Jenseits von Komik
Matthias Egersdörfer und Claudia Schulz spielen im Scharfrichterhaus

09.12.2022 | Stand 17.09.2023, 21:12 Uhr
Gabriele Blachnik

Matthias Egersdörfer und Claudia Schulz gaben im Scharfrichterhaus ein Paar mit erniedrigender Schieflage. −Foto: Blachnik

Nach dem Ausfall des Beilwettbewerbs im Scharfrichterhaus musste die Passauer Kabarettbühne tags darauf noch einen Ausfall hinnehmen. Im angekündigten Trio Egersdörfer, Schulz, Mueller fehlte aus privaten Gründen Andy Maurice Mueller. Statt des geplanten Bühnenstücks „Carmen oder die Traurigkeit der letzten Jahre“ improvisierten Matthias Egersdörfer und Claudia Schulz einen Abend aus Teilen des früheren Programms „Carmen oder die Würde des Menschen ist ein Scheißdreck“ und aus gelesenen und filmischen Dialogen. Dabei ging es fast durchwegs um die Beziehung zwischen Mann und Frau.

Was das seit vielen Jahren zusammen spielende Duo aus Nürnberg aufführt, lässt nachdenken. Wozu ist Kabarett da, was vermag es, welche Spielarten gibt es? Gäbe es eine Humorskala, die mit unbeschwert und sehr lustig beginnt, dann würden die beiden Darsteller eher das entgegengesetzte Ende markieren. Sie überführen grenzwertige Verhaltensweisen weniger ins Komische, als zu einem abstrusen, auch beängstigenden Äußersten. Schuldgefühle schürende Bemerkungen, was der andere alles für einen tut, hat man vielleicht selbst schon mal gehört. Dass der dann tatsächlich anfängt, für zwischenmenschliche Zuwendungen Rechnungen zu stellen – das erlebt man hoffentlich nur bei Egersdörfer und Schulz.

Die Komik kommt an ihre Grenzen

„Des is ned lustig. Wer do lacht, hod ka Herz“, kommentiert Matthias Egersdörfer in seiner fränkischer Mundart gelegentliche Lacher aus dem Publikum. Er zückt damit eine verbale Lotsenkelle, die zusätzlich für Verunsicherung sorgt. Die Grenzen von Komik zeigt das Duo bereits in seiner Eingangsnummer auf. Da erniedrigt ein Mann seine Gefährtin, im wahrsten Sinn des Wortes. Lange hört Sie mit ausdruckslosem Gesicht seiner chauvinistischen Erzählung zu, wie sie sich kennengelernt haben. Eine der mit Lotsenkelle eingebauten Pointen: Beim ersten Betreten Ihrer Wohnung sieht Er einen Stall mit zwei Kaninchen, worauf ihm entfährt: „Die Ablösung kommt“. Lange erträgt Sie seinen entwürdigenden Monolog und seine Wutausbrüche im Stehen, bis Er Sie mit seiner Aggression auf einen Stuhl zwingt, dann auch noch bildhaft niederhaut. Allerspätestens hier ist Schluss mit lustig. Ebenso an anderer Stelle, als Er volltrunken seiner vermeintlich schwangeren Frau „Carmen, du Drecksau“ entgegenschleudert, weil Er vom Vaterwerden Panik bekommt.



Verschiedene Möglichkeiten des Kabaretts


Zum Glück darf Claudia Schulz in einem der Kurzfilme mit sich wiederholendem Plot – das Paar sitzt auf einem Sofa und hat ein Gespräch – auch mal den Spieß umdrehen. Da führt Sie Ihn zum Wahnsinn, indem sie ihn bittet, sich in ihren Träumen nicht mehr so schlecht zu verhalten. Im wahren Leben indes haben beide Künstler einen Ehepartner. Matthias Egersdörfer, der den implodierenden Miesepeter mit Kindheitsneurosen als Bühnenfigur etabliert hat, entfährt an diesem Abend gelegentlich ein erfrischendes Lachen, das nicht gespielt wirkt. Aus dem nur 20 Köpfe zählenden Publikum mischt sich auch mal jemand locker ein. Das alles entkrampft die Atmosphäre. Und am Nachhauseweg denkt man mal ernsthaft über die Möglichkeiten von Kabarett nach.

Gabriele Blachnik