Schriftsteller, Poetry Slammer, Literaturwissenschaftler, Rapper, Comedian, Kabarettist, Kulturanthropologe – Sulaiman Masomi, Scharfrichterbeilgewinner 2018, hat viele Facetten, die er mit seinem dritten Programm "kunterbunt & farbenblind" im gut besuchten Passauer Scharfrichterhaus zum Funkeln bringt.
Mit kleinen Comedy-Einlagen, skurrilen, selbstironischen Alltagsgeschichten und akrobatisch-albernen Wortspielen öffnet Sulaiman Masomi Herz und Hirn des Publikums für seine großartig geschriebenen ernsten Texte.
Immer wieder geht es um die Erfahrungen als Afghane in Deutschland – Masomi ist in Kabul geboren und in Krefeld aufgewachsen –, um Alltagsrassismus, Diskriminierung und die zynischen Widersprüche in unserem Denken. Die Schwierigkeiten, die Gefahren des Klimawandels zu kommunizieren, bringt er ebenso klug auf den Punkt wie die Untätigkeit der Politiker.
Die Betroffenheit der Zuhörer ist spürbar – ein leise gerauntes "Ja" geht durch die Reihen, als Sulaiman Masomi liest "Ich habe keinen Migrationshintergrund, ich hab einen Migrationsvordergrund. Jeder Deutsche ist ein Individuum, wir sind immer ein Stereotyp und werden als Kollektiv bewertet, und erst wenn sie uns näher kennenlernen, werden wir individuell betrachtet".
Doch braucht es nur ein Gedicht oder die Geschichte, wie er in seiner Familie ganz unverhofft zu einem der besten Schriftsteller der Welt avancierte, um das Publikum ins Vergnügen zurückzuholen.
"Die Wahrheit ist ein dünnes Eis", sagt Sulaiman Masomi nach einer Pointe über Israeliten auf einer Party. Er hat den Mut, sich auf diesem dünnen Eis zu bewegen. Seine Pirouettenkunst ist sein extrem talentierter Umgang mit Sprache. Es gibt Gedichte wie "Ein wahres Lügenmärchen", die an Christian Morgenstern erinnern, zarte Verse und beste Satire. "Ich hab echt Tränen gelacht und nachgedacht", sagt eine ältere Frau nach dem begeisterten Schlussapplaus – schade, dass Sulaiman Masomi diesen schönen Vers nicht gehört hat.
Regina Kremsreiter
