Jesus Christus wird von Christen als Erlöser und Sohn Gottes verehrt. Aber auch im Islam spielt Jesus eine zentrale Rolle. Mouhanad Khorchide, Professor für Islamische Theologie und Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Münster, hat Jesus zusammen mit dem katholischen Theologen Klaus von Stosch von islamischer wie christlicher Seite beleuchtet. "Der andere Prophet: Jesus im Islam" heißt ihr gemeinsames Buch. Im PNP-Interview spricht Khorchide über Jesus Rolle im Koran und darüber, warum auch Christen vom Koran lernen können.
"Christen sind den Muslimen am nächsten"Herr Khorchide, in Bayern soll zukünftig in allen Eingängen öffentlicher Behörden das Kreuz hängen, stört Sie das?
Mouhanad Khorchide: Das Kreuz stört mich als Muslim überhaupt nicht. Wenn es aber als Wahlansage herhalten soll und instrumentalisiert wird, um die Gesellschaft zu spalten und das große Wir aus Muslimen und Christen trennt, dann stört mich das.
Gibt es die Kreuzigung Jesu im Islam überhaupt?
Khorchide: Jesus wird im Koran sehr oft genannt, wie auch sein Tod. Ob Jesus am Kreuz gestorben ist, ist im Koran unklar. Da gibt es viele Leerstellen. Betont wird, dass die Juden ihn nicht gekreuzigt haben, Jesus ihrem Hass also nicht unterlegen war. Diese Passage wird aber oft so ausgelegt, dass eine andere Person in Gestalt Jesu gekreuzigt worden sei. Aber warum sollte Gott über 600 Jahre warten, um den Menschen mitzuteilen, dass er die Kreuzigung manipuliert hat? Das ist absurd.
Wie viel Christentum steckt noch im Islam?
Khorchide: Die Christen sind den Muslimen am nächsten. Vieles aus der Bibel wird auch im Koran aufgegriffen. Das Spannende für Religionswissenschaftler sind dann die Unterschiede. Im Koran gibt es beispielsweise keine Erbsünde, weil Gott Adam und Eva gleich vergibt, nachdem sie von der verbotenen Frucht gegessen haben. Eva hat auch Adam nicht dazu verführt. Eine ganze Sure ist Maria, arabisch Maryam, gewidmet, und Jesus kommt an vielen Stellen vor.Funktioniert Jesus als Vermittler zwischen den Religionen?
Khorchide: Jesus ist eine Brücke zwischen Islam und Christentum. Für den Islam ist Jesus sehr wichtig, er wird im Koran als Wort Gottes und als Geist Gottes bezeichnet. Für das Christentum ist Jesus natürlich die wichtigste Figur. Ob es eine Brücke gibt, hängt natürlich davon ab, wie Jesus verstanden wird. Es kann auch ein Grund für eine Spaltung sein, wenn die einen, also die Christen, ihn zu sehr vergöttlichen, und die anderen, die Muslime, in ihm nur einen passiven Überbringer einer Botschaft sehen.
Das Interview in voller Länge lesen Sie in der Passauer Neuen Presse am 8. Mai 2018.
Von dem Einzug der Propheten Mohammed und Jesus nach Jerusalem soll Jesaja eine Vision gehabt haben. Er träumte, dass erst Jesus auf einem Esel und dann Mohammed auf einem Kamel in die Stadt geritten kämen, wie diese persische Buchmalerei aus dem 16. Jahrhundert nach Christus darstellt. − Foto: Arte
