Ab 15. September in der Mediathek
Freie Liebe, Tod & Terror: ARD-Serie „Tod den Lebenden“ ist provokant und witzig

12.09.2023 | Stand 12.09.2023, 15:27 Uhr

Liebe zu viert: Die WG-Bewohner Juklas (Julius Feldmeier, von links), Heidi (Odine Johne), Akki (Lea van Acken) und Becky (Kristin Suckow, rechts) genießen ihr Zusammensein. −Foto: ARD Degeto/Lotta Killia

Die sechsteilige Serie „Tod den Lebenden“ ist ein provokantes ARD-Impro-Werk über eine polyamoröse WG, in der es um Besitzansprüche, einen Kinderwunsch, tödliche Krankheiten und das Ende der Welt geht. Das ist bekloppt, ungemein provokant – und witzig.

Hier geht’s zum Trailer „Tod den Lebenden“

Warum leben wir eigentlich in Zweierbeziehungen? Und wäre es wünschenswert, wenn sich Liebe über die eigenen vier Wände ausbreiten würde? Was, wenn man die Klimakrise mit Gewalt aufzuhalten versucht? Ziemlich viel Utopie, Wahnsinn und „Das geht doch nicht“-Attitüde steckt in Tom Lass’ Sechsteiler „Tod den Lebenden“, der ab Freitag, 15. September, in der ARD-Mediathek steht und am Samstag, 21.45 Uhr, bei One ausgestrahlt wird.

In den ersten Folgen lernt man die Großstadt-WG von Heidi (Odine Johne), ihrer Freundin Becky (Kristin Suckow) und Juklas (Julius Feldmeier) kennen. Sie lieben sich zu dritt und leben, finanziert von Heidis Oma (Ursula Werner), die im Altersheim Geldbündel hortet, in den Tag hinein. Auch Gäste sind in der polyamorösen WG willkommen, die man für größere Liebesreigen mitbringen darf. Männer und Frauen, die den inneren Zirkel erweitern, aber auch bedrohen. Denn natürlich ist auch der Dreier rund um Heidi, Becky und Juklas nicht frei von Verletzungen, geheimen Wünschen und Besitzansprüchen. Eine dieser „Neuen“ ist die junge Aki (Lea van Acken).

Ab der dritten Folge schraubt sich die Serie zu noch größeren Themen hoch: Heidi scheint schwer krank, womit die Liebenden umgehen müssen, und die Klimakrise scheint das Leiden der (unausgesprochenen) WG-Chefin zu verschärfen. Also müssen radikalere Maßnahmen her, um die Gesellschaft zu verändern. Die Liebenden planen, den Polizeipräsidenten (Jörg Schüttauf) zu entführen und sich mit schweren Waffen einzudecken. Dabei helfen andere „Revolutionäre“ (unter anderem Hannah Schiller, Paul Wollin, Antonia Breitenbach und Céline Yildrim) mit, welche die Gruppe größer – aber auch unberechenbarer machen.

Wer die wilden Filme Jean-Luc Godards oder Rainer Werner Fassbinders kennt, die provokant von alternativen Lebensmodellen erzählten, spürt bei „Tod den Lebenden“ deutliche Nostalgiegefühle. Die um die 30-Jährigen, von denen die Serie erzählt, denken und handeln naiver, aber eben auch sehr viel freier als es andere Fernsehformate oder gar die „normative Realität“ vorsieht. Manchmal wirkt das – auch aufgrund der sichtbaren Schnitte im Improvisationsprozess während einer Szene – wie ein Amateurfilm. Aber es ergeben sich über drei Stunden Spielzeit auch Momente großer Zärtlichkeit und Wahrhaftigkeit.

Sicher wird diese Serie traditionelle Zuschauer fassungslos machen. Trotzdem ist das Projekt von Tom Lass, der 2023 den sehr guten Lena Odenthal-„Tatort: Lenas Tante“ inszenierte, ein wichtiges Stück Fernsehen. Weil es zeigt, wie entgrenzt Menschen handeln und denken können, wenn man sich nur trauen würde. Und weil sich das Fernsehen hier selbst etwas Ungewöhnliches traut.

− tsch


•Ab 15.9. in der ARD-Mediathek

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