Petition und Demo in München
BR-Kultursendungen zu Grabe getragen – Künstler protestieren gegen Programmpläne

10.04.2024 | Stand 10.04.2024, 13:38 Uhr
Patrik Stäbler

Beliebte Kultursendungen werden in kleinen Gräbern präsentiert. Die Initiative „Bayern2Freunde“ wehrt sich gegen die Programmreform des BR und ruft per Petition zum Protest auf. − Fotos: Stäbler

Schweren Schrittes, die Trauermusik in seinem Rücken, schreitet Holger Paetz aufs Funkhaus des Bayerischen Rundfunks zu. Mit einer Kollegin trägt der Kabarettist einen schuhschachtelgroßen Sarg, auf dem eine rote Grabkerze steht. Darüber prangt die Aufschrift: „Nachtstudio“.

Jenes Hörfunkformat wurde erstmals am 10. Dezember 1948 ausgestrahlt und ist damit die älteste Sendung des Bayerischen Rundfunks. Oder genauer: Sie war es – bis der BR am 2. April das Programm seines Kultursenders Bayern 2 umstellte. Seither hat das „Nachtstudio“ seinen Sendeplatz dienstags um 20.05 Uhr verloren; stattdessen gibt es die Sendung nur noch einmal im Monat als Podcast.

Und nicht nur das mehr als 75 Jahre alte „Nachtstudio“ ist im Zuge der Reform aus dem Programm verschwunden: Auch weitere Kultursendungen bei Bayern 2 wie das Büchermagazin Diwan, die „kulturWelt“ und „Jazz & Politik“ hat es erwischt. Und das ist wiederum der Grund, weshalb sich Holger Paetz und circa 100 weitere Kulturschaffende an diesem regnerischen Abend am Rundfunkplatz in München versammelt haben, um jene Sendungen symbolisch zu Grabe zu tragen – inklusive Särge, Grablichter und Trauermusik.

Organisiert hat den Protest die Initiative „Bayern2Freunde“, die seit Monaten gegen die Reform demonstriert. Sie sieht darin eine Verflachung und Provinzialisierung des Kulturprogramms. Oder wie es Holger Paetz in seiner Trauerrede ausdrückt: „Man könnte die Reform in drei Worte zusammenfassen: Schlampen, Basteln, Resterampen.“ Ganz anders hört sich das beim Bayerischen Rundfunk an, der von einer „Stärkung der Kultur“ spricht. So betont ein BR-Sprecher: „Wir stellen Kulturinhalte einem noch größeren Publikum als bisher zur Verfügung, weg von den Randzeiten, weg vom späten Abend oder vom Wochenende.“

Was er damit meint, sind die verlängerten Magazine, in denen die Kulturbeiträge gesendet werden. Insgesamt ist das Programm von Bayern 2 dadurch kleinteiliger geworden und thematisch durchmischter. „Die Umstellung ist gelungen, die Mischung aus Kultur und politischen Themen war in der ersten Woche sehr stimmig“, zieht der BR-Sprecher ein positives Fazit nach dem Start. „Das Profil von Bayern 2 als Kulturwelle ist hörbar geschärft, egal wann man einschaltet.“

Demgegenüber nennt Cornelia Zetzsche von den „Bayern2Freunden“ das neue Programm „deprimierend“. Sie spricht von „Kultur-Häppchen“, die ständig wiederholt würden, und klagt: „Kultur ist auf Bayern 2 zu einer Resterampe verkommen.“ Dabei sei der Sender zuvor „eine der erfolgreichste Kulturwellen in der ganzen ARD“ gewesen, sagt Zetzsche, die auch die mangelnde Dialogbereitschaft des BR kritisiert: „Seit acht Monaten stehen wir hier. Doch in all der Zeit hat es kein Gespräch und keinen ernsthaften Dialog gegeben.“

Auch das sieht man beim BR komplett anders. „Die Verantwortlichen aus den Programmbereichen Kultur und Bayern 2 haben bei sämtlichen Protestaktionen der sogenannten ‚Bayern2Freunde‘ das Gespräch gesucht und mitdiskutiert“, betont der Sprecher. Tatsächlich tritt auch an diesem Abend bei der „Trauerfeier“ Stefan Maier ans Mikrofon, Programmbereichsleiter für Bayern 2. Allein seine Worte klingen nur wenig konziliant.

„Wir haben Bayern 2 in einem durchdachten Prozess weiterentwickelt“, betont Maier – wofür er Gelächter und Buhrufe erntet. Den Protestierenden wirft er vor, mit „Fake News“ zu arbeiten. Zudem wehrt er sich gegen einen Instagram-Post der „Bayern2Freunde“, der ein montiertes Foto von ihm als Häftling zeige. „Das ist billigstes Querdenkertum“, ärgert sich Stefan Maier.

Allein dieser Satz zeigt, wie verhärtet die Fronten sind. Wobei der BR-Sprecher mit Blick auf den Protest betont: „Natürlich ist der BR weiterhin bereit zum Dialog, erwartet aber auch von den Gegnern der Reform die Bereitschaft, sich sachlich mit dem Wandel der Medienlandschaft und mit dem Wandel der Kultur insgesamt auseinanderzusetzen.“ Die „Bayern2Freunde“ jedenfalls wollen ihren Protest gegen die Programmumstellung fortführen – nicht zuletzt über eine Online-Petition, die fast 10 000 Menschen unterstützen. „Es geht uns um den Erhalt des Wertes von Kunst und Kultur in der Öffentlichkeit“, sagt Cornelia Zetzsche. „Und um den Kulturauftrag, den der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat.“

Patrik Stäbler