Das Verbandsklagerecht im Naturschutzrecht ist seit mittlerweile 22 Jahren im Bundesnaturschutzgesetz verbindlich geregelt und entspricht seit diesem Zeitpunkt grundsätzlich jenem von Einzelpersonen. „Das ist ein zentraler Fortschritt des Rechtsstaats“, lobte Weigert die Entwicklung. Die Mitwelt, die bei Projekten eben nicht am Verhandlungstisch sitzt, hat somit eine Stimme, kann mitsprechen und Einwände liefern.

Hotspot der Biodiversität

Dass das Berchtesgadener Land immer wieder in den Schlagzeilen stehe, nachdem sich der Bund Naturschutz engagiert hat, sei leicht zu begründen: „Die Region hier ist ein Hotspot der Biodiversität.“ Ein landschaftlicher Höhepunkt folgt auf den nächsten. „Das ist historisch gewachsen, kaum woanders ist das so“, so Weigert.

Der 77-Jährige erinnerte an den „Kampf gegen die Watzmann-Seilbahn“. Hätte es damals keinen so harten Widerstand gegen die Absicht der Gemeinden gegeben, „hätten wir in dieser einmaligen Landschaft nun eine Seilbahn“, schlussfolgerte der BN-Ehrenvorsitzende (siehe Kasten). Die Politik könnte sich dann nicht mehr mit der Landschaft rühmen“, so der langjährige BN-Vorsitzende. „Ich bin dankbar, was die Ehrenamtlichen geleistet haben und heute noch leisten.“

Naturschutz verdient dasselbe Lob wie Feuerwehr

Weigert äußerte seine Enttäuschung darüber, dass die Gemeinde-Feuerwehren in höchsten Tönen beim „Tag des Ehrenamtes“ gelobt würden. „Auch der Naturschutz verdient diese Anerkennung, weil er eben uns allen dient.“ Und ja: Auch der Bund Naturschutz sei nicht fehlerlos. „Dann muss man sich dafür auch mal entschuldigen.“ Diesen Mut vermisse er in der Politik, sagte Weigert in Richtung des Berchtesgadener Bürgermeisters.

Naturschutz sei eine Gesellschaftsaufgabe: „Es geht hier um uns alle.“ Wirtschaftliche und persönliche Interessen dürften dabei niemals vorrangig betrachtet werden.