PNP-Spendenaktion 2023
Waisenkind aus Sierra Leone dank Onkel und Welthungerhilfe versorgt

09.12.2023 | Stand 10.01.2024, 13:40 Uhr

Kleiner Sonnenschein: Massah Konneh (4) ist zu jung, um zu verstehen wie übel ihr das Schicksal mitgespielt hat. Das Waisenmädchen wächst in einem Dschungeldorf in Sierra Leone auf. Die Welthungerhilfe unterstützt die Bewohner des Dorfes seit kurzem.  − Fotos: Fischl

Massah war erst ein Jahr alt, als sie zuerst ihre Mutter und kurz darauf ihren Vater verlor. In dem Dorf mitten im Dschungel von Sierra Leone hätte die Kleine ohne die Hilfe ihres Onkels keine Chance gehabt. Dass er ein weiteres Kind ernähren kann, dafür sorgt ein Projekt der Welthungerhilfe.

Wie Sie helfen können, lesen Sie auf unserer Sonderseite zur PNP-Spendenaktion „Ein Licht im Advent“.

Die Anreise ins Dorf Bevehum ist abenteuerlich. Von der Bezirksstadt Kenema aus geht es über staubige Schlaglochpisten tief hinein ins Hinterland. Sind die Löcher mit Schlamm gefüllt, hilft nur noch der Allrad-Antrieb des Geländewagens, um weiterzukommen. Doch selbst der kann irgendwann nichts mehr ausrichten. Einige Kilometer vor dem Ziel ist Schluss. Die Brücke, vielmehr ein Steg aus Planken, ist kaputt. Männer stehen hüfthoch im Wasser und reparieren die morsche Konstruktion notdürftig. Kein Durchkommen mehr für das Auto. Von hier aus geht es nur noch zu Fuß oder mit dem Motorrad-Taxi weiter. Der Weg windet sich durch dichten Regenwald, verengt sich schließlich zu einem Trampelpfad. Nach einem wilden Ritt auf dem Motorbike erreichen wir das Dorf Bevehum, eine Lichtung mitten im tiefgrünen Nichts.

„Mutter und Kind verbluteten auf der Straße“

Irgendwo entlang dieser beschwerlichen Strecke schlug das Schicksal vor drei Jahren auf grausame Art und Weise zu. Hier verlor Massah Konneh (4) ihre Mutter. „Wenn die Straßen besser gewesen wären, hätte meine Schwägerin nicht sterben müssen“, sagt Mohamed Konneh. „Der Weg in die nächste Krankenstation war zu lang, sie hat es nicht mehr rechtzeitig geschafft“, erinnert sich Mohamed an den Tag, der das Leben des kleinen Mädchens auf den Kopf stellen sollte.

Massahs Mutter war auf dem Weg zur Geburt ihres zweiten Kindes, als auf der Strecke die Wehen einsetzten. „Die Geburt fing plötzlich an, aber es gab Komplikationen. Unsere Dorfheilerin war bei ihr, aber auch sie konnte ihr nicht mehr helfen. Mutter und Kind verbluteten mitten auf der Straße“, erzählt Mohamed. Als die Nachricht vom Tod der beiden das Dorf erreichte, verfiel Massahs Vater in tiefe Depressionen, von denen er sich nicht mehr erholte. „Mein jüngerer Bruder wurde sehr krank und starb bald darauf selbst. Massah stand ohne Eltern da.“

„Ich wusste, wenn ich mich nicht um das Mädchen kümmere, hat sie keine Chance“



Für den Bauern, der selber vier Kinder ernähren muss, war klar, dass er seine Nichte nicht im Stich lassen wird – so hart es auch sein würde, ein weiteres Kind zu ernähren. „Ich wusste, wenn ich mich nicht um das Mädchen kümmere, hat sie keine Chance. Wer weiß, dann wäre sie heute vielleicht auch nicht mehr am Leben“, sagt Mohamed.

Doch die Entscheidung, noch ein Kind in die Familie aufzunehmen, stellte ihn vor große Herausforderungen. Die Lebensbedingungen im Dorf waren hart, bevor die Welthungerhilfe das Dorf auf Grund der besonderen Bedürftigkeit seiner Bewohner auf ihre Projektliste setzte. „Wir hatten kein sauberes Trinkwasser und die Ernten waren meistens mau“, erzählt Mohamed Konneh. „Das war eine schlimme Zeit. Das Wasser mussten wir vom Fluss holen. Die braune Brühe machte die Leute im Dorf oft krank. Viele hatten ständig Bauchweh und eine entzündete Haut“, erinnert sich der Bauer. Auch zu Cholera-Ausbrüchen sei es immer wieder gekommen.

Doch inzwischen hat sich viel getan. Bevehum ist eine der Dorfgemeinschaften in Sierra Leone, die eine der „Nutrition Smart CommUNITYs“ werden soll. Mit Unterstützung der Welthungerhilfe und ihres lokalen Partners MoPADA soll das Dorf zu einem Wissens- und Lernzentrum aufgebaut werden. Im Kampf gegen den Hunger und die hohe Kindersterblichkeit im Land sollen kleinbäuerliche Strukturen die Dorfgemeinschaft stärken, Schulungen in Sachen Hygiene und Gesundheitsvorsorge die Menschen resistenter und gesünder machen.

Zum ersten Mal erhält das Dorf Hilfe von außen

In einem ersten Schritt hat Bevehum im Frühjahr einen Trinkwasser-Brunnen und Saatgut erhalten. Inzwischen konnten die Männer um Mohamed Konneh Süßkartoffeln und Bohnen ernten und den Speiseplan der Dorfbewohner erweitern. Auch Erdnüsse sind bald zur Ernte reif. „Es war das erste Mal, dass wir Hilfe von außen bekommen haben“, betont der Bauer. „Wir sind so dankbar dafür, weil es allen im Dorf jetzt deutlich besser geht“, sagt Mohamed. Er und seine Kollegen freuen sich auf die nächste Projektphase, wenn die Bauern neues Saatgut und bessere Lagermöglichkeiten für ihre Ernten erhalten sollen.

Während wir uns unterhalten, albert die kleine Massah mit den anderen Dorfkindern herum. Die Vierjährige ist ein kleiner Sonnenschein, hat ein freundliches, offenes Wesen. Ihr Lieblingsspiel ist Kochen, dann rührt sie mit einem Ast in einem Behälter herum und verteilt ihre „Suppe“ an die anderen Kinder. „Ja, kein Wunder, dass sie dieses Spiel liebt. Bei uns wird jetzt auch mehr und vielfältiger gekocht“, lacht Mohamed.

Massah ist für ihn ein Gewinn. „Das Leben hat mir noch eine Tochter geschenkt“, sagt der Bauer. Er hofft, dass er ihr dank der Einkünfte aus den stetig wachsenden Ernteerträgen eine gute Schulausbildung ermöglichen kann. „Ich will, dass sie ihre Geschichte ändern und ihr Leben selbst in die Hand nehmen kann.“ Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist getan.