Dokumentation auf Arte
Filmemacherin Lisa Eder aus dem Bayerischen Wald durchstreift den Nationalpark

28.08.2023 | Stand 12.09.2023, 22:43 Uhr

Im Nationalpark Bayerischer Wald ist eine Vision zum bahnbrechenden Vorzeigeprojekt weltweit geworden: Seit 1970 greift der Mensch nicht in die Natur ein. Die Filmemacherin Lisa Eder stellt ihre Heimat im Dokumentarfilm „Rückkehr der Wildnis: Nationalpark Bayerischer Wald“ vor, der auf Arte zu sehen ist. −Foto: SWR/Lisa Eder Film

Vor über 50 Jahren sorgte die Vision für den Bayerischen Wald „Natur Natur sein lassen“ noch für Unverständnis und Widerstand. Heute aber bietet Deutschlands ältester Nationalpark pure Wildnis auf 100 Quadratkilometern und lockt bis zu 1,4 Millionen Besucher pro Jahr. Mit einem Streifzug am 7. September zur Primetime spannt die sehenswerte Arte-Dokumentation „Rückkehr der Wildnis: Nationalpark Bayerischer Wald“ den Bogen von dessen Eröffnung am 7. Oktober 1970 bis heute. Filmemacherin Lisa Eder zeigt aber nicht nur das Schöne. Sie lässt auch Zweifel und die Borkenkäfer-Problematik nicht aus und erklärt die Lehren daraus.

Ein Urwald mit ungewöhnlicher Vielfalt

Filmisch wird eine faszinierende Waldwildnis mitten im dicht besiedelten Europa ins Bild gesetzt. Nirgendwo zwischen Atlantik und Ural darf sich die Natur auf derart großer Fläche frei von menschlichen Einflüssen so entfalten wie hier. Aus den einstigen Wirtschaftswäldern an der Grenze zu Tschechien wächst ein Urwald mit einer ungewöhnlichen Vielfalt an Tieren, Pflanzen und Pilzen.

Buch und Regie hat Lisa Eder schon oft übernommen, hat für ihre Dokumentationen schon Marokko und die Wüste Gobi bereist. Erstmals ist die im Bayerischen Wald aufgewachsene Filmemacherin nun auch als Produzentin aktiv: „Für mich war eine besondere Herausforderung, zeitgleich Geld für den Film zu akquirieren und den Film fertigzustellen.“

Die Dokumentation beginnt mit stimmungsvollen Bildern im Schnee. Die Bilder verbergen, dass deren Herstellung alles andere als entspannt war. Eder hat mit vier Teams – teilweise zeitgleich – gedreht. Ein Kameramann hat ausschließlich Säugetiere gefilmt, einer war für die Käfer zuständig, ein anderes Team hat die Drohnenaufnahmen der Landschaft realisiert. Die größte Herausforderung sei der Wettlauf mit der Zeit gewesen, so die Filmemacherin.

Auch Bastian Kalous ist immer wieder zu sehen. Der Pfleger in der Notfall-Ambulanz einer bayerischen Klinik sucht „im Wald eine Auszeit vom Alltag“, wie er sagt. Mit Rucksack und zum Zopf zusammengebundenen Haaren wandert Kalous im Nationalpark. Die Filmer dürfen den selbsterklärten Einzelgänger immer wieder kleine Etappen bei seinem Wagnis begleiten. Denn Kalous ist auf einer sportlichen Fünf-Tages-Tour von West nach Ost entlang der Grenze unterwegs.

Der Bayerische Wald ist geprägt durch seine Nähe zur tschechischen Grenze und den ehemaligen Eisernen Vorhang. „Das war schon das Ende der Welt. Bis zur Grenzöffnung war dort wirklich nur Wald. Da gab es nicht viel anderes – das ist halt tiefstes Niederbayern“, sagt Eder anerkennend. Der Film verdeutlicht, dass eine Koexistenz von Mensch und wilder Natur nicht nur möglich, sondern die Zukunft ist. Alle in der Dokumentation zu Worte kommenden Experten wie Förster Peter Langhammer und Jörg Müller, Leiter Abteilung Naturschutz und Forschung Nationalpark Bayerischer Wald, verbinden mit dem Projekt „Natur Natur sein lassen“ und Film Wünsche und Hoffnungen.

„Brauchen anderen Umgang mit unseren Wäldern“

Für die TV-Journalistin Lisa Eder ist die wichtigste Botschaft nach 85 Minuten eindeutig der Schlusssatz von Diana L. Six, Entomologin von der Universität Montana. Die US-amerikanische Insektenforscherin ist sicher: „Wir brauchen einen anderen Umgang mit unseren Wäldern, nur so können wir die Natur auf unserem Planeten erhalten, statt noch mehr zu verlieren!“ Dieses Zurück zur Natur unterschreibt Lisa Eder sofort und ergänzt: „Es sollte uns gelingen, Vertrauen in die Natur zu haben und weniger einzugreifen. Die Natur kann es besser als wir – wir Menschen müssen uns herausnehmen.“

Wolfgang Wittenburg


Zu sehen auf Arte am Donnerstag, 7. September, 20.15 Uhr.